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Massenschaden

1. Begriff: Schadenkonglomerat, das durch viele zusammenhängende Einzelschäden geprägt ist, die einen gemeinsamen Hintergrund besitzen, aber nicht zwingend auf ein und dasselbe Schadenereignis zurückgehen müssen. Insoweit abzugrenzen vom Kumulschaden (siehe auch Kumulrisiko). Massenschäden gibt es bspw. in der Kfz-Versicherung und in der Rechtsschutzversicherung. In der Rechtsschutzversicherung kann z.B. ein Grundsatzurteil zu einem Massenschaden führen, wenn dadurch viele gleichartige Gerichtsprozesse angestoßen werden, deren Kosten vom Versicherungsvertrag gedeckt sind.

2. Spezifikationen in der Kfz-Versicherung: Als Massenschäden gelten Kfz-Unfälle, bei denen 40 oder mehr Fahrzeuge beteiligt sind und kein Verursacher des Ereignisses zu ermitteln ist. Die Regulierung der Schäden erfolgt nach den „Grundsätzen für gemeinsame Regulierungsaktionen bei Massenunfällen, Fassung gemäß Beschluss vom 14.11.2014“, wie sie vom Kraftfahrt-Fachausschuss des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) beschlossen wurden. Über das Vorliegen eines Massenunfalls entscheidet eine von der Kraftfahrt-Schadenkommission ernannte Lenkungskommission. Sie kann einen Massenunfall auch ausrufen, wenn 20 bis 39 Fahrzeuge beteiligt sind und besondere Umstände vorliegen (z.B. Nebel- oder Glatteisunfälle, bei denen der Unfallhergang schwer rekonstruierbar ist). Die Grundsätze dienen einerseits einer schnelleren und zufriedenstellenderen Schadenregulierung für die Geschädigten und andererseits einer vereinfachten Schadenabwicklung im jeweiligen Versicherungunternehmen, aber auch zwischen den beteiligten Versicherern, da bei Massenschäden typischerweise die Kausalbeiträge der einzelnen Unfallbeteiligten nicht oder nicht vollständig oder nur mit großem Aufwand aufgeklärt werden können. Die Regulierung erfolgt nach Sach- und Rechtslage im Rahmen des geltenden Haftpflichtsystems. Jedoch reguliert jeder beteiligte Versicherer den Schaden an dem bei ihm versicherten Fahrzeug und die Sach- und Personenschäden der Insassen einschl. des Fahrers nach den Grundsätzen der Kfz-Haftpflichtversicherung. Bei der Regulierung der persönlichen Ansprüche des Fahrers und der Insassen oder deren Hinterbliebenen wird keine Haftungsquote gebildet. Jedoch ist der Einwand eines Mitverschuldens möglich (z.B. weil kein Sicherheitsgurt angelegt wurde). Ansprüche der Insassen, die auf Drittleistungsträger (z.B. Arbeitgeber, Sozialversicherungsträger, private Krankenversicherer) übergegangen sind, werden ausschließlich nach Sach- und Rechtslage reguliert. Nach Abschluss der Regulierung meldet jeder Versicherer seine Schadenaufwendungen für das Massenunfallereignis an den GDV, der die Gesamtaufwendungen entsprechend der Anzahl der beteiligten Fahrzeuge auf die Versicherer umlegt. Bei einem Massenschaden werden die beteiligten Kfz-Halter in der Kfz-Haftpflichtversicherung oder der Kfz-Kaskoversicherung nicht zurückgestuft. Die Grundsätze gelten nur im Verhältnis der teilnehmenden Versicherer untereinander. Auf europäischer Ebene besteht trotz entsprechender Initiativen des europäischen Dachverbands (Insurance Europe) bislang kein entsprechendes Abkommen der Versicherer. Hauptgrund hierfür sind die unterschiedlichen Regulierungsansätze (Direktregulierung vs. Regulierung durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer) in den Mitgliedsstaaten der EU.

Autor(en): Dr. Jochen Tenbieg

 

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