Rehabilitation
I. Sozialrecht: 1. Begriff: Erhalt oder Wiederherstellung der gesellschaftlichen Teilhabe bei einer drohenden oder nach einer eingetretenen Behinderung. Nach der Definition des § 2 I SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Von Behinderung bedroht sind Menschen dann, wenn eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Im Sozialgesetzbuch (SGB IX) wurden die Leistungen zur Rehabilitation und gesellschaftlichen Teilhabe in einem Gesetz zusammengefasst. Mit den Leistungen sollen auch Hindernisse, die einer Chancengleichheit entgegenstehen, beseitigt werden.
2. Leistungsarten: Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Rehabilitationsleistungen, die im SGB IX und anderen Büchern des Sozialgesetzbuchs geregelt sind: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation umfassen insbesondere die ärztliche Behandlung, die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln sowie Psychotherapie und Arbeitstherapie. Als Leistungsarten sind zu unterscheiden: a) Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, bei denen z.B. mit den Methoden der Physio-, Ergo- und Psychotherapie behinderungs- und krankheitsbedingte Folgewirkungen ausgeräumt werden sollen. Die medizinische Rehabilitation arbeitet mit einem ganzheitlichen, mehrwöchigen, stationären Behandlungsansatz, der neben medizinischen und physikalischen Therapien auch stark auf Verhaltensänderungen – bezogen auf einen gesunden Lebensstil – abzielt, um so eine größere Nachhaltigkeit des Rehabilitationserfolgs zu erzielen.
b) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die die Betroffenen z.B. durch Umschulungen, Weiterbildungen oder sonstige Hilfen wieder in das Arbeitsleben integrieren sollen.
c) Leistungen der sozialen Rehabilitation, die eine Wiedereingliederung in das gemeinschaftliche und kulturelle Leben ermöglichen sollen.
3. Leistungsträger: Entsprechend der Zielsetzungen hat der Gesetzgeber die Leistungszuständigkeiten geregelt. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist ausschließlich für die medizinische Rehabilitation zuständig, allerdings nachrangig gegenüber anderen möglichen Leistungsträgern, dazu zählen die gesetzliche Rentenversicherung (GRV), die gesetzliche Unfallversicherung (GUV), die Bundesagentur für Arbeit, die öffentliche Jugendhilfe, die Träger der sozialen Entschädigung und die Träger der Sozialhilfe, vgl. SGB V §§ 23, 40, 41 sowie SGB IX. Die Zuständigkeiten für ergänzende Leistungen zur Rehabilitation sind differenzierter geregelt. Die Mehrzahl der Leistungsfälle zur medizinischen Rehabilitation entfällt auf die GRV und die GKV.
4. Entwicklungen: Die ursprünglich sehr allgemeinen Rehabilitationskonzepte wurden der jeweiligen Indikations- bzw. Diagnosespezifik angepasst. Das Phasenmodell (Akutbehandlung, Frührehabilitation, weiterführende Rehabilitation, aktivierende Behandlungspflege) wird als struktureller Behandlungsplan insbesondere in der Neurologie den oftmals komplexen Fähigkeits- und Funktionsstörungen der Patienten gerecht. Als Unterscheidungsmerkmal in der Leistungsart hat sich die im Anschluss an einen akutstationären Aufenthalt stattfindende Anschlussrehabilitation bzw. Anschlussheilbehandlung gegenüber dem allgemeinen Heilverfahren herausgebildet. Die Anschlussrehabilitation ist risikostrukturausgleichsfähig (Risikostrukturausgleich). Der zunehmende Zwang der Wirtschaftlichkeit bei immer geringeren finanziellen Ressourcen der GRV und GKV hatte Einfluss auf Art und Umfang der Rehabilitationsmaßnahmen. Der Gesetzgeber reglementierte eine Verkürzung der ursprünglichen ausschließlich stationären Maßnahmen ebenso wie er im sog. gestuften Versorgungsverfahren der ambulanten und stationären Rehabilitation ihren Platz zuwies: Erst wenn ambulante medizinisch-therapeutische Maßnahmen ausgeschöpft sind, kommen ambulante Rehabilitationsmaßnahmen infrage und danach ggf. stationäre. Rehabilitative Maßnahmen haben allerdings Vorrang vor Pflegeleistungen im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung (SPV). Das Wirtschaftlichkeitsgebot der GKV (§ 12 SGB V) war maßgeblich für weitere Trends: Der inzwischen breite deutsche Markt der Rehabilitationsforschung widmet sich der Entwicklung evidenzbasierter Behandlungsleitlinien sowie der Nachhaltigkeit der Rehabilitationsbehandlung. Parallel wurde das Qualitätssicherungsverfahren der GKV implementiert, das u.a. die Durchführung eines klinikinternen Qualitätsmanagements überprüft und den Rehabilitationseinrichtungen eine Standortbestimmung bietet (§§ 135a, 137d SGB V i.V.m. § 20 SGB IX). Ziele aller Entwicklungen sind eine zunehmende Effektivität und Effizienz der Rehabilitation.
