Die Versicherungsombudsfrau hat den Tätigkeitsbericht 2024 vorgelegt, wonach es eine deutliche Zunahme der Beschwerden gab. Welche Rolle Vermittler dabei spielen, wird nicht vollständig aufgeschlüsselt.

Der Verein Versicherungsombudsmann e.V. hat einen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2024 vorgelegt, in dem seit 1. April die neue Versicherungsombudsfrau und ehemalige Bundesverfassungs- und Bundesgerichtshof-Richterin Dr. Sibylle Kessal-Wulf Verantwortung für die Behandlung von Beschwerden der Versicherungskunden trägt.

Ein Fünftel mehr Beschwerden – aber nur selten über Vermittler

Die Gesamtzahl der Beschwerden hat erheblich um 19,5 Prozent auf 21.548 zugenommen. Davon waren 15.659 Beschwerden zulässig, ein Plus von 18,6 Prozent. Der Rest war entweder unzulässig oder wurde vom Beschwerdeführer nicht mehr weiterverfolgt. Die meisten der zulässigen Beschwerden betrafen die Rechtsschutzversicherung (2.936), gefolgt von der Lebens- (2.653), Kfz-Kasko- (2.342) und Gebäudeversicherung (2.047).

Ein kleines Plus gab es auch bei der Kategorie der Vermittlerbeschwerden. Es ging um fünf Prozent aufwärts auf 334 Beschwerden, was aber immer noch nur rund 1,6 Prozent aller Beschwerden ausmacht. Daraus allein lassen sich jedoch keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob und inwieweit Versicherungsvermittler die Ursache für eine Kundenbeschwerde sind.

Entscheidungsbefugnis nur bei Versichererbeschwerde

Denn es gibt zwei Verfahrensordnungen, nach denen Beschwerden bearbeitet werden können. Die ältere ist diejenige, die sich seit Gründung der Einrichtung eines Versicherungsombudsmanns mit Versichererbeschwerden befasst. 2007 kam eine weitere für Beschwerden gegenüber Vermittlern hinzu. Zwischen den beiden Verfahren gibt es erhebliche Unterschiede.

So erläutert der Verein Versicherungsombudsmann, dass die Beschwerdebearbeitung gegenüber Versicherern auf Basis der Vereinssatzung erfolgt, der die Versicherungsunternehmen freiwillig beigetreten sind. Diese sieht unter anderem eine Entscheidungsbefugnis bis zu 10.000 Euro zulasten des Versicherers vor.

Ganz anders bei Vermittlerbeschwerden: Hier beruht die Schlichtungsaufgabe auf gesetzlicher Grundlage. Immerhin bringt das in einer Hinsicht einen „größeren Spielraum“ mit sich. Denn während die Versicherungsombudsfrau bei Versichererbeschwerden nur solche bearbeiten darf, die von Verbrauchern vorgetragen werden, also bei denen es um private Versicherungsverträge geht, können nach der Verfahrensordnung für Vermittlerbeschwerden auch Firmenkunden Gebrauch von dieser kostenfreien Schlichtungsmöglichkeit machen. Außerdem sind Verbraucherschutzinstitutionen befugt, Vermittlerbeschwerden einzulegen.

Vermittler- zur Versichererbeschwerde umdeklariert

Ein wesentlicher Nachteil ist jedoch, dass die Schlichterin bei Vermittlerbeschwerden keine Befugnis hat, verbindliche Entscheidungen gegen einen Vermittler zu treffen. Bearbeitet werden können ausschließlich Beschwerden, die in Zusammenhang mit der Vermittlung eines Versicherungsvertrags stehen, nicht dagegen zum Beispiel Beschwerden von Vermittlern untereinander.

