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Kontrahierungszwang

Annahmepflicht.

1. Begriff:
Pflicht des Versicherungsnehmerns zur Inanspruchnahme von Versicherungsschutz (vgl. auch Pflichtversicherung) bzw. des Versicherers zur Annahme von Versicherungsanträgen, durch die die grundsätzlich geltende Abschlussfreiheit der Vertragsparteien einschränkt wird.

2. Merkmale und Anwendungsbereiche: Der Kontrahierungszwang begründet eine gesetzlich geregelte Verpflichtung des Risikoträgers auf Inanspruchnahme einer Versicherungsdeckung meist zum Schutz des Drittgeschädigten (der Risikoträger wird damit zum Versicherungsnehmer) und/oder eine gesetzlich geregelte Verpflichtung des Versicherers auf Annahme von Versicherungsanträgen zum Schutz des Versicherungsinteressenten sowie ggf. ebenso des Drittgeschädigten. Anwendungsbereiche sind bspw. die Kfz-Haftpflichtversicherung und die Krankenversicherung.

3. Kontrahierungszwang in der Kfz-Haftpflichtversicherung: Seitens des Kfz-Halters und damit des Risikoträgers besteht einerseits die Pflicht und andererseits ein einklagbarer Anspruch gegenüber dem von ihm gewählten Versicherer auf Abschluss eines Versicherungsvertrags in der Kfz-Haftpflichtversicherung; der betreffende Versicherer hat insofern einen Kontrahierungszwang. Nach § 5 PflVG darf ein Versicherungsantrag nur in Ausnahmefällen innerhalb von zwei Wochen nach Eingang abgelehnt werden; sonst gilt er als angenommen (Annahmefiktion). Solche Ausnahmefälle liegen bspw. vor, wenn der Geschäftsplan des Unternehmens die Annahme des Vertrags nicht zulässt, bei Kündigung des Vorvertrags wegen arglistiger Täuschung oder wegen Nichtzahlung der Prämie.

4. Kontrahierungszwang in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): Insbesondere Arbeitnehmer, aber auch weitere gesetzlich definierte Personengruppen unterliegen der Versicherungspflicht in der GKV. Die gesetzlichen Krankenkassen sind zur Aufnahme neuer Versicherter generell unabhängig von deren Alter, Gesundheitszustand oder Einkommen verpflichtet.

5. Kontrahierungszwang in der privaten Krankenversicherung (PKV): Angesichts des privatrechtlichen Grundsatzes der Vertragsfreiheit gilt in der PKV der Kontrahierungszwang nur eingeschränkt. Eine rechtliche Verpflichtung der Versicherungsunternehmen zur Annahme eines Vertrags gibt es in folgenden Fällen: a) bei Neugeborenen von Eltern mit PKV-Schutz (Kindernachversicherung): Der Versicherungsschutz des Neugeborenen beginnt ohne Wartezeit und ohne Gesundheitsprüfung unmittelbar nach der Geburt, wenn das Kind spätestens zwei Monate nach der Geburt beim Versicherer angemeldet wird (§ 198 VVG).
b)dauernd im Zuge der Öffnung der PKV für Beamtenanfänger: Beamtenanfänger sowie deren Familienangehörige werden nicht aus Risikogründen abgelehnt, und Risikozuschläge werden auf maximal 30 % begrenzt.
c) zum erleichterten Wechsel in die PKV für GKV-versicherte Beamte: Kein GKV-versicherter Beamter wird aus Risikogründen abgelehnt und Risikozuschläge werden auf maximal 30 % des tariflichen Betrags begrenzt.
d) zur Aufnahme in die private Pflegepflichtversicherung (§ 110 III SGB XI).
e) bei zurückkehrenden Nichtversicherten, die der PKV zuzuordnen sind, seit dem 1.7.2007 im modifizierten Standardtarif (§ 315 SGB V).
f) im Basistarif seit dem 1.1.2009 für versicherungsberechtigte Personen gemäß dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG).
g) bei Angestellten: nicht alle, aber zahlreiche Unternehmen der PKV haben sich ab 2013 in freiwilligen Selbsterklärungen dazu bekannt, Angestellte nach Ende der Versicherungspflicht in der GKV nicht aus Risikogründen abzulehnen.

Autor(en): Rolf-Peter Hoenen, Klaus-Jürgen Heitmann, Dr. Frank Schulze Ehring

 

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