"Für Social Media müssen wir auch mal aus unserer Komfortzone herausgehen"

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Mit ihrem jahrelangen Fokus auf die Finanzberatung von Frauen und dem Anbieten von nachhaltigen Produkten ist Jennifer Brockerhoff (siehe Foto), Geschäftsführerin von Brockerhoff Finanzberatung, eine wichtige Stimme in der Branche. Im Interview mit Versicherungsmagazin sprach die Maklerin darüber, welchen Einfluss die Sozialisierung beim Thema Finanzen auf Frauen hat, wie die Sozialen Netzwerke das Finanzwissen der breiten Masse verändern, und warum Nachhaltigkeit trotz momentaner Ermüdungserscheinungen weiterhin ein bestimmendes Thema bleiben wird.

Versicherungsmagazin: Frau Brockerhoff, woran liegt es, dass Frauen weiterhin eher zögerlich sind, wenn es um das Thema Finanzen geht?

Jennifer Brockerhoff: Grundsätzlich glaube ich, dass es an der Sozialisierung liegt. Also wie werden wir groß, wie wird das Thema Geld innerhalb der Familie und im Freundeskreis besprochen, wie wird mit Geld umgegangen. Es heißt ja, wir sind immer der Durchschnitt der fünf Menschen, mit denen wir uns am meisten umgeben.

Also wenn ich in einer Umgebung aufwachse, wo über Geld gesprochen wird, wo Geld investiert wird, wird das auch auf mich abfärben. Bei Frauen ist das immer noch etwas seltener der Fall als bei Männern.

Haben Sie bei ihrer Kundschaft in den vergangenen Jahren bemerkt, dass sich Frauen immer mehr mit Finanzen befassen?

Absolut ist das so. Das hängt mit der Digitalisierung zusammen, vor allem mit Social Media. Dort habe ich alle möglichen Informationen direkt in meiner Hosentasche. Auf den großen Plattformen kann ich mir alle möglichen Kanäle mit Finanzthemen zusammensuchen, sei es von Versicherungsvermittlern, von Banken oder von Finfluencern (Finanz-Influencer, Anm d. Red.). In dem Moment, wo der Zugang zu diesen Themen so einfach ist, können sich junge Menschen und damit auch Frauen besser mit Finanzen auseinandersetzen.

Sie haben die Gruppe der Finfluencer bereits angesprochen. Müssen Versicherungsmakler vielleicht selbst auf Social Media zu solchen werden, um besser an andere Zielgruppen heranzukommen?

Also wichtig ist, dass ein Vermittler oder Berater grundsätzlich immer authentisch ist. Das heißt, nur irgendwas nachzumachen, weil man meint, damit Erfolg zu haben ist, glaube ich, ein schlechter Weg. Wir müssen jetzt nicht hunderttausende an Followern auf Social Media haben, sondern es würde ausreichen, wenn wir in unseren Bereichen, unserer Nische die Menschen erreichen, denen die Themen wichtig sind. Dafür müssen wir auch aus unserer Komfortzone herausgehen und das Feld nicht Branchenfremden überlassen, sondern sich auch trauen, für mehr Sichtbarkeit den Schritt auf Social Media zu gehen.

Sehen Sie von Versicherern und Maklern Ansätze, mehr auf Frauen zuzugehen und sie besser zu beraten?

Viele Versicherer haben die Zielgruppe Frauen inzwischen für sich entdeckt und legen den Fokus gezielt auf die psychologische Ebene, um das Thema verständlicher und zugänglicher zu machen. Die Stuttgarter hat beispielsweise ein Video herausgebracht mit einem Experiment zum Thema, wo Mädchen einen talentierten Menschen zeichnen sollten und Frauen einen intelligenten Menschen. Das Ergebnis war, dass 80 Prozent derMädchen eine Frau zeichneten und die erwachsenen Frauen beim Thema Vorbild fast alle einen Mann zeichneten. Das finde ich eindrucksvoll, weil es gerade diesen unbewussten Aspekt unserer Prägung deutlich macht.

Und wenn wir dann zur Digitalisierung schauen, wie, wie sehen Sie die Branche da, auf welchem Stand ist sie inzwischen?

Sie ist weiter auf einem guten Weg, hoffe ich. Die Versicherer wissen selbst, dass Schnittstellen und die Infrastruktur laufend modernisiert werden müssen, aber die Bemühungen sind schon sehr groß, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Umstellung der bestehenden Infrastruktur ist natürlich eine Mammutaufgabe und passiert ja im laufenden Betrieb, was zusätzliche Herausforderungen mit sich bringt.

Spätestens seit letztem Jahr steht das Thema KI überall im Vordergrund, als neue Technologie, die alles verändern soll. Wie schätzen Sie das ein, wird es so kommen?

Eindeutig wird die Künstliche Intelligenz viel Einfluss haben in Zukunft. Bei meiner Arbeit nutze ich sie inzwischen auch, um Ideen für Blogbeiträge und Vorträge zu bekommen.

Ich kenne aber wenige Vermittler oder auch Versicherungsgesellschaften, die bei dem Thema schon sehr weit sind. Ich sehe, dass alle Gesellschaften inhouse mittlerweile eigene KIs haben, und da wird den Mitarbeitern viel angeboten. Allerdings merken die Makler und Versicherer, dass diese Angebote von der älteren Generation zögerlich angenommen werden.

Also denken Sie, es kann es sich auch erst im Laufe der Zeit so richtig durchsetzen.

Es wird sich mit oder ohne uns durchsetzen. Es wird in allen Bereichen auf der Welt implementiert werden und unterstützend da sein. Die Frage ist: schaffen wir es, tempomäßig mitzukommen, damit wir es auch vollständig nutzen können, um effizienter im Alltag zu sein.

Was sehen Sie als die größten Herausforderungen der Branche in den kommenden Jahren?

Das Thema Nachhaltigkeit in seiner Breite wird uns wohl am meisten beschäftigen. Einerseits die Verständlichkeit innerhalb der Vermittlung, die Verständlichkeit für Versicherungsvertriebe und Mitarbeitende sowie die Brücke zu Verbraucherinnen und Verbrauchern zu bauen. Es geht auch darum zu verstehen, welche Auswirkungen, physisch und finanziell, auf uns zukommen sowie wie wir die Klimafolgen in unser Arbeitsleben implementiert bekommen.

Manche Makler beobachten allerdings, dass sich ihre Kundschaft und auch Versicherer momentan wieder vom Thema Nachhaltigkeit entfernen.

Bei den Versicherern habe ich da nicht das Gefühl, dass das Thema in den Hintergrund rückt. Zumindest ist das so, wenn ich mit den Nachhaltigkeitsbeauftragten der Gesellschaften spreche.

Die Nachrichtenlage, gerade auch die geopolitische, führt meines Erachtens dazu, dass man sich überfordert fühlt und momentan andere Themen priorisiert. Nachhaltigkeit wird aber zwangsläufig wieder in den Vordergrund rücken, einfach aufgrund von Veränderungen, seien es Naturkatastrophen, soziale Beeinträchtigungen, oder auch politische Einschränkungen. Nachhaltigkeit ist ja nichts Neues, sondern wird zwangsläufig sichtbarer aufgrund der negativen Beeinträchtigungen der Menschheit auf ihre überlebenswichtige Umwelt.

Autor(en): Frederik Schmidt

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