Vermittlerhaftung
1. Begriff: Haftung des Vermittlers für Schäden aus einer fehlerhaften Beratung bzw. Betreuung. Im Rahmen des Vermittlerrechts stellt sich die Frage der Haftung des Vermittlers, wenn seinem Kunden infolge einer fehlerhaften Beratung bzw. Betreuung ein Schaden entstanden ist.
2. Haftung bei Tätigkeit des Versicherungsvermittlers: a) Selbstständige Vermittler: Eine wesentliche Pflicht des selbstständigen Versicherungsvermittlers (Versicherungsmakler und Versicherungsvertreter mit Ausnahme der Vermittler nach § 34d IX Nr. 1 GewO) ist die in § 61 VVG normierte ordnungsgemäße Beratung (nebst Dokumentation) der Interessenten bzw. Versicherungsnehmer vor Abschluss eines Versicherungsvertrags. Die schuldhafte Verletzung dieser Verpflichtung durch einen Makler oder Vertreter führt nach § 63 VVG zu einer persönlichen Schadenersatzpflicht. Der Versicherungsmakler schuldet dem Versicherungsnehmer neben der ordnungsgemäßen Beratung bei der Vermittlung von Versicherungsschutz üblicherweise aus dem Maklerauftrag auch die Betreuung der in seine Obhut gegebenen Versicherungsinteressen des Kunden. Damit ist er z.B. bei einer Änderung der für das versicherte Risiko maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse zu einer Anpassung des Versicherungsschutzes verpflichtet. Verletzt er diese Vertragspflicht schuldhaft und entsteht dem Kunden hierdurch ein Schaden, so haftet der Makler dem Kunden aus § 280 BGB auf Schadenersatz.
b) Angestellter Vermittler: Auf angestellte Vermittler finden die §§ 61–63 VVG keine Anwendung. Mangels einer (eigenen) Vertragsbeziehung zum geschädigten Versicherungsnehmer haften angestellte Vermittler diesem in aller Regel nicht persönlich. Anderes gilt nur, wenn sich aus § 826 BGB oder aus § 823 II BGB i. V. m. einem Schutzgesetz ausnahmsweise eine deliktische Haftung ergibt. – c)Versicherungsunternehmen:Auch die Versicherungsunternehmen trifft nach § 6 I VVG vor einem Vertragsabschluss eine entsprechende Beratungspflicht (Ausnahmen: Großrisiko, Vermittlung durch Makler oder Fernabsatz). Tritt bei der Vermittlung ein selbstständiger Versicherungsvertreteroder ein angestellter Vermittler (= Arbeitnehmer) für das Versicherungsunternehmen auf, so handelt dieser bei der Kundenberatung als Erfüllungsgehilfe des Versicherers i.S.d. § 278 BGB. Der Versicherer muss sich eine schuldhafte Pflichtverletzung (z.B. Falschberatung) seines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen und haftet dafür gegenüber dem Versicherungsnehmer nach § 6 V VVG i. V. m. § 278 BGB auf Schadenersatz (bei der Vermittlung durch einen selbstständigen Vertreter üblicherweise mit diesem als Gesamtschuldner). Hat ein Kunde auf eine fehlerhafte Auskunft eines Versicherungsvertreters oder angestellten Vermittlers vertraut, so kommt neben der Haftung des Versicherers aus den §§ 63 VVG oder 280 BGB ein Anspruch des Kunden aus dem Rechtsinstitut der „gewohnheitsrechtlichen Erfüllungshaftung“ in Betracht. In diesem Fall ist der Kunde vom Versicherer so zu stellen und der Vertrag so anzupassen, als wenn die unrichtige Auskunft zutreffen würde. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Beratung und Aufklärung trifft den Versicherer nach § 6 IV VVG auch während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für ihn – ggf. auch in Person des betreuenden Vertreters oder angestellten Vermittlers – ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist. Auch bei Verletzung dieser Pflicht haftet der Versicherer dem nicht bzw. fehlerhaft beratenen Kunden auf Schadenersatz.
3. Haftung bei Tätigkeit eines Finanzanlagenvermittlers bzw. Honorar-Finanzanlagenberaters: a) Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater treffen gem. §§ 13 bis 18 der Finanzanlagenvermittlerverordnung Pflichten, wie etwa dem Interessenten Informationen bez. der Risiken der angebotenen Finanzanlagen zur Verfügung zu stellen, zur anlegergerechten Beratung bzw. Vermittlung sowie zur Anfertigung eines Beratungsprotokolls. Hingegen existiert für Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater keine gesetzliche Vorschrift wie § 63 VVG, die eine unmittelbare Haftung des Vermittlers auf Schadenersatz gegenüber dem fehlerhaft informierten und/oder beratenen Kunden anordnet. Allerdings handelt es sich bei den vorgenannten Vorschriften der Finanzanlagenvermittlerverordnung um Schutzgesetze zugunsten der betroffenen Kunden i.S.d. § 823 II BGB. Aus dieser Vorschrift kommt eine Eigenhaftung des Finanzanlagenvermittlers und Honorar-Finanzanlagenberaters gegenüber dem Kunden auf Schadenersatz in Betracht. Der in einer unmittelbaren Vertragsbeziehung zum Kunden stehende Honorar-Finanzanlagenberater haftet dem Kunden zudem bei schuldhafter Verletzung seiner Pflichten aus dem Vertrag nach § 280 BGB.
b) Vertretene Unternehmen, z. B. Kapitalanlagegesellschaften: Soweit diese den Finanzanlagenvermittler als Erfüllungsgehilfen mit der Vermittlungstätigkeit betraut haben, haften diese – ggf. als Gesamtschuldner – neben dem Vermittler aus § 280 BGB i.V.m. § 278 BGB auf Schadenersatz.
Autor(en): Dr. h.c. Josef Beutelmann, Gert Fritzer, Harald Jedich