Viele Beschwerden von Kunden gegen Vermittler werden dennoch nicht als Vermittler-, sondern als Versichererbeschwerde bewertet und in der Statistik erfasst. Dazu rät die Versicherungsombudsfrau sogar in vielen Fällen. „Geht es in der Beschwerde um die Vermittlung eines Vertrages durch einen gebundenen Vermittler oder einen Versicherungsvermittler mit Erlaubnis nach § 34d Absatz 1 GewO, dessen Handeln dem Versicherer zuzurechnen ist, wird in aller Regel nur ein Verfahren nach der VomVO gegen das Versicherungsunternehmen durchgeführt.“

Das hat große Vorteile, so die Schlichterin. Meistens will der Kunde erreichen, dass ein falsch verkaufter Vertrag rückabgewickelt oder dass ein unversicherter Schaden doch noch übernommen wird. Das alles kann aber nur der Versicherer bewirken. Hier kann die Versicherungsombudsfrau verbindliche Entscheidungen gegen den Versicherer treffen. Zudem kann sie ein Mahnverfahren gegen den Beschwerdeführer aussetzen lassen.

Das bedeutet mit anderen Worten, dass die als Vermittlerbeschwerden gezählten Eingaben sich in aller Regel nur gegen Versicherungsmakler, nicht gegen Ausschließlichkeits- oder Mehrfachvertreter richten dürften. Da Vertreter in allen drei Kernsparten der Versicherungswirtschaft erheblich mehr Verträge vermitteln als Versicherungsmakler, ist anzunehmen, dass ein Vielfaches der in der Statistik genannten Vermittlerbeschwerden tatsächlich als Versichererbeschwerde bewertet und registriert wird.

Beratungsfehler und Anzeigepflichtverletzungen

Im Tätigkeitsbericht gibt es wichtige Hinweise, welche Fehler Vermittlern unterlaufen und zu Beschwerden führen. Als Schwerpunkt macht die Schlichtungsinstanz Fehler in der Beratung aus mit der Folge, das entweder nicht benötigte Verträge vermittelt werden oder solche, bei denen der Versicherungsschutz nicht zum Bedarf des Kunden passt. Hauptsächlich betroffen sind dabei Lebens-, Rechtsschutz- und Kfz-Versicherungen, aber auch „sonstige Versicherungen“.

In der Lebensversicherung moniert die Schlichtungsstelle, dass Kunden sich häufig nicht ausreichend über Kapitalmarktrisiken aufgeklärt sehen, oder dass vorvertragliche Anzeigepflichten verletzt wurden. Letzteres wird oft erst im Leistungsfall zum Problem, wenn sich ein Versicherer auf diese Verletzung beruft und Leistungsfreiheit erklärt.

Erstinformation informiert nicht ausreichend

Das Fehlverhalten eines Maklers muss sich der Kunde allerdings gegenüber dem Versicherer zurechnen lassen – dem Betroffenen bleibt damit nur, einen Schadensersatzanspruch gegen den Makler geltend zu machen. In diesem Zusammenhang kritisiert die Ombudsfrau, dass die Erstinformation nach § 15 VersVermV oft nicht dazu führt, dass den Kunden die Unterschiede zwischen Vertretern und Maklern wirklich klar werden. Das müsse die Streitschlichterin dann nachholen.

Weitere Auffälligkeiten bei Beschwerden bilden unter anderem Fehler bei der Erhebung und Interpretation des Kundenbedarfs sowie bei der Umdeckung von Versicherungsverträgen. Zunehmende Beschwerden gebe es gegen Vergleichsportale, allerdings sei der Anteil an den Vermittlerbeschwerden insgesamt noch nicht „signifikant“.

Zum wiederholten Mal kritisiert die Streitschlichterin die Nachlässigkeit, mit der die Dokumentationspflicht erfüllt wird: „Insbesondere zeigte sich wiederholt, dass die entsprechenden Formblätter (oft) schematisch ausgefüllt wurden, also ohne auf die konkrete Lage des Antragstellers einzugehen und den maßgeblichen Vermittlungsvorgang festzuhalten. Damit ist die Beratungsleistung nicht nachvollziehbar, und die Dokumentation erfüllt nicht ihren Zweck.“

Autor(en): Matthias Beenken