Gesundheit, Freizeit, Sicherheit, ein schönes Zuhause – diese Aspekte stehen bei den Menschen immer mehr im Vordergrund. Dies sollten Versicherer bei ihrer Produktplanung und Unternehmensstrategie zunehmend bedenken. Was dies auch für die Kompositversicherer bedeutet, hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in einer breit gefächerten Analyse untersucht.
Eine wichtige Frage, mit der sich die KPMG-Analyse „Die Zukunft der Kompositversicherung“ beschäftigt, ist, welche Versicherer es in den Jahren zwischen 2013 und 2017, also einem Zeitraum von fünf Jahren geschafft haben, profitables Wachstum zu verzeichnen und so ihre Mitbewerber hinter sich zu lassen. Das ernüchternde Fazit: Nur drei Unternehmen. Zwei von ihnen gehören zu den kleineren Versicherern, also zu denjenigen, die ein Bruttoprämienvolumen von unter 250 Millionen Euro ausweisen. Und ein großer Versicherer aus der Klasse zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro Prämievolumen.
"Stuck in the middle is stuck"
Und eine wichtige Erkenntnis aus der KPMG-Analyse lautet: Nur wirklich große Versicherer oder Versicherer, die klein sind und sich auf Versicherungsfelder konzentrieren, haben Chancen, im Kompositsektor zu bestehen und auskömmlich zu wachsen. Diejenigen, die sich im Mittelfeld bewegen, haben es schwer, sich zu entwickeln, zu wachsen. Die Analysten beschreiben diese Situation unmissverständlich mit „stuck in the middle is stuck“ (frei übersetzt: in der Mitte festsitzen, heißt – auf Dauer – festsitzen).
Und wie sieht die (weitere) Zukunft der Kompositversicherer aus? Die Wirtschaftsprüfer von KPMG gehen davon aus, dass sich der Markt in den nächsten zehn Jahren in zwei Lager aufspalten wird. Auf der einen Seite mit dem klassischen Versicherungsmarkt für Privatkunden, klassisch versorgt über die bekannten Vertriebskanäle. Doch dieser Markt wird ihrer Ansicht nach bis 2030 schrumpfen, auf ein Volumen von 31 bis 32 Milliarden Euro. Aktuell liegt das Volumen noch bei rund 34, 5 Milliarden Euro.
System, das immer wieder neue Partner aufnimmt und andere wieder ziehen lässt
Doch neben diesem klassischen Markt wird nach Einschätzung der Unternehmensberater ein neuer Markt entstehen, in dem die Versicherungsprodukte und -leistungen über digitale „Ökosysteme“ vertrieben werden. Im eigentlichen Sinn ist ein Ökosystem ein ganzheitliches System von Lebewesen, das offen, aber gleichzeitig auch zur Selbstregulation fähig ist. Auf Unternehmen übertragen ist ein Ökosystem ein Netzwerk von Partnern, das immer wieder neue Partner aufnimmt, während andere wieder das Netzwerk verlassen.
Ökosysteme überwinden die traditionellen Branchengrenzen
Derartige Ökosysteme gibt es schon länger. Ein Beispiel dafür sind die Vielfliegerprogramme von Fluggesellschaften. Doch in jüngster Zeit sind immer schneller und mehr dieser Systeme entstanden, so die Beobachtung der Wirtschaftsprüfer. Und diese neuen Verbundsysteme überwinden die traditionellen Branchengrenzen und stellen die Wünsche sowie Bedürfnisse der Menschen, der Kunden, immer stärker in den Mittelpunkt ihres unternehmerischen Handelns.
Wichtig dabei: Mobile Endgeräte ermöglichen eine direkte Interaktion mit Kunden, diese erhöhen sich dadurch auch. Passgenaue Angebote sind das Ergebnis, aber auch die Loyalität der Kunden erhöht sich. Und: Die Ökosysteme werden smarter. Das heißt: Eine immer größere Datenfülle hilft, dass die Daten schneller und effektiver zum Kundenwohl genutzt werden können.
