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Pflegestufen

1. Begriff: Gradmesser für den Umfang an Hilfebedarf und an Leistungen, den ein Pflegebedürftiger (Pflegebedürftigkeit) von der Pflegeversicherung erhält (soziale Pflegeversicherung, private Pflegeversicherung).

2. Bestimmungsgrößen: Die Pflegestufen richten sich nach der Schwere der Beeinträchtigungen und dem Zeitaufwand, den die Pflege in Anspruch nimmt. Zur Einstufung in eine Pflegestufe wird die Pflegebedürftigkeit bei den regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens herangezogen. Dazu zählen die Grundpflege sowie der Aufwand für die hauswirtschaftliche Versorgung. Die Grundpflege beinhaltet Hilfen bei der Körperpflege, Ernährung und Mobilität. Folgende Hilfestellungen gehören dazu: a) Körperpflege: Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Blasen- oder Darmentleerung.
b) Ernährung: Mundgerechtes Zubereiten oder Aufnahme der Nahrung.
c) Mobilität: Selbstständiges Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (z.B. für Arztbesuche, Behördengänge, nicht für Spaziergänge).
d) Hauswirtschaftliche Versorgung: Einkaufen, Kochen, Putzen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche. Für jede einzelne Tätigkeit gibt es einen bestimmten Zeitbedarf; daraus wird der gesamte Pflegeaufwand berechnet. Die Einstufung in eine Pflegestufe erfolgt i.d.R. durch ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK). Bei privaten Krankenversicherungen übernimmt dies Medicproof (Pflegebegutachtung).

3. Abgrenzung der Pflegestufen: Gem. § 15 SGB XI werden drei Pflegestufen unterschieden. Die Übergangsregelung des § 123 SGB XI sieht zudem Leistungen für Versicherte ohne Pflegestufe, die sog „Pflegestufe 0“, vor. a) Pflegestufe I – erheblich Pflegebedürftige: Der Hilfebedarf für die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung muss pro Tag bei mindestens eineinhalb Stunden liegen. Auf die Grundpflege müssen dabei mehr als 45 Minuten täglich entfallen.
b) Pflegestufe II – Schwerpflegebedürftige: Der Hilfebedarf für die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung muss pro Tag bei mindestens drei Stunden liegen. Auf die Grundpflege müssen dabei mindestens zwei Stunden täglich entfallen.
c) Pflegestufe III – Schwerstpflegebedürftige: Der Hilfebedarf für die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung muss pro Tag bei mindestens fünf Stunden liegen. Auf die Grundpflege müssen dabei mindestens vier Stunden täglich entfallen.
d) Bei Festlegung der Pflegestufe eines Kindes ist der Vergleich zum Hilfebedarf eines gesunden Kindes maßgeblich (§ 15 II SGB XI).

4. Leistungen aus der Pflegeversicherung: Je höher die anerkannte Pflegestufe ist, desto höher ist auch der Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung (SPV). Konkret geregelt werden die Art und die Höhe der Leistungen, die auch von der Art der Pflege (ambulante Pflege, stationäre Pflege) abhängen, im vierten Kapitel des SGB XI (für einen Überblick siehe § 28 SGB XI). Wird der Pflegebedürftige zu Hause gepflegt, besteht eine Wahl zwischen Geldleistungen (Pflegegeld) und Sachleistungen (Pflegesachleistungen). Pflegegeld wird geleistet, wenn Angehörige oder eine selbst ausgewählte Pflegeperson (Angehörigenpflege, Laienpflege) die Pflege komplett übernehmen. Pflegesachleistungen können in Anspruch genommen werden, wenn ein professioneller Pflegedienst mit der Pflege betraut ist. Dieser stellt eine Rechnung, die bis zum jeweiligen Höchstbetrag erstattet wird. Werden die Sachleistungen nicht komplett ausgeschöpft, kann der nicht genutzte Prozentsatz der Sachleistungen anteilig als Pflegegeld ausgezahlt werden (Kombinationsleistungen).

5. Härtefallregelungen: Wenn der Pflegeaufwand das Maß der Pflegestufe III weit übersteigt, kann ein sog. Härtefall vorliegen. Die Pflegekasse kann in diesem Fall im Rahmen der Pflegesachleistungen und der vollstationären Pflege weitere Leistungen gewähren. Dies kann bspw. im Endstadium einer Krebserkrankung oder bei Patienten im Wachkoma der Fall sein.

6. Ausblick: Mit dem am 18.12.2015 verabschiedeten Zweiten Pflegestärkungsgesetz werden die bisherigen drei (bzw. vier) Pflegestufen zum 1.1.2017 durch ein System mit fünf Pflegegraden ersetzt. Es wird ein neuer Begriff der Pflegebedürftigkeit eingeführt, der allen Pflegebedürftigen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung eröffnen soll, unabhängig davon, ob sie von körperlichen oder psychischen Einschränkungen betroffen sind. Pflegebedürftige, die bereits Leistungen beziehen, werden automatisch in das neue System übergeleitet und genießen hinsichtlich des bisherigen Leistungsniveaus Bestandsschutz.

Autor(en): Dr. Eckhard Bloch

 

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