Die allgegenwärtig tiefgreifenden Folgen der Covid-19-Pandemie beeinflussen den Versicherungsmarkt nachhaltig. Viele Sparten werden schwieriger. Das geht aus dem aktuellen "Markt Report 2020" des internationalen Versicherungsmakler Aon hervor.
So habe die Digitalisierung, etwa durch viele Homeoffice-Nutzer erneut einen kräftigen Schub bekommen. „Das eröffnet Cyber-Kriminellen neue, vielfältige Angriffsflächen, die erhebliches Risikopotenzial beinhalten“, warnt Aon-Geschäftsführer Hartmuth Kremer-Jensen. Weiterhin sei auch die Versicherungswirtschaft von einem „No Deal“-Szenario beim Brexit bedroht. Kremer-Jensen: „Hierauf sollten sich alle Beteiligten unvermindert einstellen.“ Gleichzeitig warnt der Makler davor, dass Versicherer versuchten, weitreichende Ausschlüsse beim Thema „Silent Cyber“ zu vereinbaren. Solche Klauseln schließen Schäden vom Deckungsschutz aus – so zum Beispiel bei Feuerschäden – die durch eine eingeschränkte Funktion von Daten oder durch Cyber-Angriffe entstehen. Derzeit würde sich der deutsche Markt aber noch erfolgreich gegen solche Ausschlussklausen wehren.
Klagewelle wegen Betriebsschließungsschäden
Der Aufwand durch versicherte Covid-19-Schäden wird für 2020 weltweit auf 107 Milliarden US-Dollar geschätzt. Betroffen wären vor allem Veranstaltungsausfallpolicen. Gleichzeitig versuchten Unternehmen in den USA und Großbritannien, Betriebsschließungsschäden gegenüber der Versicherungswirtschaft einzuklagen. Eine solche Klagewelle gibt es bekanntlich auch in Deutschland. Aon befürwortet „absolut“, dass die künftige Absicherung von Pandemierisiken durch eine Kombination privatwirtschaftlicher Risikoübernahme und staatlicher Absicherung erreicht wird.
Sachversicherung fährt in rote Zahlen
Die industrielle Sachversicherung in Deutschland befinde sich auch 2020 in einer „harten Marktphase“. Nun würden auch noch Rückversicherer für dieses Segment höhere Preise fordern. Das führe dazu, das Risikobranchen, wie beispielsweise Recycling, kaum noch Versicherungsschutz erhielten. „Hier entziehen sich Teile der Versicherungswirtschaft ihrer volkswirtschaftlichen Verantwortung“, kritisiert Aon. Für 2020 schätzt der Makler, dass die Schaden-Kostenquote in der industriellen und gewerblichen Sachversicherung von 98 Prozent auf 115 Prozent steigt. Die Schadenquote soll sich von 76 Prozent auf 93 Prozent erhöhen. Dahinter steht ein Anstieg der Schäden von 5,5 auf sieben Milliarden Euro, während die Prämien lediglich leicht von 7,3 auf 7,6 Milliarden Euro steigen sollen. Die vom GDV für den Bereich Haftpflicht prognostizierte Schaden-Kostenquote für 2020 von 89 Prozent findet sich im Industriegeschäft nicht wieder. Hier sei die Situation schwierig. Es gebe Prämienerhöhungen auf breiter Front, während die Haftpflichtversicherer Grunddeckungen oberhalb von 50 Millionen Euro nur noch gemeinsam bereitstellen würden.
Wichtig sei für den Dialog mit den Haftpflichtversicherern ein gutes Risikomanagement. Wer das nachweisen könne, sollte den notwendigen Versicherungsschutz „zu halbwegs adäquaten Prämien“ erhalten können. Die Konsolidierung des Marktes in der Transportversicherung setze sich weiter fort. Im Juni 2020 habe mit StarStone ein weiterer Spezialversicherer seine Geschäftstätigkeit eingestellt. Es werde zudem immer häufiger gefordert, dass den Verträgen englische Marktklauseln zugrunde gelegt werden. „Faktisch bedeutet dies eine Einschränkung des bestehenden Versicherungsschutzes“, warnt Aon.
Cyber-Schutz bleibt intransparent
Bei Cyber-Schutz wären die von der versicherungsnehmenden Seite geforderte Vereinheitlichung der Versicherungsbedingungen nach wie vor nicht in Sicht. Cyber-Schutz der verschiedenen Anbieter sei damit weiterhin kaum vergleichbar. Allein bei kleinen und mittleren Unternehmen würde sich die überwiegende Anzahl von Versicherern auf die unverbindlichen GDV-Musterbedingungen „Cyber“ stützen. Um gut zu verhandeln, werde mehr "Cyber-Wissen" verlangt. Unternehmen sollten daher neben der technischen Expertise besonders auf die Qualifikationen der Vermittler im Bereich der Risikoermittlung und -bewertung sowie die Schadenexpertise achten, fordert Aon.
Kaum Prognosen zur Kfz-Versicherung
Sehr zurückhaltend ist der Makler hinsichtlich einer Beurteilung der Covid-19-Krise für die Autoversicherung. Klare Verlierer der Krise wären die öffentlichen Verkehrsmittel und Sharing-Anbieter. Als Gewinner einer zunehmend individualisierten Mobilität macht Aon Privatauto und das Fahrrad sowie den Gang zu Fuß aus. Nach Schätzung des Maklers fiel 2020 der Beitragsanstieg in der Kfz-Versicherung mit rund 2,5 Prozent wettbewerbsbedingt um etwa einen Prozentpunkt geringer aus als im Vorjahr. Weitere Daten zu 2020 veröffentlich der Makler nicht. Zur Flottenversicherung heißt es: „Da der Markt im Flottenbereich auch 2019/2020 wieder einen Verlust ausweisen wird, ist eine signifikante Entspannung an der Prämienfront weiterhin nicht in Sicht.“
Harte Verhältnisse macht Aon auch bei der Managerhaftpflicht-Versicherung (D&O) aus. Während hier früher Deckungssummen in Höhe von 25 Millionen Euro marktüblich gewesen seien, würden derzeit nur noch 15 Millionen Euro, häufig sogar nur zehn Millionen Euro, angeboten. Dies gelte bundesweit. Bei Bürgschaftsversicherungen gebe es einen 50-prozentigen Anstieg bei der Kapitalbesicherung. „Außerdem ist davon auszugehen, dass die Vertrauensschadenpolice in absehbarer Zukunft genauso unverzichtbar wird wie die Betriebshaftpflichtversicherung“, heißt es bei Aon. Gründe dafür werden aber nicht genannt.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek