Die Insolvenz der Element Insurance AG könnte für die Branche zu einem gewaltigen Imageschaden werden. Es gibt einen Leistungsstopp und der weitere Schutz ist akut gefährdet. Vor allem Versicherungsmakler müssen handeln. Erste Lösungen zeichnen sich aber bereits ab.

Die in Berlin ansässige Versicherungsgesellschaft Element Insurance AG hatte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) am 20. Dezember 2024 den Eintritt von Überschuldung im Sinne von § 19 Insolvenzordnung (InsO) angezeigt. Die BaFin hatte daraufhin am 23. Dezember 2024 beim zuständigen Amtsgericht Charlottenburg einen Insolvenzantrag für den Versicherer gestellt. Eine allgemeine Kundeninformation über die Fakten, will die Bafin noch in dieser Woche veröffentlichen.

Volle Leistungen sind unwahrscheinlich

Das Insolvenzgericht hat mit Beschluss vom 8. Januar 2025 Rechtsanwalt Friedemann Schade von der Kanzlei BRL zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Bis zur Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens behalten alle Versicherungsverträge ihre Wirksamkeit. Laut einer Mitteilung des Versicherers gibt es für Schadenfälle aber keine Leistungen mehr. Möglicherweise erhalten die Kundinnen und Kunden später eine Quote aus dem noch vorhandenen Kapital des Versicherers.

„Eine vollständige Zahlung auf den Versicherungsfall scheint für Versicherungsfälle, die vor Eröffnung der Insolvenz entstanden sind, aber eher unwahrscheinlich“, schreibt der Fachanwalt für Versicherungsrecht Stephan Michaelis, in einem aktuellen Newsletter. Es sei zu erwarten, dass Schadenzahlungen aus Versicherungsfällen erst in einigen Monaten oder Jahren erfolgen werden, befürchtet der Jurist. Besonders gravierend wären magere und späte Teilentschädigungen etwa für abgesicherte Personenschäden.

Viele wissen nichts von Element

Betroffen sind mehrere 100.000 Kunden. Die meisten wissen aber nicht, dass sie bei Element versichert sind. Grund ist, dass das Insurtech für Assekuradeure, Vermittler und Versicherer Schutz als White-Label breitstellt, der als digitale Police unter eigenem Namen vertrieben wird. Oft kann man nicht einmal in den Versicherungsbedingungen den Risikoträger erkennen. Er ist aber immer aus dem Produktinformationsblatt ersichtlich. Die Element hat unter anderem private Unfall-, Tier- und Fahrradversicherung gedeckt. Sie ist aber auch Risikoträger für gewerbliche Versicherungen, wie Elektronik- oder Autohauspolicen.

Betroffen sind laut dem Bund der Versicherten (BdV) unter anderem Versicherungsmakler, wie Auto Protect, die etwa gewerblichen Flottenschutz und Versicherungen für Autohäuser anbieten. Als weitere Vertriebe nennt der BdV direkt-AS, Hepster, die Vermittler Schutzgarant, Panda-Tierversicherung sowie die Manufaktur Augsburg, die eine Unfallversicherung über Element anbietet. „Selbstverständlich arbeiten wir an guten Lösungen für Kunden und Vermittler und werden diese zeitnah kommunizieren“, erläutert Armin Christofori von der Manufaktur Augsburg auf Anfrage. Stark involviert ist zudem der Assekuradeur Domcura und der Versicherer die Bayerische, die beide am Mehrfachvermittler asspario Versicherungsdienst GmbH beteiligt sind, der eine Unfall- und Fahrradpolice von Element vertreibt.

