Informationspflichten
I. Versicherungsunternehmen: 1. Begriff: Pflichten des Versicherungsunternehmens gegenüber den Versicherungsnehmern zur Beratung und zur Abgabe bestimmter Informationen. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der VVG-Reform die Beratung und Information der Versicherungsnehmer nunmehr im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt.
2. Beratung: Der Versicherer hat i.d.R. den Versicherungsnehmer nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu fragen, ihn zu beraten sowie die Gründe für jeden erteilten Rat anzugeben und zu dokumentieren. Erteilter Rat und die Gründe sind dem Kunden vor Abschluss des Vertrags in Textform zu übermitteln. Eine mündliche Übermittlung ist möglich, wenn der Kunde dies wünscht sowie im Falle der vorläufigen Deckung; in diesen Fällen sind die Angaben unverzüglich nach Vertragsschluss schriftlich zu übermitteln (Ausnahme: vorläufige Deckung bei Pflichtversicherungen). Auf die Beratung und Dokumentation kann der Versicherungsnehmer durch schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der Verzicht seine Chancen auf Schadenersatz gegen den Versicherer empfindlich vermindern kann. Die ganze geschilderte Regelung entfällt bei Großrisikoversicherungen, wenn es sich um einen von einem Makler (Versicherungsmakler) vermittelten Vertrag oder um ein Fernabsatzgeschäft handelt. Siehe dazu insgesamt § 6 VVG.
3. Inhalte der Informationspflichten: Die neue Vorschrift des § 7 VVG fasst die Informationspflichten, die gegenüber den Versicherungsnehmern vor Abschluss des Vertrags gelten, für alle Verträge zusammen, egal wie sie zustande kommen. Danach hat der Versicherer dafür zu sorgen, dass dem Versicherungsnehmer vor Abgabe von dessen Vertragserklärung die vorgeschriebenen Informationen übermittelt werden. Dazu gehören die Vertragsbestimmungen einschl. der allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) sowie die in einer speziellen Rechtsverordnung enthaltenen Auskünfte (VVG-InfoV vom 18.12.2007). Letztere sind außerordentlich umfangreich. Sie sind in allgemeine, für alle Versicherungssparten und Versicherungszweige geltende Informationen (§ 1 I Nr. 1‑20 VVG-InfoV) und in solche, die speziell für bestimmte Sparten/Zweige (Lebensversicherung, private Krankenversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung und Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung, §§ 2 und 3 VVG-InfoV) gelten, unterteilt. Allein für die allgemeinen Informationen benötigt der Verordnungsgeber in 20 Nummern aufgeteilte Anforderungen. Würden alle diese und dazu noch die für die einzelnen Zweige erlassenen Anforderungen hier dargestellt, würde das den Umfang des hier vorliegenden Beitrags sprengen. Auch ohne nähere Schilderung ist es aber ohne Weiteres ersichtlich, welche Zumutung es für den Versicherungsnehmer darstellt, alle diese Informationen zu lesen und zu verstehen. Hinzu kommt noch ein besonders gut gemeintes Informationsinstrument für den Versicherungsnehmer: Er erhält zusätzlich zu allen schon genannten Informationen noch ein sog. Produktinformationsblatt (§ 4 VVG-InfoV). Hat er also den Versicherungsschein und die dazu gehörenden AVB sowie die bereits erwähnten zusätzlichen Informationen gelesen, soll er nach dem Willen des Verordnungsgebers durch Lektüre des Produktinformationsblatts, das volkstümlicher und damit umfassender und deutlicher (aber dennoch „knapp“) seine Rechte und Pflichten schildert, endgültig zum aufgeklärten Verbraucher werden. Letzteres setzt freilich voraus, dass der Versicherungsnehmer alles auch tatsächlich gelesen und verstanden hat. Hier sind nach den bisherigen Erfahrungen Zweifel angebracht. Gesetz und VVG-InfoV enthalten noch eine Reihe von Sondervorschriften für die Fälle des telefonischen Vertragsabschlusses oder des Abschlusses unter Verwendung eines anderen Kommunikationsmittels. Werden die Informationspflichten des Versicherers vor und bei Abschluss des Vertrags mehr als vielleicht notwendig geregelt, so wird die Informationspflicht während der Vertragslaufzeit nur äußerst sparsam behandelt. Hier werden lediglich die Änderungen früherer Informationen, in der privaten Krankenversicherung die Informationspflicht bei Prämienanpassungen und hinsichtlich der Möglichkeiten des Tarifwechsels sowie in der Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung hinsichtlich der Entwicklung der Ansprüche des Versicherungsnehmers (§ 7 III VVG, § 6 VVG-InfoV), behandelt.
