Allfinanz
1. Begriff: Ausdruck für die umfassende Verknüpfung von Finanzdienstleistungen und/oder Finanzintermediären aus verschiedenen Finanzdienstleistungsbranchen (z.B. von Banken, Bausparkassen, Kreditkartenemittenten, Leasinggesellschaften, Investmentgesellschaften, Versicherungsunternehmen).
2. Perspektiven: Allfinanz kann aus der Perspektive des Anbieters, Vermittlers oder Nachfragers betrachtet werden. Die Verbindung kann sich funktionell auf die Beschaffung, die Herstellung, den Vertrieb, das Sortiment und/oder die Verwendung durch den Kunden beziehen. Sodann ist zu unterscheiden, ob die Verbindung produktseitig ist und sich auf die Finanzdienstleistungen bezieht, oder ob sie institutionell ist und sich auf die Finanzintermediäre bezieht. a) Ein Finanzintermediär i.e.S. ist ein Unternehmen, das einerseits Zahlungsmittel von den originären Geldgebern gegen das Versprechen einer Verzinsung und späterer Rückzahlung entgegen nimmt (Anlageleistung) und andererseits den originären Geldnehmern die benötigten Zahlungsmittel gegen deren Versprechen einer Verzinsung und späterer Rückzahlung zur Verfügung stellt (Finanzierungsleistung).
b) Ein Finanzintermediär i.w.S. ist ein Unternehmen, dessen Geschäftstätigkeit darauf gerichtet ist, den unmittelbaren Abschluss von Finanzkontrakten zwischen originären und/oder intermediären Geldgebern und -nehmern einfacher und kostengünstiger herbeizuführen oder überhaupt erst zu ermöglichen. Unter diese Kategorie fallen bspw. Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler und Versicherungsberater, aber auch Ratingagenturen und Börsendienste.
3. Unterformen: a) Bancassurance: Vertrieb von Versicherungsprodukten durch Banken und Sparkassen. Dies betrifft somit nur einen Ausschnitt aus dem Allfinanzspektrum: funktionell den Vertrieb, produktseitig Versicherungen, institutionell nur Versicherungsunternehmen und Banken/Sparkassen.
b) Assurbanking: Vertrieb von Bankprodukten über Versicherungsunternehmen. Assurbanking betrifft somit ebenfalls nur einen Ausschnitt aus dem Allfinanzspektrum: funktionell den Vertrieb, produktseitig Bankprodukte, institutionell nur Banken/Sparkassen und Versicherungsunternehmen.
c) Financial Planning: Ganzheitliche Finanzplanung bzw. -beratung. Systematischer Prozess, in dem die finanziellen Verhältnisse eines Privatkunden ganzheitlich analysiert, optimiert und geplant werden und somit Vermögen, Liquidität und Risikoabsicherung dieser Privatperson und ihres Umfelds unter Beachtung des Zielsystems des Kunden strukturiert, gestaltet, gesichert und verwaltet werden. Financial Planning betrifft somit abermals nur einen Ausschnitt aus dem Allfinanzspektrum: funktionell die Beratung, produktseitig alle Finanzdienstleistungsprodukte, institutionell nur den Berater bzw. Financial Planner.
4. Ziele: Allfinanz kann zu Wachstum und Gewinn beitragen, indem es Kundengewinnung und/oder Kundenbindung erzeugt. Dafür ist es notwendig, Preis-Leistungs-Vorteile zu erzielen, die Produkte durch Verbindung unterschiedlicher Finanzdienstleistungen bedarfsgerechter zu gestalten und dabei eine bequeme Handhabung des Produktbündels zu gewährleisten und/oder eine finanzwirtschaftliche Optimierung im Hinblick auf das ständige Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben sowie auf die Absicherung gegen risikobedingte Störungen im Gesamtlebenszyklus des Kunden zu erreichen.
5. Probleme: Die Kernkompetenzen von Finanzdienstleistern sind traditionell verschieden: Bspw. sind Versicherer auf die Risikotransformation und Banken auf die Anlage- und Finanzierungsfunktion ausgerichtet. Auch die Verhaltensweisen der Kunden sind bspw. bei Versicherungs- und Bankgeschäften verschieden. Bei Allfinanzgeschäften ist sodann immer das Datenschutzrecht zu beachten – nicht alle Informationsnutzungen, die sich anbieten, sind auch erlaubt. Ferner sind mögliche, durch die Verbindung entstehende Risikokumule zu kontrollieren. Die vielleicht bedeutendste Herausforderung in der Umsetzung von Allfinanz ist der Umgang mit etablierten und divergierenden Unternehmens- und Branchenkulturen.
Autor(en): Prof. Dr. Thomas Köhne