Schon vor Inkrafttreten der Richtlinie IDD galten für fondsgebundene Versicherungen erweiterte Anforderungen an die Beratung, wie ein aktuelles Urteil zeigt.
Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss vom 4. November 2019, Az. I-24 U 1/19, VersR 6/2020, 361-363) endete ein Verfahren, in dem es um die Beratungspflichten eines Strukturvertriebs beim Vertrieb von fondsgebundenen Lebensversicherungen ging. Nach dem Hinweisbeschluss wurde die Berufung von der Beklagten zurückgezogen.
Keine Garantien - typische für Anlagegeschäft
Geklagt hatte ein 67-Jähriger, der Anfang 2015 zwei fondsgebundene Rentenversicherungen mit gleichem Inhalt abgeschlossen hatte. Nach der letztlich gerichtlich bestätigten Meinung ging es bei diesen Verträgen "bei sowohl wirtschaftlicher als auch lebensnaher Betrachtungsweise" um "Anlagegeschäfte", bei denen "eine Renditeerwartung im Vordergrund" stand. Denn bei diesen Rentenversicherungen war lediglich eine Todesfallleistung durch Rückzahlung des im Todesfall vorhandenen Vertragsguthabens vereinbart, Garantieleistungen gab es keine.
Vor diesem Hintergrund "unterlagen die Aufklärungsanforderungen denen für Anlagegeschäfte", heißt es in der Begründung des Beschlusses weiter unter Verweis auch auf weitere Urteile unter anderem des Bundesgerichtshofs von 2012. Auch ein neueres Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 31. Mai 2018 ändere hieran nichts. Zwar fielen die beiden fondsgebundenen Rentenversicherungen klar unter die damals gültige EU-Versicherungsvermittlerrichtlinie und nicht unter die MiFID. Das wiederum schließe jedoch nicht aus, dass man bei einer fondsgebundenen Versicherung weitergehende Aufklärungspflichten hat als bei einer normalen Lebensversicherung.
Nachteilsaufklärung fehlte
Vor allem vermissten die Richter eine Aufklärung des Kunden "über die mit dem Vertragsschluss verbundenen Risiken und Nachteile". Denn das sei für die Anlageentscheidung bedeutsam. Der als Zeuge für den Beklagten Tätige habe das aber versäumt und damit die Pflichten nach §§ 61 Abs. 1, 6 Abs. 5 VVG verletzt. Dem Kunden selbst wollte das Gericht keine Verantwortung zuweisen. Denn typischerweise habe ein Kunde zwar "einen bestimmten Zweck vor Augen", könne aber selbst nicht einschätzen, "wie er diesen erreichen kann". Hier schuldet der Vermittler eine entsprechende Hilfe oder zumindest einen klaren Hinweis, wenn sein Anlagezweck mit diesen Verträgen möglicherweise nicht erreicht wird.
Offensichtlich wollte der Kunde wohl keine Risiken mit seiner Anlage eingehen. Dabei gehe es auch keineswegs nur um die Rendite der Anlagen selbst, sondern zusätzlich auch um die Wirkung der Kosten des Vertrags, die die Rendite mindern. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht glaubten in dieser Hinsicht dem Kläger, dass er keine entsprechenden Hinweise erhalten habe.
Pflicht zum Selberlesen zählt nicht
Die Gerichte widersprachen zwei Versuchen der Beklagten, sich zu entlasten. Bei der einen ging es um die Zurechnung der Schuld des Vertreters, für den aber nach § 278 BGB eine Erfüllungsgehilfenhaftung bestand. Bei der anderen sollte dem Kläger eine Obliegenheit, die Versicherungsbedingungen "sorgfältig zu studieren und Nachfragen an den Versicherer zu stellen", entgegengehalten werden. Dazu heißt es, selbst wenn der Kunde das hätte tun sollen, dann wäre sein Mitverschulden geringfügig und trete hinter das Beratungsverschulden des Vertreters zurück.
Das Urteil betrifft eine Beratung, die noch vor Umsetzung der IDD stattfand. Seither wird zusätzlich eine Eignungsprüfung notwendig sein, jedenfalls wenn die fondsgebundene Rentenversicherung nicht staatlich gefördert wird und damit als Versicherungsanlageprodukt gilt. Dann spielt es auch keine Rolle mehr, ob die fondsgebundene Rentenversicherung fälschlich als Anlageprodukt oder richtigerweise als Versicherungsprodukt eingeordnet wird, denn für Versicherungsanlageprodukte gelten faktisch nahezu dieselben Vorgaben wie für Anlagen - die IDD wurde um Vorgaben aus der MiFID erweitert.
Autor(en): Matthias Beenken