4. Umgekehrt: Auskunftspflichten des Versicherungsnehmers.
II. Versicherungsvermittler, Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater: a) Gewerbsmäßige Versicherungsvermittler haben gem. § 11 Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV) gegenüber dem Interessenten bzw. Kunden beim ersten Kundenkontakt umfangreiche Informationspflichten zu ihrer Person, ihrer Tätigkeit und ihrem Status zu erfüllen. Der Vermittler muss dem Kunden vor Beginn des Beratungsgesprächs mitteilen: Name, Anschrift, Telefonnummer, Internetadresse, den rechtlichen Status (Versicherungsmakler, ungebundener oder gebundener Versicherungsvertreter, oder produktakzessorischer Versicherungsvertreter mit Erlaubnisbefreiung), die Möglichkeiten, das Vermittlerregister zu kontaktieren, die Registernummer, eine eigene direkte oder indirekte Beteiligung von über 10 % an Stimmrechten oder Kapital eines Versicherungsunternehmens, eine direkte oder indirekte Beteiligung eines Versicherungsunternehmens von über 10 % am Vermittler sowie Informationen über das Beschwerdestellenverfahren. Alle Informationen sind dem Versicherungsnehmer in Textform zu erteilen. Der Versicherungsnehmer kann auf die Mitteilung dieser Informationen nicht verzichten. In Art. 18b IDD (Insurance Distribution Directive, siehe EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie, kurz: IDD) sind nun auch für Versicherungsunternehmen einige vergleichbare Informationspflichten vorgesehen. Wegen weiterer Informations- bzw. Auskunftspflichten siehe auch Mitteilungspflichten von Versicherungvemittlern.
b) Gewerbsmäßige Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater haben dem Kunden beim ersten Geschäftskontakt die in § 12 Finanzanlagenvermittlungsverordnung aufgeführten Statusinformationen zu erteilen. Zudem treffen Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater gegenüber Anlageinteressenten die in § 13 Finanzanlagenvermittlungsverordnung geregelten Informationspflichten. Diese betreffen die Risiken der angebotenen Finanzanlage, die im Zusammenhang mit der Finanzanlage sowie für die Dienstleistungen des Vermittlers bzw. Beraters anfallenden Kosten und Nebenkosten sowie mögliche Interessenkonflikte, u.a. zwischen Vermittler und Anleger. Im Fall einer Anlageberatung (nicht Anlagevermittlung) hat der Finanzanlagenvermittler, der eine Empfehlung ausspricht, dem Interessenten zudem rechtzeitig vor dem Abschluss eines Geschäfts ein Informationsblatt mit den in § 15 Finanzanlagenvermittlungsverordnung angeführten wesentlichen Anlegerinformationen zur Verfügung zu stellen.
III. Arbeitgeber in der betrieblichen Altersversorgung (bAV): Das BetrAVG kennt nur vereinzelt Aufklärungspflichten. Ein Beispiel findet sich in § 4a BetrAVG, wonach der Arbeitgeber (und/oder Versorgungsträger) dem Arbeitnehmer bestimmte Auskünfte über die Höhe der Anwartschaft erteilen muss. Ähnlich gelagert ist die Situation nach § 16 BetrAVG, der für bestimmte Fälle eine Informationspflicht vorsieht. Nach § 2 I Nachweisgesetz ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, gegenüber allen Arbeitnehmern die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen und auszuhändigen. Zu den wesentlichen Vertragsbedingungen bzw. zum „Entgelt“ gehört auch der Inhalt der Versorgungszusage. Im Fall des Betriebsübergangs i.S.v. § 613a BGB hat der Arbeitgeber die Beschäftigten über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen aufzuklären, wozu auch das Schicksal der betrieblichen Anwartschaft zählt. § 144 VAG enthält zudem Informationspflichten für Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds (letztere mit der Maßgabe des § 237 VAG). Neben diesen konkreten Auskunftsverpflichtungen kennt das Gesetz jedoch keine Regelungen und Hinweise über den Umfang sonstiger Informationsverpflichtungen des Arbeitgebers. In der Rechtsprechung wird auch nicht von einer umfassenden Hinweis- und Aufklärungspflicht im Rahmen der bAV ausgegangen. Aufgrund dessen können sich entsprechende Auskunfts- und Informationspflichten allenfalls aus der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gem. § 242 BGB ergeben. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber zu einer Abwägung verpflichtet ist, in die auf der einen Seite die eigenen Interessen (die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers) und auf der anderen Seite die Interessen der Arbeitnehmer, insbesondere deren Informationsbedürfnisse, zu gewichten sind. In einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts v. 21.1.2014, Az.: 3 AZR 807/11, wird festgestellt, dass der Arbeitgeber seine Mitarbeiter nicht explizit auf die Möglichkeiten einer Entgeltumwandlung hinweisen muss. Informations- und Aufklärungspflichten können bei deren Nichtbeachtung Schadenersatzforderungen nach § 280 I BGB zur Folge haben.
IV. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): Auch die BaFin hat im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Landesaufsichtsbehörden (§ 324 VAG), vor allem aber mit den Aufsichtsbehörden im Europäischen Wirtschaftsraum, den Europäischen Finanzaufsichtsbehörden und der Europäischen Kommission eine Vielzahl von Informationspflichten zu erfüllen, um damit an einem reibungslos funktionierenden europäischen Finanzaufsichtssystem (European System of Financial Supervision, kurz: ESFS) mitzuwirken (vgl. dazu §§ 326–333, 354 VAG sowie Art. 6 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU im Hinblick auf die Errichtung des Europäischen Finanzsystems v. 4.9.2011, BGBl. I S. 2427).
Autor(en): Dr. h.c. Josef Beutelmann, Gert Fritzer, Harald Jedich