Die Verbraucherbeschwerden bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nehmen zu. Im vergangenen Jahr gingen bei der Aufsichtsbehörde insgesamt 38.233 Beschwerden über Banken, Versicherer und Wertpapierdienstleister ein, wie der aktuellen BaFin-Statistik zu entnehmen ist.
Das waren immerhin 61,8 Prozent mehr als im Vergleichsjahr 2022 mit 23.630 Beschwerden. Auch beim Verbrauchertelefon der in Bonn und Frankfurt ansässigen Behörde suchten im gleichen Zeitraum mehr als 28.000 Anruferinnen und Anrufer Hilfe, was einem Zuwachs um mehr als 26 Prozent, gemessen an 2022 mit 22.395 Anrufen, entspricht.
Auch bei Verbraucherorganisationen nehmen die Reklamationen zu
Die deutliche Steigerung der Beschwerdezahl führt der Leiter der BaFin-Verbraucherschutzabteilung, Christian Bock, zum einen darauf zurück, dass die Behörde über ihre Maßnahmen transparent berichte. Zudem hätten die eigenen Aktivitäten der BaFin in den sozialen Medien zu mehr Sichtbarkeit beigetragen, meint Bock. Doch einige Experten sehen das wachsende Beschwerdeaufkommen nicht allein oder überwiegend in der besseren Wahrnehmung der Bafin in der Bevölkerung begründet – sie verweisen vielmehr darauf, dass auch bei Verbraucherorganisationen die Reklamationen und Beanstandungen Banken, Finanzdienstleister oder Versicherungen betreffend zunehmen.
Die höchsten Beschwerdequoten gibt es bei den Direktversicherer im Kfz-Bereich
Im Versicherungssektor ärgerten sich Kunden immer wieder über langsame Schadenbearbeitung und eine schleppende Auszahlung von Versicherungsleistungen. Diesbezüglich gingen bei der BaFin 2023 insgesamt knapp 7.700 Beschwerden zur Versicherungswirtschaft ein, gut 20 Prozent mehr als im Vorjahr mit 6.370. Als auffallend bei diesen Ergebnissen hebt der „Versicherungsbote“ hervor, dass im Kfz-Bereich Direktversicherer die höchsten Beschwerdequoten erzielten. Bei vielen Beschwerden über Kfz- und Wohngebäudeversicherer ging es 2023 um Prämienerhöhungen, erläutert BaFin-Experte Bock. Konflikte zwischen Versicherern und ihren Kunden betreffen aber immer häufiger auch den digitalen Bereich, so das „Handelsblatt“. Danach gingen zuletzt beim Versicherungsombudsmann deutlich mehr Beschwerden ein, die im Zusammenhang mit Schäden durch Datenklau und Phishing standen.
Die Kunden sind insgesamt kostenbewusster geworden
Häufig in der Kritik stand laut BaFin zudem der Kundenservice von Wertpapierdienstleistern: Verbraucher klagten über lange Reaktionszeiten, unzureichende Antwortschreiben oder Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Depotüberträgen. Für diesen Bereich des Finanzmarktes stieg die Zahl der BaFin-Beschwerden um fast 18 Prozent von 2.404 im Jahr 2022 auf 2.835 im Jahr 2023.
Wie kommt es zu dem deutlichen Anstieg der Beanstandungen? Die Kunden seien insgesamt kostenbewusster geworden und langjährige Treue zu einem einzelnen Anbieter gebe es immer seltener, kommentiert der Leiter der BaFin-Verbraucherschutzabteilung die jüngste Beschwerdestatistik seiner Behörde. Er zählt als weitere Gründe etwa für Beschwerden über Versicherer häufigen Personalmangel, IT-Probleme oder gehäufte Schadenereignisse auf. Demnach sollen Schaden- und Unfallversicherer auch auffällig oft schlecht telefonisch erreichbar sein.
In Zeiten von Vergleichsportalen und vielfältigen Informationsmöglichkeiten via Internet sind viele Konsumenten inzwischen wohl auch kritischer geworden, meinen Beobachter. Und die Kunden sind weniger bereit, Mängel oder unzureichende Dienstleistungen zu akzeptieren. Dieser Eindruck deckt sich mit den Erfahrungen von Verbraucherorganisationen. Danach beklagen sich Kunden immer wieder über schlechten Kundenservice, etwa in Form von nicht funktionierenden Kontaktformularen oder Login-Bereichen. Besonders unerträglich wird es bei Reklamationen, wenn das Service-Personal selbst nicht genau weiß, wie ein Problem gelöst werden kann oder unhöflich auf das jeweilige Anliegen reagiert.
Sich zuerst an die betroffene Gesellschaft selbst wenden
Im Falle von Banken, Versicherern, Finanzdienstleistern oder Kapitalverwaltungsgesellschaften rät die BaFin betroffenen Kunden, sich bei Unstimmigkeiten zuerst an die betroffene Gesellschaft selbst zu wenden. Die Unternehmen müssen leicht zugänglich auf ihrer Internetseite, in Broschüren oder Vertragsunterlagen veröffentlichen, was Kunden beachten sollten, wenn sie eine Beschwerde haben. Dazu gehören auch der Ablauf des Beschwerdeverfahrens, wie etwa Fristen oder Bearbeitungszeiträume, und die Kontaktdaten der Beschwerdestelle.
Die BaFin empfiehlt dabei grundsätzlich, sich schriftlich beim beaufsichtigten Unternehmen zu beschweren, das eigene Anliegen möglichst präzise zu schildern und um eine schriftliche Stellungnahme zu bitten.
Durch regelgerechtes Gebaren mögliches Einschreiten der Aufsichtsbehörde vermeiden
Eine weitere Möglichkeit, seinem Ärger Luft zu machen, stellen außergerichtliche Streitschlichter dar, mit denen viele Banken und Versicherer zusammenarbeiten. Hier sei die schriftliche Antwort des Unternehmens ein wichtiges Dokument, betont die BaFin, weil viele Schlichtungsstellen erst aktiv werden, wenn ein Verbraucher sich zuvor mit seinem Problem an das jeweilige Unternehmen gewandt hat und dessen schriftliche Ablehnung vorlegen kann.
Und man kann sich mit einer Beschwerde auch an die BaFin selbst wenden. Die Behörde kann zwar Verbrauchern im Einzelfall nicht zu ihrem individuellen Recht verhelfen, doch sie betreibt kollektiven Verbraucherschutz, wie sie betont. Weil sie durch ihre Kontrollfunktion die Gesamtheit aller Verbraucherinnen und Verbraucher am Finanzmarkt absichert – indem sie die Anbieter dazu motiviert, sich durch regelgerechtes und kundenfreundliches Gebaren ein mögliches Einschreiten der Aufsichtsbehörde zu ersparen.
Quelle: Goslar Institut