Ein Hausratversicherer weigerte sich, gestohlenen Schmuck vollständig zu ersetzen, weil er nicht bedingungsgemäß im Tresor aufbewahrt worden war. Das Gericht zog aber eine andere Karte zugunsten der Kundin.
In der Hausratversicherung sind oft bedingungsgemäß Wertsachen wie unter anderem Schmuck pauschal mitversichert, aber nur bis zu einem Prozentsatz von zum Beispiel 20 Prozent der Versicherungssumme. So auch in einem Fall, den das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 13. Mai 2020, Az. 20 U 266/19, VersR 2020, 1376-1378, nicht rechtskräftig) zu entscheiden hatte. Die Kundin hatte jedoch höherwertigen Schmuck, sodass der Versicherungsvertreter auf entsprechende Nachfrage eine auf 50 Prozent erhöhte Wertsachengrenze für die Gesamt-Versicherungssumme von 104.000 Euro anbot.
Ersatzgrenze bei ungeschützter Aufbewahrung
Es kam zu einem Einbruch, bei dem Schmuck im Wert von 52.000 Euro entwendet wurde. Der Hausratversicherer regulierte den Schaden mit 21.000 Euro und verwies im Übrigen darauf, dass die Kundin eine Klausel im Vertrag nicht beachtet und den Schmuck nicht in einem Tresor aufbewahrt hatte. Denn außerhalb "verschlossener mehrwandiger Stahlschränke mit einem Mindestgewicht von 200 kg und auch außerhalb eingemauerter Stahlwandschränke mit mehrwandiger Tür, oder außerhalb besonders vereinbarter sonstiger verschlossener Behältnisse mit zusätzlichen Sicherheitsmerkmalen" seien Wertsachen nur bis zu den erstatteten 21.000 Euro versichert.
Die Klägerin wandte dagegen zunächst ein, dass diese Tresor-/Verschlussklausel unwirksam sei. Sie benachteilige die Kundin unangemessen und sei eine verhüllte Obliegenheit. Dies verwarf allerdings das Oberlandesgericht und bestätigte im Berufungsverfahren im Wesentlichen das zugrundeliegende Landgerichtsurteil. Es handele sich bei dieser Klausel "um eine allgemeine, vom Verhalten des Versicherungsnehmers in konkreten Einzelsituationen unabhängige Leistungsbeschränkung" und eben nicht um eine Obliegenheit.
Anlassbezogene Beratungspflicht
Trotzdem war die Klage erfolgreich, wenn auch darauf hingewiesen wird, dass dies den Umständen des Einzelfalls geschuldet ist. Denn in diesem "vorliegenden Einzelfall" habe es eine anlassbezogene Beratungspflicht des Versicherungsvertreters gegeben, die dieser versäumt und damit einen Schadenersatzanspruch begründet habe.
Entscheidend dafür war die Tatsache, dass der Vertreter zunächst eine Hausratversicherung mit den üblichen 20 Prozent Wertsachengrenze angeboten hatte. Die Kundin wies allerdings den Vertreter ausdrücklich darauf hin, dass diese 20 Prozent nicht ausreichen, weil sie einen höherwertigen Schmuck besitze, der gut die Hälfte der Versicherungssumme ausmacht. Daraufhin habe der Vertreter die Wertsachengrenze auf 50 Prozent angehoben, aber die besondere Ersatzgrenze für eine Aufbewahrung außerhalb eines Tresors nicht angesprochen. Dass damit ein Großteil des Versicherungsschutzes gefährdet ist, darauf hätte der Vertreter die Kundin "hinweisen müssen, da sich hieraus aufgrund der konkreten Bedarfssituation ein Anlass ergab", heißt es in der Urteilsbegründung.
Schulung hätte geholfen
Weiter rügen die Richter den Versicherer, dass er seinen Vertreter nicht entsprechend geschult habe. Denn es gebe eine Reihe Urteile, die von dem beklagten Versicherer eingewendet wurden, die aber gerade nicht dem Versicherer Recht geben. Der Vertreter hätte sich über die Rechtslage informieren oder schulen lassen müssen, womit auch eine Schuldhaftigkeit des Handelns festgestellt wird.
Diese fehlende Beratung sei zudem kausal für den Schaden der Kundin gewesen. Einen Beleg dafür, dass die Kundin bei einer richtigen Aufklärung den Schmuck in einem Tresor aufbewahrt hätte, sah das Gericht als erbracht an. Denn die Kundin konnte nachweisen, dass sie einen Tag nach dem Einbruch ein Schließfach angemietet und versichert hatte. Selbst ein Mitverschulden der Kundin wollte das Gericht hier nicht einwenden.
Der Schaden wurde allerdings um die eingesparten Kosten des Schließfachs und der Schließfachversicherung gemindert. Für zwei Jahre Versicherungszeit machte das allerdings auch nur etwas über 273 Euro aus.
Konsequenzen für Versicherer und Vermittler
Für die Branche wichtig ist an diesem Urteil, einmal mehr sorgfältig zu prüfen, in welchen Fällen Anlässe für eine besondere Beratung oder wenigstens einen Hinweis an den Kunden bestehen und auch in die entsprechende Beratungsdokumentation aufgenommen werden sollten. Die im Massengeschäft gerne verwendeten Standard-Beratungsdokumentationen, die automatisch erzeugt werden, sind offensichtlich nicht immer ausreichend plausibilisiert.
In diesem Fall hätte bei einer Anhebung der Wertsachengrenze automatisch ein Hinweis an den Vermittler erfolgen können, dass er eine Aufklärung leisten muss, und diese ins Beratungsdokument aufgenommen werden können. Wenn man zusätzlich die Vermittler schult, die Beratungsdokumente nicht nur unkommentiert auszuhändigen, sondern zwingend mit dem Kunden durchzugehen, kann es eigentlich nicht mehr so leicht zu solchen teuren Versäumnissen kommen.
Autor(en): Matthias Beenken