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Elektronische Gesundheitskarte

1. Begriff: Personenbezogene Identifikationskarte, die Versicherte zur Inanspruchnahme ärztlicher und zahnärztlicher Behandlung berechtigt.

2. Merkmale: Mit zusätzlichen Merkmalen und Funktionen tritt die elektronische Gesundheitskarte die Nachfolge der Krankenversichertenkarte an. Optisch unterscheidet sich die elektronische Gesundheitskarte in erster Linie durch das Foto des Versicherten, das dem Missbrauch durch Fremde vorbeugen soll. Die Bereitstellung eines Lichtbilds für die Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte gehört zu den Mitwirkungspflichten der Versicherten, wenn keiner der Ausnahmegründe vorliegt. Ausnahmen gibt es lediglich für Jugendliche bis zum 15. Lebensjahr und für Versicherte, die bei der Erstellung des Lichtbilds nicht mitwirken können, wie z.B. immobile pflegebedürftige Patientinnen und Patienten. Technisch findet in der elektronischen Gesundheitskarte nun nicht mehr nur ein Speicherchip, sondern ein Mikroprozessorchip Verwendung. Die besondere Leistungsfähigkeit dieser Mikroprozessoren liegt in der Identitätsprüfung eines Benutzers als Zugangs- und Rechtekontrolle für Daten auf der Karte und der Verschlüsselung von persönlichen Daten. Geschützte Daten können also nur durch den Besitz der elektronischen Gesundheitskarte und das Wissen über die dazugehörende Persönliche Identifikationsnummer (PIN) gelesen werden. Eine weitere Möglichkeit des Zugriffs stellt der Heilberufeausweis (HBA) dar. Der HBA ist die Identifikationskarte des Arztes. Stecken beide Karten, können Standardprozesse, wie das Lesen und Schreiben von Rezepten, ohne Eingabe der PIN durch den Versicherten erfolgen.

3. Unterstützte Anwendungen: a) Pflichtanwendungen: Sind gesetzlich vorgeschrieben und können vom Versicherten nicht abgelehnt werden. Dazu gehören: (1) Versichertenstammdaten. Unterteilung in ungeschützte und geschützte Daten. Ungeschützte Daten (Name, Anschrift usw.) können ohne besonderen Schutzmechanismus ausgelesen werden. Für das Lesen geschützter Daten (Zuzahlungsstatus, Teilnahme an medizinischen Programmen usw.) ist die Eingabe der PIN oder die Unterlegung eines HBA erforderlich. (2) Elektronisches Rezept (eRezept). Signierter elektronischer Datensatz des Rezepts, das vom Arztoder Zahnarzt erstellt und in der Apotheke oder Versandapothekeeingelöst wird. Die Signatur ist die elektronische Unterschrift des Arztes.
b) freiwillige, gesetzliche Anwendungen: Für den Versichertenfreiwilliger Einsatzbereich der elektronischen Gesundheitskarte. Nur mit seiner ausdrücklichen Einwilligung (Eingabe der PIN) können diese Anwendungen genutzt werden. Nur der Versicherte entscheidet also, wer auf die folgenden Daten zugreifen darf: (1) Notfalldaten (z.B. Grunderkrankungen, Blutgruppe, individuelle Arzneimittelunverträglichkeiten und Allergien). Soweit Patienten das möchten, können diese Daten im Notfall vom zugriffsberechtigten medizinischen Personal im Krankenhaus oder Rettungsdienst gelesen werden (hier ist für einen Zugriff zwar ein HBA, situationsbedingt jedoch keine PIN-Eingabe des Patienten erforderlich). (2) Arzneimitteldokumentation. Dient dazu, Doppelverordnungen und mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu vermeiden. (3) Arztbrief. Signierte papiergebundene oder elektronische Dokumentation eines Arztesoder Zahnarztes mit teilweise vertraglich vorgegebenen Informationen zu einem Versicherten und dessen Krankheitsgeschehen. (4) Elektronische Patientenakte. Beinhaltet Daten über Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte sowie Impfungen für eine fall- und einrichtungsübergreifende Dokumentation. (5) Patientenquittung. Sammlung bereits geleisteter Zuzahlungen. (6) Patientenfach. Bereich auf der elektronischen Gesundheitskarte oder in der Telematikinfrastrukturfür die Ablage und Übermittlung von vom Versichertenselbst oder für diesen zur Verfügung gestellten Daten.
c) Mehrwertanwendungen: Können Versicherten von ihrer Krankenkasse, einem Leistungserbringer oder anderen Anbietern auf freiwilliger Basis angeboten werden.
d) Europäische Krankenversicherungskarte: Kann sich optional als Sichtausweis auf der Rückseite der elektronischen Gesundheitskarte befinden.

4. Rechtsgrundlagen: Mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, kurz GKV-Modernisierungsgesetz, wurden die Krankenkassen verpflichtet, die bisherige Krankenversichertenkarte zu einer elektronischen Gesundheitskarte zu erweitern. § 291a SGB V hält nicht nur die verpflichtende Einführung der elektronischen Gesundheitskarte fest, sondern regelt auch deren Funktionsumfang.Allerdings verharrt die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zur elektronischen Gesundheitskarte auch nach zehn Jahren noch in den Anfängen. Bislang hat die elektronische Gesundheitskarte – von dem Foto des Versicherten abgesehen – noch keine weitergehende Funktion als die frühere Krankenversichertenkarte. Mit dem am 18.12.2015 beschlossenen sog. E-Health-Gesetz will der Gesetzgeber nun dafür sorgen, dass elektronische Kommunikation und digitale Anwendungen im Gesundheitswesen möglichst schnell flächendeckend eingeführt werden.

5. Ziele: Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte soll die Kommunikation und somit die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern, Kosten senken und die Patientenrechte stärken. Bei allen zur Zielerreichung notwendigen Maßnahmen gilt: Der Versicherte hat die Verfügungsgewalt über seine Daten. Nur der Versicherte kann mit seiner elektronischen Gesundheitskarte und seiner PIN auf Daten zugreifen oder für Menschen seines Vertrauens (Ärzte, Pflegedienste oder Versorgungsmanager) freischalten. Die Krankenkassen, Arbeitgeber oder andere Organisationen haben grundsätzlich keinen Zugriff auf die in verschlüsselter Form vorliegenden Daten.

Autor(en): Dr. Eckhard Bloch

 

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