Wie wirkt sich Corona auf die Sparte aus? Und wohin entwickeln sich die Zahl der Fahrzeuge, die Schäden und die Prämien angesichts der vier großen Trends im Automobilsektor? Experten gaben bei der Tagung "Automatisiertes Fahren 2021", mit veranstaltet von Versicherungsmagazin, ihre Prognosen ab.
Im Mai hat der Bundesrat einem Gesetzesbeschluss des Bundestags zugestimmt, nach dem autonome Fahrzeuge künftig bundesweit ohne physisch anwesende Fahrer in klar abgegrenzten Betriebsbereichen des öffentlichen Straßenverkehrs im Regelbetrieb fahren können. Diese so genannten Level 4-Fahrzeuge können beispielsweise im öffentlichen Personenverkehr, für Dienst- und Versorgungsfahrten und in der Logistik zum Einsatz kommen. Beschlüsse wie diese wirken sich nicht nur auf die Automobilwirtschaft, sondern auch auf die Versicherungsbranche aus.
Vier große Trends wirken auf Kfz-Sparte
Autonomes Fahren ist für Kfz-Versicherer einer von vier großen Trends, wie Patrick Wirth, Director Innovation und Investment bei Baloise Insurance, auf der Tagung "Automatisiertes Fahren 2021" klarmachte. Die drei weiteren Themen, mit denen sich die Assekuranz ebenso wie die Automobilwirtschaft auseinandersetzen muss, sind die Elektrifizierung und Vernetzung der Fahrzeuge sowie die Shared Mobility, also beispielsweise die gemeinsame Nutzung von Pkw, etwa von Flottenanbietern.
Die Versicherung von Elektrofahrzeugen hält Wirth, abgesehen von Details wie dem Diebstahl des Ladekabels, für grundsätzlich vergleichbar mit der konventioneller Kfz. Der Experte zitierte jedoch Zahlen aus Dänemark, wonach E-Automobile 20 Prozent mehr Schäden aufweisen als eine Vergleichsgruppe mit Verbrennern. Da allerdings 90 Prozent der Schäden auf menschliches Fehlverhalten zurückgehen, rechnet Wirth durch das automatisierte Fahren künftig nur noch mit einem Bruchteil der Beiträge. Die Shared Mobility dürfte 30 Prozent an Prämienvolumen kosten, so die Baloise-Prognose.
Zuwachs bei Fahrzeugzahl schwächt sich 2025 ab
Zunächst dürfte die Party allerdings weitergehen, denn Level 5, also das vollautonome Fahren, wird nach Ansicht von Onnen Siems, Geschäftsführer von Meyerthole Siems Kohlruss, Gesellschaft für aktuarielle Beratung, erst jenseits 2030 relevant. Er erwartet, dass in neun Jahren 60 Prozent der Fahrzeuge auf den Straßen den Leveln 2 bis 4 angehören, gibt allerdings zu, dass es sich hierbei um eine konservative Schätzung handelt. Level 4 und 5 werden die Unfallzahlen drastisch sinken lassen, ist Siems überzeugt. Ihm zufolge wird die Gesamtzahl der Fahrzeuge noch steigen, bis der Zuwachs 2025 abflacht und voraussichtlich ab 2030 ins Minus kippt.
"Bisher ist der Trend ungebrochen", erklärt Stefan Schmuttermair, Aktuar und Bereichsleiter bei der E + S Rückversicherung, mit Blick auf die Fahrzeugzahl. Selbst im Corona-Jahr legte sie nach Berechnungen seines Unternehmens auf Basis von Daten des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zu, nämlich von 66,1 Millionen 2019 auf 67,1 Millionen im Jahr 2020. 2021 sieht der Rückversicherer gar 68,2 Millionen Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen. Die Schadenquote ging 2020 Pandemie-bedingt um rund zehn Prozentpunkte zurück. Für 2021 erwartet E + S einen Wiederanstieg von etwa vier bis fünf Prozentpunkten. Den Schadendurchschnitt, der seit 2004 beständig zulegte, wird laut Schmuttermair weiter steigen, entsprechend auch das Beitragsvolumen. Auch er rechnet jedoch mit einer Abschwächung durch das autonome Fahren.
Zu einem weiteren Tagungsbericht mit Schwerpunkt Technik geht es unter springerprofessional.de/link/19238966.
Autor(en): Stefanie Hüthig