Aufsichtsrat
1. Begriff: Überwachungsorgan einer Aktiengesellschaft (AG), einer Genossenschaft oder eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (VVaG). Bei einer Societas Europaea (SE) und einem öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen wird analog ein Verwaltungsrat eingerichtet. Rechtsgrundlagen sind die §§ 95–116 AktG, §§ 9, 36–41 GenG und § 189 VAG.
2. Hauptaufgaben: a) Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder (§ 84 I AktG).
b) Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands (§ 111 I AktG).
c) Beauftragung des Abschlussprüfers (§ 111 II AktG).
d) Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses sowie Unterbreitung eines Vorschlags an die Hauptversammlung zur Verwendung des Jahresüberschusses; beides zusammen mit dem Vorstand (§§ 171 und 172 AktG).
e) Genehmigung zustimmungspflichtiger Geschäfte. Welche Geschäfte von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig sind, wird durch die Satzung festgelegt. Jedoch ist zu beachten, dass Maßnahmen der Geschäftsführung nicht dem Aufsichtsrat übertragen werden können (§ 111 IV AktG).
f) gerichtliche und außergerichtliche Vertretung des Unternehmens gegenüber Vorstandsmitgliedern (§ 112 AktG).
g) u.U. Einberufung einer Hauptversammlung zum Wohl der Gesellschaft (§ 111 III AktG).
3. Größe und Zusammensetzung: Der Aufsichtsrat einer AG muss nach § 95 AktG mindestens aus drei Mitgliedern bestehen. In Abhängigkeit von der Höhe des Grundkapitals setzt sich der Aufsichtsrat aus bis zu 21 Mitgliedern zusammen. Die Zahl muss durch drei teilbar sein. Die Größe und Zusammensetzung, das Wahlverfahren und die innere Ordnung des Aufsichtsrats hängen auch davon ab, ob die AG den Vorschriften des Drittelbeteiligungsgesetzes (gilt nach § 1 DrittelbG für AG mit mehr als 500 und bis zu 2.000 Arbeitnehmern) oder dem Mitbestimmungsgesetz (gilt nach § 1 MitbestG für AG mit mehr als 2.000 Arbeitnehmern) unterliegt. Wenn die AG weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigt, ist eine Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nicht zwingend notwendig (§ 1 I Nr. 1 S. 1 DrittelbG). Nach § 95 AktG i.V.m. § 4 DrittelbG muss ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder Vertreter der Arbeitnehmer (keine leitenden Angestellten) sein, und zwei Drittel der Mitglieder werden von den Aktionären gewählt. Bei AG mit mehr als 2.000 Arbeitnehmern wird der Aufsichtsrat nach § 95 AktG i.V.m. § 7 MitbestG paritätisch aus Vertretern der Aktionäre und der Arbeitnehmer zusammengesetzt. Bei einer Genossenschaft besteht der Aufsichtsrat grundsätzlich aus drei Mitgliedern, es sei denn, die Satzung legt eine höhere Zahl der Mitglieder fest (§ 36 I S. 1 GenG). Der Aufsichtsrat wird (mit Ausnahme der Arbeitnehmervertreter, § 5 DrittelbG) von der Hauptversammlung (Genossenschaft: Generalversammlung, § 36 I GenG) gewählt (§ 101 I AktG). Für den Aufsichtsrat eines VVaG gelten die gleichen Vorschriften wie für AG (ausgenommen das MitbestG). Bei einer Arbeitnehmerzahl von unter 500 Personen werden hier alle Aufsichtsratsmitglieder vom Obersten Organ (entspricht im Wesentlichen der Hauptversammlung einer AG) gewählt. Der Aufsichtsrat wählt wiederum aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und mindestens einen stellvertretenden Vorsitzenden (§ 27 MitbestG). I.d.R. ist der Vorsitzende ein Aktionärsvertreter, und mindestens ein stellvertretender Vorsitzender ist ein Arbeitnehmervertreter. Falls diese Konstellation durch die Wahlen nicht zustande kommt, wählen die Aktionärsvertreter den Vorsitzenden, die Arbeitnehmervertreter den stellvertretenden Vorsitzenden jeweils mit einfacher Mehrheit.
4. Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder: Aufsichtsratsmitglieder können nur natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen sein. Aufsichtsratsmitglied darf u.a. nicht werden, wer bereits in zehn Handelsgesellschaften, die gesetzlich einen Aufsichtsrat zu bilden haben, Aufsichtsratsmitglied ist (§ 100 AktG; darin sind auch weitere Ausschlussgründe geregelt).
5. Haftung: Falls ein Mitglied des Aufsichtsrats seine Obliegenheiten nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrnimmt, kann es für Schäden von den Aktionären haftbar gemacht werden (§ 116 AktG).
6. Weitere gesetzliche Vorgaben: a) Der Aufsichtsrat muss mindestens einmal, bei börsennotierten Gesellschaften zweimal pro Kalenderhalbjahr einberufenwerden (§ 110 III AktG). Die Einberufung des Aufsichtsrats kann durch einen einzelnen Vorstand oder durch ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied erfolgen (§ 110 I und II AktG).
b) Die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats kann durch die Satzung geregelt werden, wenn keine weiteren gesetzlichen Vorgaben vorliegen. Soweit Gesetz und Satzung keine abweichende Regel vorschreiben, ist der Aufsichtsrat erst dann beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte (jedoch mindestens drei) der Mitglieder anwesend ist (sind) (§ 108 II AktG). Gehört dem Aufsichtsrat die zur Beschlussfähigkeit nötige Zahl von Mitgliedern nicht an (z.B. bei Abberufung oder Niederlegung des Amts), kann das Amtsgericht den Aufsichtsrat auf Antrag um die notwendige Zahl von Mitgliedern ergänzen (§ 104 AktG). Der Aufsichtsrat beschließt mit Mehrheit der Stimmen.
c) Ein Mitgliederwechsel im Aufsichtsrat ist in den Gesellschaftsblättern zu veröffentlichen sowie dem Handelsregister zu melden (§ 106 AktG).
7. Besonderheiten bei Versicherungsunternehmen: Für den Aufsichtsrat einer Versicherungs-AG und eines VVaG gelten weitgehend die gleichen Rechtsverhältnisse wie bei einer AG i.Allg., und er übt weitgehend die gleichen Aufgaben und Funktionen aus. Besonderheiten werden durch einige Vorschriften des VAG begründet (z.B. durch § 306 I VAG; so ist u.a. gem. Nr. 4 dieser Vorschrift die Aufsichtsbehörde befähigt, Vertreter in die Aufsichtsratsitzungen zu entsenden, denen, wenn gefordert, Wort zu geben ist).
Autor(en): Prof. Dr. Fred Wagner, Katja Brandtner, David Klimmek