Eine kurzfristige Beschäftigung ist stets sozialversicherungsfrei, was diese Art der Tätigkeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer besonders interessant macht. Kurzfristig ist eine Beschäftigung immer, wenn sie im Voraus vertraglich zeitlich begrenzt ist und nicht länger als drei Monate beziehungsweise 70 Arbeitstage dauert.
Diese Regelung wurde für den Zeitraum 1. März 2021 bis 31. Oktober 2021 auf vier Monate beziehungsweise 102 Arbeitstage verlängert. Zusätzlich darf ein Entgelt in Höhe von 450 Euro pro Monat nicht überschritten werden. Zur Auslegung eben dieser Zeiten hat die Spitzenorganisation der Sozialversicherung die Geringfügigkeits-Richtlinien erlassen. Darin ist dezidiert geregelt, wie die Zeiten auszulegen sind. Hierzu hat sich das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 24. November 2020 (B 12 KR 34/19R) auseinandergesetzt und geregelt, wie die Fristen zu berechnet werden müssen. Bezug genommen wurde dabei auf § 8 Absatz 1 Nr. 2. Sozialgesetzbuch (SGB) IV. Wichtig in diesem Zusammenhang war zunächst, die Tätigkeit korrekt einzuordnen, nämlich entweder in eine entgeltgeringfügige Beschäftigung oder in eine zeitgeringfügige Beschäftigung. Beide unterscheiden sich dadurch, dass die entgeltgeringfügige Beschäftigung auf eine dauerhafte Tätigkeit ausgelegt ist und die zeitgeringfügige Beschäftigung auf eine Tätigkeit ohne Wiederholungsabsicht (vgl. BSG Urteil vom 5. Dezember 2017 - B 12 R 10/15 R - SozR 4-2400 § 8 Nr. 7 RdNr.16; BSG Urteil vom 7. Mai 2014 - B 12 R 5/12 R - SozR 4-2400 § 8 Nr.6 RdNr.20 ff).
Wenn diese Voraussetzungen geklärt sind, stellt sich die Frage, ob es sich um eine berufsmäßige Tätigkeit handelt. Diese liegt dann vor, wenn die Tätigkeit dazu herangezogen wird, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Das wirtschaftliche Existenzminimum muss also dieser Tätigkeit entstammen (vgl. BSG Urteil vom 14.März 2018 - B 12 KR 17/16 R - SozR 4-2600 § 163 Nr.2 RdNr.12). Ferner muss geprüft werden, ob die Tätigkeit den vom Gesetzgeber vorgesehenen maximalen zeitlichen Umfang ausfüllt (70 Tage). Hierzu müssen auch Urlaubstage, Bereitschaftsdienste sowie Wochenenddienste in die Berechnung mit eibezogen werden, sodass dieser Zeitraum in praxi durchaus überschritten werden kann.
Erweiterung wegen Corona-Epedemie
Die Berechnung dieser Frist ist ausdrücklich nicht daran gebunden, an wie vielen Tagen pro Wochen die Aushilfe tätig ist, wie es von den Spitzenverbänden der Sozialversicherung vorgesehen wird. Diese Zeitdifferenzierung der Spitzenverbände der Sozialversicherung entspricht nicht dem Sinngehalt des § 8 SGB IV.
Am 29. April 2021 hat der Bundesrat beschlossen, dass die ursprüngliche Regelung des § 8 Absatz 1 Nr. 2 SGB IV erweitert werden soll, dies jedoch temporär. Hierzu sei auf das Vierte Gesetz zur Änderung des Seefischereigesetzes (Vgl. Bundesrat, Drucksache 337/21) verwiesen. Begründet wurde die Erweiterung damit, dass die derzeit herrschende Covid-19-Pandemie erhebliche Probleme in der Landwirtschaft durch fehlende Saisonarbeiter hervorgerufen habe. Mittlerweile dürfte die Saisonarbeit auch eine erhebliche wirtschaftliche Einnahmequelle darstellen, so dass eine Verlängerung der Zeitgrenze befürwortet wurde, um insbesondere die unnötigen Reisen der ausländischen Arbeiter zu dezimieren.
