Inflation
1. Begriff: Aufblähung der nominalen Größen (= Preise) im Verhältnis zu den realen Gütermengen. Damit verbunden ist eine anhaltende Abnahme des Geldwerts (Geld) bzw. eine Zunahme des Preisniveaus. Der Begriff geht auf das lateinische Verb „inflare“ (= aufblähen) zurück. Die Inflation kann als schleichende (= säkulare, bis etwa 5 % Preissteigerung pro Jahr), als beschleunigte (bis etwa 10 %), als galoppierende (bis etwa 50 %) oder als Hyper-Inflation auftreten.
2. Messung: Das Preisniveau selbst ist nicht messbar. Jedoch gibt es unterschiedliche Indikatoren (ausgewählte Preisindizes), mit Hilfe derer hinreichend genau abgelesen werden kann, ob die Inflation gleich geblieben, gestiegen oder gefallen ist – im letzten Fall wird von Deflation gesprochen. In Deutschland werden neben dem Preisindex für das Bruttosozialprodukt und dem Preisindex der Erzeugerpreise industrieller Produkte üblicherweise fünf Preisindizes der Lebenshaltung berechnet, und zwar für a) alle Haushalte,
b) 4-Personen-Haushalte von Angestellten und Beamten mit höherem Einkommen,
c) 4-Personen-Arbeitnehmer-Haushalte mit mittlerem Einkommen,
d) 2-Personen-Haushalte von Rentnern und
e) die einfache Lebenshaltung eines Kindes.
Interessant ist auch die Preisentwicklung unterschiedlicher Verbrauchsgruppen (wie z.B. Wohnungsmieten, Verkehr/Nachrichten, Nahrung/Genussmittel, Haushaltsenergie, Bildung/Unterhaltung).
3. Ursachen: In der Wirtschaftstheorie wurden verschiedene Ursachen herausgearbeitet, die für das Entstehen von Inflation verantwortlich gemacht werden können. Sie treten aber in der Wirklichkeit häufig gleichzeitig auf. Für die Monetaristen ist Inflation immer ein monetäres Phänomen, das durch die Aufblähung der Geldmenge im Verhältnis zur Warenmenge entsteht. Dahinter steht die Quantitätstheorie des Geldes (in unterschiedlich strengen Formen). Für die Keynesianer oder Fiskalisten stehen dagegen Nachfrage- oder Angebotsfaktoren im Vordergrund. Die Nachfrage-Inflation (demand-pull inflation) geht auf eine inflatorische Lücke zurück, wenn die Nachfrage das Angebot an Gütern übersteigt. Dabei lassen sich alle Nachfragekomponenten ursächlich nennen: Konsum, Investition, Staat und Ausland (Exporte und Importe, hierfür ist auch ein eigener Begriff verfügbar: importierte Inflation). Angebotsseitige Faktoren sind einerseits die Kosten (cost-push inflation), die bei der Kalkulationsmethode des mark-up pricing (Aufschlagskalkulation) in eine mark-up inflation übergehen kann. Auch ohne Kostensteigerungen kann durch Erhöhung der Gewinnaufschläge eine „profit-push inflation“ entstehen. Eine weitere Theorievariante ergibt sich aus dem Verteilungskampf unterschiedlicher Gruppen um das Sozialprodukt (Anspruchs-Inflation).
4. Wirkungen: a) Es besteht die Gefahr, dass über eine sinkende Geldillusion und eine erwartete Inflation sich selbst verstärkende Prozesse auftreten (weil erwartet wird, dass die Preise steigen, wird sofort gekauft, was den Effekt verstärkt).
b) Unter Verteilungsgesichtspunkten begünstigt die Inflation Sachvermögensbesitzer gegenüber Geldvermögensbesitzern, weil das Realvermögen den Preissteigerungen folgt. Ferner begünstigt die Inflation die Bezieher von Residualeinkommen gegenüber den Beziehern von Kontrakt bestimmten Einkommen, weil die Kontrakte nur langsam an die sich ändernden Konditionen angepasst werden können. Dem kann allerdings durch Geldwertsicherungsklauseln (Indexklauseln) entgegengewirkt werden.
c) Die Inflation kann auch zu einer Fehlallokation führen, weil sie eine erhöhte Unsicherheit in die Zukunftsplanung der Wirtschaftssubjekte trägt (Sparen).
d) Das Versicherungswesen wird besonders ungünstig durch die Inflation getroffen. Zu denken ist hier an die Erstrisikoversicherung (Haftpflichtversicherung) und die Bruchteilversicherung, wo die erhöhten Schadensummen ohne steigende Prämieneinnahmen auftreten können. V.a. entwerten sich aber die Deckungskapitalien oder Prämienreserven. Allerdings kann sich der Versicherer durch kürzere Vertragslaufzeiten, Beitragsanpassungsklauseln (und darauf basierender Beitragsanpassungen) und laufende Prämienerhöhungen darauf einstellen.
Autor(en): Professor (em.) Dr. Dr. h.c. Roland Eisen