Eigene Angebote sinnvoll durch zielgerichtet Kooperationen ergänzen
Nazim Cetin, CEO von Allianz X, wird hierzu in der KPMG-Studie folgendermaßen zitiert: „Kunden suchen integrierte Lösungen, die zu ihren jeweiligen Lebensbereichen passen. Für Versicherer wird es deshalb darum gehen, das eigene Versicherungsangebot sinnvoll durch zielgerichtet Kooperationen und Partnerschaften zu erweitern“. Heißt: Es wird in Zukunft unabdingbar sein, Teil eines Ökosystems zu werden, um neue Kunden zu gewinnen und die bestehenden zu halten.
Nutzungsquote der Digital Natives von Kompositversicherungen unter 50 Prozent
Unter besonderer Beobachtung stehen dabei die Digital Natives, also alle Jahrgänge, die nach 1980 geboren wurden. Gut fünf Prozent der Versicherungskunden gehören zu dieser Gruppe, also circa vier Millionen Kunden. Bislang noch keine wirklich große Gruppe, aber eine Gruppe, deren Verhalten immer mehr auf andere Zielgruppen abstrahlt. Relevant für die Kompositversicherer: Die Digital Natives fragen ihre Versicherungsangebote, außer der Kfz-Versicherung, immer weniger nach. Nach Recherche von KPMG liegt die Nutzungsquote dieser Personengruppe unter 50 Prozent.
Was bei dieser jungen Zielgruppe aber wichtig ist, ist der Aspekt der Sicherheit. So würden 94 Prozent der Digital Natives angeben, dass sie sich sicher fühlen wollen. Ähnlich viel Gewicht haben aber auch die Lebensaspekte Spaß, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Dabei soll für diese Youngster alles schön einfach und bequem sein.
Und es gibt auch noch andere Unwägbarkeiten und Risikenin in der schönen neuen Welt der Ökosysteme. So glaubt KPMG, dass Vernetzung und Automatisierung im Ökosystem sowie die geringere Sichtbarkeit des Versicherungsproduktes die Austauschbarkeit von diesen erhöht. Die Folge: Der Druck auf die für Versicherer erzielbaren Margen steigt.
Amazon, Apple und Google lauern vielleicht schon auf ihre Chance
Und die KPMG-Studie lässt klar erkennen, dass sich im Markt der Kompositversicherer die Spreu vom Weizen trennen wird, vor allem im Hinblick auf Wachstum und Profitabilität. Im Vorfeld wird sich die Intensität des Wettbewerbs in diesem Sektor zunehmen. Doch sehr große sowie kleine Spezialisten, die in der Vergangenheit überdurchschnittlich erfolgreich agierten, haben auch in Zukunft gute Chancen zu wachsen und zwar profitabel, sind die Branchenkenner sicher.
Dabei müssen die deutschen Versicherer aber immer noch die US-amerikanischen Konkurrenten wie Amazon, Apple und Google genau im Blick behalten, denn "diese branchenfremden Wettbewerber verfolgen, ebenso wie Versicherungsunternehmen, das Ziel, dem Kunden passende Produkte zu seiner jeweiligen Lebenssituation zielgerichtet zu unterbreiten", weiß Bernd Storm, Gründer und Geschäftsführer von Aboalarm.
Und wenn Google eigene Ökosysteme aufbauen wird?
Google hat zwar immer wieder betont, dass es - derzeit - keine Ambitionen gebe, in die deutsche Versicherungsbranche einzusteigen. Doch trotzdem schätzt KPMG, dass der Internetriese in Zukunft Ökosysteme aufbauen wird, zum Beispiel im Sektor Mobilität. Und dann stelle sich die Frage: Spielen dort (deutsche) Versicherungen auch/noch eine Rolle?
Autor(en): Meris Neininger