Bevölkerungsvorausberechnung
1. Begriff: Berechnung der Größe (gemessen an der Zahl der Menschen) und Struktur einer Bevölkerung unter Vorgabe bestimmter Annahmen über die zukünftige Entwicklung der demografischen Komponenten Fertilität, Mortalität und Migration ausgehend von einem Startzeitpunkt hin zu einem Endzeitpunkt.
2. Merkmale: Bevölkerungsvorausberechnungen haben den Charakter von Modellrechnungen. Der Begriff der Projektion kann deshalb synonym mit dem der Modellrechnung verwendet werden. Wenn sich die demografischen Komponenten einer Ausgangsbevölkerung gemäß den unterstellten Hypothesen entwickeln, ergibt sich die zukünftige Bevölkerung in Zahl und Struktur.
3. Ziele: Bevölkerungsvorausberechnungen dienen der Information von Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit über die Veränderung von Bevölkerungszahl und -struktur, wenn sich die Ausgangspopulation gemäß der unterstellten demografischen Eigenschaften bez. der Fertilität, Mortalität und Migration entwickelt.
4. Methoden: Die am häufigsten verwendete Methode zur Bevölkerungsvorausberechnung ist die Kohorten-Komponenten-Methode, die von den nach Alter und Geschlecht gegliederten Bevölkerungszahlen eines Basisjahres ausgeht und diese anschließend Jahr für Jahr bis zum Zieljahr der angenommenen Entwicklung von Fertilität, Mortalität und Migration unterwirft. Mit Hilfe der altersspezifischen Geburtenraten und der Anzahl der Frauen differenziert nach deren Alter ergibt sich dabei im Modell für jedes Jahr die Anzahl neuer Geburten, wobei diese über eine Konstante der Sexualproportionen nach dem Geschlecht differenziert wird. Da die zukünftigen Entwicklungen der demografischen Komponenten a priori unbekannt sind, werden diese über Annahmen festgelegt. Liegen die demografischen Daten in aggregierter Form vor, werden für die Fortschreibung der Gesamtpopulation oder von Teilpopulationen (stochastische) lineare oder logistische Trendfortschreibungsmodelle oder auch stochastische Modelle aus der Zeitreihenanalyse verwendet. Als Alternative werden in jüngerer Zeit zunehmend probabilistische Bevölkerungsvorausberechnungen durchgeführt.
5. Probleme: Eine Festlegung der Annahmen für die zukünftige Entwicklung der demografischen Komponenten ist schon aufgrund ihres Hypothesencharakters mit deutlichen Unwägbarkeiten behaftet. Um diesen Unwägbarkeiten gerecht zu werden und gleichzeitig den Charakter der Bevölkerungsvorausberechnung als Modellrechnung zu betonen, werden oftmals verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Annahmen berechnet.
6. Ergebnisse: Die letzte amtliche Bevölkerungsvorausberechnung für Deutschland wurde koordiniert vom Statistischen Bundesamt im Jahr 2015 durchgeführt, und deren Ergebnisse wurden am 28.04.2015 als 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Bundes und der Länder veröffentlicht. Diese projizierte insgesamt eine Bevölkerungsschrumpfung von rund 80,8 Mio im Jahr 2013 auf 73,1 bis 67,6 Mio. Menschen bis zum Jahr 2060.
7. Ausblick: I.d.R. werden die koordinierten Bevölkerungsvorausberechnungen des Bundes und der Länder alle drei Jahre durchgeführt und veröffentlicht, weshalb die nächste Bevölkerungsvorausberechnung im Jahr 2012 hätte stattfinden müssen. Aufgrund der durch die Volkszählung des Jahres 2011 bereits erhobenen Veränderungen von Bevölkerungszahl und Bevölkerungsstruktur wurde die 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung jedoch in das Jahr 2015 verschoben.
8. Unterscheidung von ähnlichen Begriffen: a) Prognosen beruhen auf statistischen Modellen und erlauben eine Wahrscheinlichkeitsaussage über ihre Genauigkeit (Bevölkerungsprognose).
b) Prophezeiungen basieren auf keinen mathematischen Methoden, bestenfalls auf dem grundlegenden Wissen von Experten.
Autor(en): Dr. Marc Luy