Herbeiführung des Versicherungsfalls
1. Begriff: Auslösen des Versicherungsfalls durch ein Verhalten des Versicherungsnehmers selbst. Die Herbeiführung des Versicherungsfalls kommt sowohl durch ein aktives Tun als auch durch ein Unterlassen des Versicherungsnehmers in Betracht. Ein Unterlassen setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer trotz dringender Gefahr die ihm möglichen, geeigneten und zumutbaren Maßnahmen zum Schutz des versicherten Gegenstands nicht ergriffen hat (BGH VersR 1976, 649).
2. Beispiele: Überqueren einer roten Ampel (Kfz-Versicherung), Brennenlassen einer Kerze (Feuerversicherung), Kippstellung eines Fensters (Einbruchdiebstahl- und Raubversicherung). Der Tatbestand der Herbeiführung des Versicherungsfalls kann grundsätzlich mit der Verletzung einer vertraglichen vorbeugenden Obliegenheit einhergehen.
3. Mögliche Rechtsfolgen: Führt der Versicherungsnehmer (oder ein Repräsentant) den Versicherungsfall herbei, kommt Leistungsfreiheit oder zumindest eine nur eingeschränkte Leistungspflicht des Versicherers in Betracht. Lässt sich dem Versicherungsnehmer bei der Herbeiführung des Versicherungsfalls Vorsatz nachweisen und besteht auch Kausalität zwischen dem Verhalten des Versicherungsnehmers und dem Eintritt des Versicherungsfalls, ist der Versicherer vollständig leistungsfrei. Im Fall eines grob fahrlässigen Verhaltens des Versicherungsnehmers kommt seit der VVG-Reform in der Schadenversicherung gem. § 81 II VVG eine Quotelung (Quotenregelung) zur Anwendung. Anders ist hingegen in der Haftpflichtversicherung ein fahrlässiges (also auch ein grob fahrlässiges) Verhalten des Versicherungsnehmers gerade von Versicherungsschutz erfasst. Deshalb führt in diesem Versicherungszweig allein eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer zur Leistungsfreiheit des Versicherers (§ 103 VVG). Eine weitere Sonderregelung findet sich in der Transportversicherung gem. § 137 VGG, wonach noch das Alles-oder-Nichts-Prinzip Geltung hat und sowohl vorsätzliches als auch grob fahrlässiges Verhalten des Versicherungsnehmers zum vollständigen Leistungsausschluss führen (in Abweichung zur Regelung des § 81 II VVG für die allgemeine Schadenversicherung). § 81 VVG ist auf die Schadenversicherung anwendbar, nicht auf die Summenversicherung. In diesem Bereich finden sich aber Sondervorschriften, wie etwa § 161 VVG (vorsätzliche Selbsttötung) für die Lebensversicherung. Sondervorschriften finden sich des Weiteren z.B. für die private Krankenversicherung (§ 201 VVG) und die private Unfallversicherung (§ 183 VVG).
4. Rechtliche Einordnung: Rechtstheoretisch handelt es sich bei der Herbeiführung des Versicherungsfalls und dessen Rechtsfolgen um einen subjektiven Risikoausschluss (bzw. um eine Risikobegrenzung).
Autor(en): Prof. Dr. Roland Michael Beckmann, Professor Dr. Helmut Schirmer