Haftungsfalle für Versicherungsmakler

Die Zeit für Lösungen drängt, denn wahrscheinlich kann Element nicht fortgeführt werden. Dann würden - wenn das Insolvenzverfahren wie angekündigt im Februar 2025 eröffnet wird - die Verträge nach einem Monat gemäß § 16 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) enden, ohne dass es einer gesonderten Kündigung bedarf. Daher müssen vor allem betroffene Versicherungsmakler nun handeln, sonst droht ihnen eine Haftungsfalle.
Jurist Michaelis: „Denn der Versicherungsmakler ist ein treuhandähnlicher Sachwalter und hat seinen vermittelten Kunden auch über die Insolvenz des Versicherers und die damit verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen zu informieren.“ Für den Versicherungsmakler gelte weiterhin die Devise, dass oberste Priorität der Erhalt des Versicherungsschutzes ist. Daher sollte mit Kundinnen und Kunden über eine Umdeckung gesprochen werden.

Bestands-Umdeckungen werden deutlich teurer

Der Mehrfachagent Asspario hat bereits „für die nahtlose Absicherung“ der Kundinnen und Kunden die Gegenseitigkeit Versicherung Oldenburg (GVO) gewonnen, wie der Geschäftsführer der Asspario, Arne Buchhop, mitteilt. Die Verträge sollen von der GVO „inhaltsgleich“ übernommen werden. Notwendig sei aber eine 20-prozentige Beitragserhöhung. Vermittler sollten daher die Kunden über die Vertragsübernahme informieren. Buchhop: „Treffen Sie gemeinsam mit Ihren Kunden eine Entscheidung, ob eine Umdeckung zur GVO oder ein Wechsel zu einem anderen Anbieter gewünscht wird.“ Eine Rückmeldung sei innerhalb einer Frist von zehn Tagen notwendig.

Auch die Bayerische Versicherung hat öffentlich angekündigt, dass sie die rund 5.000 Fahrradpolicen „Bike Protect“, bei der Element Risikoträger ist, selbst weiterführen will. „Dazu haben wir unsere Kunden bereits in dieser Woche angeschrieben und unser Produkt angeboten. Der Versicherungsschutz entspricht den bisherigen Leistungen aus dem Hause der Element. Aufgrund unserer Kalkulation kommen wir zu einer Prämie, die im Vergleich um 50 Prozent höher ist“, erläutert Pressesprecherin Felicitas Eckert. Dabei wurden in die Prämie keine Courtagen oder Provision eingerechnet. Die höheren Prämien würden die „tatsächlichen Risiken“ widerspiegeln, heißt es bei der Assekuranz.

Insolvenz ist wirtschaftlicher Realitätscheck für alle Insurtechs

Ganz eindeutig ist Element vielfach mit Dumpingpräminen aktiv gewesen. So wirbt etwa Schutzgarant: „Der Firmen Schutzbrief ist eine modularere Absicherung für gewerblich genutzte elektronische Geräte und ist mehr als 40 Prozent günstiger als herkömmliche Schutzbriefe für Elektrogeräte.“  Die Insolvenz von Element ist daher auch ein wirtschaftlicher Realitätscheck für alle Insurtechs, dass Wachstumsideen sich auch den ökonomischen Fakten stellen müssen. So konnte Element seine Bruttobeiträge noch im Jahr 2023 um 150 Prozent auf über 50 Millionen Euro steigern, wie aus dem Bericht über Solvabilität und Finanzlage (SFCR) 2023 hervorgeht.

Doch hohe Kosten von fast 35 Millionen Euro, die vor allem durch Investitionen in die IT-Plattform entstanden, führten dazu, dass das Geschäftsjahr 2023 mit einem Minus von 24 Millionen Euro abgeschlossen wurde. Die Situation ist 2024 wohl nicht besser geworden. Nachdem der „wichtigste“ Rückversicherer den Vertrag Ende 2024 gekündigt hatte, war Element überschuldet.

Hinweis: Die Bayerische Versicherung verweist über ihre Pressesprecherin Felicitas Eckert darauf hin, dass das Unternehmen und der Assekuradeur Asspario, an dem der Versicherer beteiligt ist, lediglich mit einem Kundenbestand von knapp einem Prozent an der Element Insurance AG beteiligt sind. Daher könne man nicht von "starker" Betroffenheit sprechen.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek