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Invalidisierungswahrscheinlichkeit

1. Begriff: Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Person in einem vorgegebenen Zeitraum aufgrund von Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit oder Einschränkung von Grundfähigkeiten aus einem Personenkollektiv ausscheidet.

2. Merkmale: Invalidisierungswahrscheinlichkeiten sind in der Personenversicherung und Alterversorgung neben Sterbewahrscheinlichkeiten wichtige Ausscheidewahrscheinlichkeiten. Sie werden – normalerweise normiert auf den Zeitraum von einem Jahr – für unterschiedliche Grundkollektive ermittelt, wie z.B. die Gesamtbevölkerung in einem Land, die sozialversicherungspflichtige Bevölkerung, die Belegschaft eines Unternehmens, einen Versichertenbestand, die Mitglieder eines Berufsstands. Sie werden ferner mindestens differenziert nach Altersklassen und Geschlecht erhoben. (Zur Frage der Geschlechterdifferenzierung siehe auch unter Ausscheidewahrscheinlichkeit.) Manchmal treten weitere Unterscheidungsmerkmale hinzu, insbesondere die Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe oder Merkmale einer beruflichen Tätigkeit. Invalidisierungswahrscheinlichkeiten sind sehr stark von der Definition des jeweiligen Leistungsfalls (z.B. Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Einschränkung von Grundfähigkeiten) abhängig, ebenso von den als Leistungsvoraussetzung vorgesehenen Invaliditätsgraden (z.B. 50%ige oder 100%ige Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit).

3. Modell: Bei der Herleitung von Invalidisierungswahrscheinlichkeiten werden zunächst „rohe Invalidisierungswahrscheinlichkeiten“ aus den relativen Häufigkeiten von Invaliditätsfällen in den nach den gewählten Differenzierungskriterien in Zellen aufgeteilten Grundkollektiven geschätzt. Da bei vielen Grundkollektiven einzelne Zellen nur schwach oder gar nicht besetzt sind, werden diese Rohdaten anschließend durch Glättungs- und Extrapolationsverfahren modifiziert. Die so gewonnenen Werte können als „best estimate“-Schätzer für die Invalidisierungswahrscheinlichkeiten gelten. Sie werden häufig als „Invalidisierungswahrscheinlichkeiten 2. Ordnung“ bezeichnet, da sie in einem Versichertenkollektiv naturgemäß erst nach Abschluss von Verträgen, deren Kalkulation „Invalidisierungswahrscheinlichkeiten 1. Ordnung“ zugrunde lagen, ermittelt werden können. Die für künftige Vertragsabschlüsse verwendeten „Invalidisierungswahrscheinlichkeiten 1. Ordnung“ werden aus den „Invalidisierungswahrscheinlichkeiten 2. Ordnung“ durch Addition von Sicherheits- und Schwankungszuschlägen abgeleitet, deren Höhe von der Größe des Kollektivs und der Art des betriebenen Geschäfts abhängt.

4. Anwendungsbereiche: Invalidisierungswahrscheinlichkeiten sind wesentliche statistische Grundlagen sowohl der Prämienkalkulation als auch der Reservekalkulation in der Lebens- und Rentenversicherung, soweit es um zusätzliche Versicherungsdeckungen für bestimmte Fälle der Invalidität geht.

5. Probleme: Invalidisierungswahrscheinlichkeiten sind keine Naturkonstanten. Sie werden von äußeren Rahmenbedingungen beeinflusst und ändern sich daher im Zeitablauf, z.B. in Abhängigkeit von Konjunkturzyklen oder der jeweiligen Praxis von Frühverrentungen in der Sozialversicherung.

6. Ähnliche Begriffe: Sterbewahrscheinlichkeit, Erlebenswahrscheinlichkeit, Reaktivierungswahrscheinlichkeit.

Autor(en): Norbert Heinen

 

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