5. Aktuelle Trends: Die Rehabilitation gewinnt im Gesamtversorgungsprozess zunehmend an Bedeutung. In der Integrierten Versorgung hat die Rehabilitation bereits beispielhaft die Rolle des Versorgungsmanagers übernommen. Zur Entschärfung der Schnittstellenproblematik aufgrund verschiedener Leistungsträger im Versorgungsprozess wurden gemeinsame Servicestellen eingeführt, die eine trägerübergreifende und umfassende Beratung und Hilfe anbieten (§§ 22, 23, 24, 25 SGB IX). Die bisherige tägliche Vergütung in der Rehabilitation wurde weitgehend von Fallpauschalen mit Verweilkorridoren abgelöst. Erste Modelle einer Rehaklassifikation nach Rehabehandlungsgruppen und -schweregraden bzw. nach Rehamanagementgruppen sind in der Entwicklung und Erprobung. Sie ermöglichen die leistungsorientierte Bezahlung für Leistungskomplexe in Analogie zu den Diagnosis Related Groups für Akutkliniken.
II. Private Unfallversicherung: 1. Begriff und Ziel: Leistung des Versicherers oder eines von ihm beauftragen Dritten, die die schnelle und möglichst vollständige Wiedereingliederung eines bei einem Unfall schwer Verletzten in sein privates, soziales und berufliches Umfeld zum Ziel hat. Bestenfalls die Wiederherstellung der Gesundheit einer versicherten Person durch Leistungen der privaten Unfallversicherung.
2. Merkmale: Die Leistungen umfassen die Planung, Ausführung und Koordination der Rehabilitationsmaßnahmen für einen einzelnen Verletzten, bei der behandelnde Ärzte, Therapeuten, der bisherige oder ein möglicher neuer Arbeitgeber sowie die Angehörigen partnerschaftlich mit eingebunden werden. Dafür werden Experten, meist Reha-Manager, eingesetzt. Diese beraten und informieren die versicherte Person z.B. über medizinische Therapiemöglichkeiten, Spezialkliniken oder das Sozialversicherungsrecht. Als Leistungsvoraussetzung kann eine bestimmte Schwere des Unfalls gelten, z.B. eine Querschnittslähmung als Unfallfolge oder eine bestimmte Verletzung, z.B. eine schwerwiegende Bruchverletzung. Zur Bemessung der Leistungen wird im Versicherungsvertrag eine Versicherungssumme vereinbart. Rehabilitationsleistungen werden u.a. von Spezialunternehmen angeboten und erbracht, mit denen Versicherungsunternehmen häufig eng zusammenarbeiten.
3. Entwicklungen: Der Begriff der Rehabilitation wurde bis vor wenigen Jahren nur im sozialrechtlichen Zusammenhang, vor allem im Zusammenhang mit der Sozialversicherung (u.a. der gesetzlichen Unfallversicherung) genutzt. Die Anbieter in der Privatversicherung haben insofern erkannt, dass im Leistungsspektrum der privaten Unfallversicherung eine Lücke vorhanden war. Daraufhin haben zunehmend viele Versicherer spezielle Leistungspakete entwickelt, die Rehabilitationsmaßnahmen enthalten und als Bestandteil von Assistanceleistungen (Assistance) angeboten werden.
Autor(en): Dr. Eckhard Bloch