Kritikpunkte an der Regelung
Allerdings muss auch beachtet werden, dass die Arbeitnehmer in dieser Zeit weder sozialversichert noch krankenversichert sind. Daher ist diese Regelung als kritisch einzustufen. Ferner muss auch beachtet werden, dass die Erweiterung der Zeitgrenze eben eine Ausnahmeregelung sein sollte und diese sich nicht verstetigen darf. Vorrang hat zwar der Einsatz in der Landwirtschaft, der die Versorgung der Bürger garantiert. Ein Argument gegen die Ausweitung des Zeithorizonts ist jedoch auch die Ausbeutung der Saisonarbeiter aus ethischen Gründen.
Dies könnte umgangen werden, indem die Saisonarbeiter sozialversicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung werden. Das bedeutet jedoch einen Zuwachs an Lohnnebenkosten für die Arbeitgeber, was aus betriebswirtschaftlicher Sicht wiederum problematisch werden könnte. Damit wird die Regelung des § 8 Absatz 1 Nr. 2 SGB IV wirtschaftlich uninteressant.
Die Lösung liegt im Detail
In der Praxis bedeutet dies, das zum einen (pflichtwidrig?) auf die Berufsmäßigkeit nicht abgestellt wird und zum anderen, dass die Saisonarbeiter regelmäßig einen absolut geringen Mindestlohn bekommen. Negativ zu werten ist auch, dass die Saisonarbeiter bei einer Corona-Infektion ohne Sozialversicherung die Behandlungskosten selbst zahlen müssten. Weiterhin ist zu beachten, dass von den Einnahmen die Abzüge für Unterkunft und Unterkunft ebenfalls zu berechnen sind. Würde der Zeithorizont nicht angehoben, dann bedeutete dies aus Sicht der Sozialversicherung allerdings hohe Einbußen bei den Einnahmen.
Die Lösung liegt wie immer im Detail und in der Mitte zwischen beiden Extremen. Zwar soll für die Versorgung der Saisonarbeiter eine krankenversicherungsrechtliche Absicherung erfolgen. Ferner soll der Arbeitgeber die Vorbeschäftigungszeiten des Saisonarbeiters erhalten um sicherzustellen, dass die Regelung des § 8 Absatz 1 Nr. 2 SGB IV nicht überschritten wird. Allerdings werden diese Sollvorschriften erst 2022 greifen, so dass die jetzige Saison davon nicht mehr betroffen sein wird. Damit diese Regelungen vom Parlament angenommen werden, ist ein so genanntes Omnibusgesetz erlassen worden. Dieses ermöglicht, die Regelungen innerhalb eines Paketes abzuzeichnen und unter einem anderen Namen zu publizieren. Herhalten musste diesmal dafür der "Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Seefischereigesetzes" (BT-Drs. 19/26840 vom 19. Februar 2021). Laut Bundeslandwirtschaftsministerium sollte die Regelung ursprünglich auf 180 Tage ausgedehnt werden, was mit dem Aufenthaltsrecht der Saisonarbeiter begründet wurde. Juristisch ist dies problematisch, da die Freizügigkeit von EU-Bürgern zeitlich nicht begrenzt ist. Letztlich steht die sozialversicherungsrechtliche Privilegierung der Landwirtschaft im Vordergrund. Aber auch die volkswirtschaftliche Bedeutung der Saisonarbeit ist nicht zu vernachlässigen. Schließlich macht die deutsche Spargelernte 38 Prozent der gesamten EU-weiten Produktion von 307.400 Tonnen aus.
Hoher zeitlicher Aufwand
Der zeitliche Aufwand für die Gesetzesänderung ist ebenfalls beachtenswert: Die Vorlage des Nachweises des Krankenversicherungsschutzes wird auf durchschnittlich zehn Minuten geschätzt. Bei 2,3 Millionen Fällen kurzfristiger Beschäftigungen nach § 8 Absatz 1 Nummer 2 des SGB IV pro Jahr bedeutet das einen zeitlichen Mehraufwand von 383.333 Stunden im Jahr. In den 230.000 Fällen, in denen das Rückmeldeverfahren eine Überschreitung der zulässigen Zeitgrenze nach § 8 Absatz 1 Nummer 2 SGB IV ergibt, kommt es zu einer Nacherhebung von Meldedaten durch den Arbeitgeber. Hier wird ein Zeitaufwand von jeweils zehn Minuten angenommen. Der Mehraufwand in Stunden beträgt 38.333 Stunden.
Thomas Schmallowsky ist als ordentlicher Professor für Steuerrecht und Wirtschaftsrecht an der NBS in Hamburg tätig. Darüber hinaus ist er Fachanwalt für Steuer- und Sozialrecht.
Autor(en): Thomas Schmallowsky