Deutschlands Verbraucher haben zunehmend Probleme mit ihren Versicherern und monieren dies auch. Bei der Verbraucherschlichtungsstelle seien im ersten Quartal so viele Beschwerden eingegangen wie seit 2017 nicht mehr, hat das "Handelsblatt" festgestellt. Auch die Finanzaufsicht Bafin registriert steigende Fallzahlen.
Bereits 2023 war die Zahl der Beschwerden von Versicherten um 13,4 Prozent auf über 18.000 Fälle angewachsen, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) aktuell einräumen musste. Die Unzufriedenheit der Versicherungskunden zieht sich demnach durch fast alle Sparten.
Beschwerden bereits auf 5.479 im ersten Quartal dieses Jahres gestiegen
Die ehemalige Richterin am Bundesverfassungsgericht Dr. Sibylle Kessal-Wulf, seit dem 1. April 2024 Ombudsfrau für Versicherungen, musste gleich zu Amtsantritt einer wenig erfreulichen Pflicht nachkommen: Sie musste verkünden, dass die Beschwerden von Verbrauchern über ihre Versicherer weiter zugenommen haben auf bereits 5.479 im ersten Quartal dieses Jahres.
Zum Vergleich: 2023 beliefen sich die Beanstandungen im gleichen Zeitraum auf 4.834 und in den ersten drei Monaten von 2022 auf 4.077. Im Gesamtjahr 2023 hatte die Schlichtungsstelle der Versicherer unter Kessal-Wulfs Vorgänger Wilhelm Schluckebier 18.037 Beschwerden von Versicherungskunden zu bearbeiten nach 15.907 im Jahr zuvor.
Schluckebier begründete den Anstieg im vergangenen Jahr mit dem Ende der Corona-Pandemie. In der Nachpandemiezeit gebe es wieder verstärkt Aktivitäten, die Mobilität sei auf einem Niveau wie vorher, erklärte er in einem Interview mit dem GDV. Das schlage sich typischerweise in der privaten Unfallversicherung, in der Reiseversicherung oder der Kfz-Versicherung nieder. Insofern sei der Anstieg der Konfliktfälle mit Versicherungsunternehmen relativ normal.
Langsame Bearbeitung, verzögerte Regulierung
Doch die wieder größere Mobilität der Menschen ist nicht der alleinige Grund für die überdurchschnittlich gestiegenen Beschwerdezahlen etwa in der Kfz-Versicherung, wie Schluckebier in dem Interview einräumt. Er verweist auch auf einen Teilaspekt, der der Schlichtungsstelle aufgefallen sei: Kunden beanstandeten vermehrt, dass die Versicherer verzögert ihre Anliegen bearbeiten, insbesondere auch Schäden verzögert regulieren, berichtete der ehemalige Ombudsmann. Darin sieht er zwar „zahlenmäßig keine beachtliche Quantität“, aber eine „Tendenz, die spürbar wird“.
Deutlich mehr verärgerte Verbraucher als in früheren Jahren musste jüngst erst Deutschlands größter Kfz-Versicherer, die Huk-Coburg, eingestehen. Dazu berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ) unter der Überschrift „Wie die HUK-COBURG ihren guten Ruf ruiniert“ über „stundenlange Wartezeiten am Telefon“ und „wochenlang keine Antwort auf E-Mails“. Deutschlands größter Autoversicherer komme bei der Schadensbearbeitung nicht hinterher, fasste die SZ diese Art der „Schadensmeldungen“ zusammen. Dessen ungeachtet versicherte Huk-Vorstand Klaus-Jürgen Heitmann, der Versicherer habe die Lage inzwischen wieder im Griff.
Diverse Gründe, weswegen Verbraucher sich bei der Schiedsstelle melden können
Doch es geht nicht nur um Defizite beim Service, wenn sich Verbraucher an den Versicherungsombudsmann wenden – oder die Ombudsfrau, wie es nunmehr eigentlich heißen müsste mit Dr. Kessal-Wulf an der Spitze der Schiedsstelle. Auch wenn Versicherer nach einem Schadensfall nicht zahlen wollen oder nicht die geforderte Summe erstatten, wenn es Streit über eine Kündigung oder die Einstufung in einen neuen Tarif gibt, in all solchen Konfliktfällen können Verbraucher die außergerichtliche Schlichtungsstelle einschalten.
Beschwerdemöglichkeit ist unkompliziert
Dafür bedarf es keiner juristischen Fachkenntnisse. Es genügt, ein entsprechendes Beschwerdeformular auszufüllen und der Schlichtungsstelle zu übermitteln. Diese prüft dann anhand der vorgelegten Unterlagen die Rechtslage. Bei Bedarf fordern die Schlichterinnen und Schlichter weitere Unterlagen vom betroffenen Versicherungsunternehmen an. Entscheidet die Schiedsstelle, dass der Versicherer falsch handelte, ist die Entscheidung für das Versicherungsunternehmen bindend – sofern der Streit nicht maximal 10.000 Euro überschreitet. Fällt die Entscheidung zugunsten des Versicherers aus, steht dem Kunden dennoch weiterhin der Rechtsweg offen, also eine Klage vor Gericht. Dreht sich der Streit um mehr als 100.000 Euro, können die Schlichter zwar prüfen und eine Einschätzung abgeben, jedoch keine verbindliche Entscheidung treffen.
Eine Beschwerde ist auch im Zusammenhang mit der Vermittlung oder dem Abschluss eines Versicherungsvertrages möglich, wie die Stiftung Warentest erläutert: etwa, wenn Kunden feststellen, dass ein Versicherungsvertreter oder -makler sie auf bestimmte Lücken im Vertrag nicht hingewiesen hat oder Aufklärungspflichten nicht nachgekommen ist.
Erhalten kompetente Prüfung des Sachverhalts plus Begründung
Allerdings ist die Entscheidung des Versicherungsombudsmanns für Vermittler nicht bindend. Trotzdem könne sich eine Beschwerde lohnen, empfehlen die Verbraucherberater, weil Versicherte so eine kompetente Prüfung des Sachverhalts mit Begründung erhalten. Danach könne man sich immer noch überlegen, rechtlich gegen die Vermittlerin oder den Vermittler vorzugehen, raten die Experten.
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Quelle: Goslar Institut