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Versicherungsderivate

1. Begriff: Derivative Finanzinstrumente (Futures, Optionen, Swaps), deren Wert durch den Verlauf eines versicherungsspezifischen Indizes bestimmt wird. Als Basis (Underlying) dienen häufig Marktschadenindizes (Marktschaden-Trigger; Beispiel: PCS-Index des Property Claims Services in den USA) oder ein parametrischer Trigger. Ein Marktschadenindex spiegelt die angefallenen Schäden der Versicherungswirtschaft z.B. nach einer Naturkatastrophe wider. Ein parametrischer Trigger koppelt die Auslösung der Deckung an ein physikalisch messbares Kriterium, z.B. eine Erdbebenstärke, gemessen an der Richterskala, eine Windgeschwindigkeit oder einen Luftdruck.

2. Ziel: Versicherungsderivate dienen dazu, Versicherungsrisiken in bzw. über den Kapitalmarkt zu transferieren (Alternativer Risikotransfer). Im Gegensatz zu Anleihen über Versicherungsrisiken (Securitization ) wird bei Versicherungsderivaten erst nach dem Schadenereignis Kapital zur Verfügung gestellt, d.h. es gibt keine Vorabliquidität zur Besicherung der maximalen Haftung; der Sponsor trägt damit ein Kreditrisiko.

3. Rechtsgrundlagen: Die rechtliche Basis von Versicherungsderivaten sind von der International Swap and Derivatives Association (ISDA) entwickelte, standardisierte Musterverträge, wie sie bei Finanzderivaten generell verwendet werden.

4. Arten: Nach ihrer Handelsform wird zwischen standardisierten, d.h. börsennotierten Derivaten auf der einen Seite und maßgeschneiderten, ohne Einschaltung einer Börse individuell zwischen den Vertragsparteien abgeschlossenen, sog. OTC-(Over-the-Counter-)Produkten auf der anderen Seite unterschieden. a) Standardisierte Versicherungsderivate (Optionen und Futures): Dabei können Marktteilnehmer an der Chicago Mercantile Exchange (CME) auf Basis von Marktschadenindizes Deckung gegen Naturkatastrophen (Hurrikane, Erdbeben) in den USA kaufen bzw. verkaufen.
b) Maßgeschneiderte Versicherungsderivate: Außerhalb der Börse werden Versicherungsderivate individuell zwischen den Parteien ausgehandelt und abgeschlossen. In diesem Fall wird von OTC-(Over-the-Counter-)Derivaten gesprochen. (1) Bei einem OTC-Insurance-Swap zahlt der Zedent den Investoren eine Prämie und erhält im Schadenfall eine Entschädigung. Die Prämie ist die Fixed-Rate-Zahlung, die Entschädigung die Floating-Rate-Zahlung. Rein technisch ist diese Konstruktion mit einem gewöhnlichen (Rück-)Versicherungsvertrag vergleichbar. Faktisch muss der Käufer für den Fall einer Auszahlung aus dem Derivat allerdings kein versichertes Interesse bzw. keinen Schadenfall vorweisen. Maßgeblich ist allein ein Überschreiten des vereinbarten Marktschaden-Indexstands oder parametrischen Triggers. Davon zu unterscheiden sind die reinen Risk-Risk Swaps, bei denen zwei Risiken mit gleicher Schadeneintrittswahrscheinlichkeit und gleichem Haftungsvolumen aus reinen Diversifikationsüberlegungen getauscht werden. (2) Bei einer OTC-Insurance-Option agiert der Zedent als Optionskäufer, der Investor als Optionsverkäufer. Der Optionsverkäufer erhält auch hier vorab vom Zedenten (Optionskäufer) eine Optionsprämie, die mit einer Versicherungsprämie vergleichbar ist. Bei Überschreiten eines vereinbarten Marktschaden-Indexstands oder dem Eintritt eines parametrischen Triggers kann die Option ausgeübt werden. Der Optionskäufer erhält den festgelegten Nominalbetrag als „Ausgleichs-“ bzw. „Entschädigungs“-Zahlung. Für den Fall, dass sich ein verbleibendes Basisrisiko zugunsten des Optionskäufers auswirkt, können zusätzlich sog. Windfall-Profits realisiert werden. Im umgekehrten Fall kann sich das Basisrisiko auch zulasten des Optionskäufers auswirken, wenn der gewählte Marktschaden-Index nicht ausreichend mit der tatsächlichen Schadenbelastung des Versicherers bzw. des versicherten Portefeuilles korreliert. Die Option kann auch als sog. „Second-Event“-Deckung ausgestaltet werden, bei der der Optionskäufer im Fall des Überschreitens eines vereinbarten Marktschaden-Indexstands oder des Eintritts eines parametrischen Triggers und der Ausübung der Option eine Deckung zu einem vorher festgelegten Preis erhält.

Autor(en): Dr. rer. pol. Ludger Arnoldussen, Dr. oec. publ. Laila Neuthor

 

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