Industrieversicherer ziehen vor Gericht

Einspruch erheben wollen die zehn Industrieversicherer, denen erst kürzlich ein Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts ins Haus flatterte. Der oberste Wettbewerbshüter wirft mehr als einem Dutzend deutscher Versicherer vor, in der Industriesparte jahrelang Absprachen beim Preis und bei der Kundenakquise getroffen zu haben. Jetzt werden die Gerichte eingeschaltet.

Im März hatten zehn der vermutlich fünfzehn Industrieversicherer sowie einzelne Vorstände Bußgeldbescheide von insgesamt 130 Millionen Euro erhalten. Zu den Beschuldigten, die angeblich unerlaubt Preisabsprachen getroffen haben sollen, zählen unter anderem die Allianz Sachgruppe Deutschland, die Axa Versicherung in Köln, die AMB Generali-Tochter AachenMünchener Versicherung, die Münchener-Rück-Tochter Victoria Versicherung, die Gothaer Allgemeine Versicherung, die Gerling Allgemeine Versicherung und HDI Haftpflichtverband der Deutschen Industrie Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Auch die R + V Allgemeine Versicherung, die Mannheimer Versicherung und die Württembergische Versicherung sollen nach Angaben des Bundeskartellamtes an dem Preisabsprachen-Komplott beteiligt gewesen sein.

Die zehn, die bereits im Bußgeldfokus des Kartellamts stehen, begründen ihren Einspruch damit, dass sie unschuldig seien und die Strafen außerdem zu hoch ausfallen würden. Kaum einer der Versicherer möchte öffentlich etwas über die Höhe seines eigenen Bußgeldbescheides sagen. Bekannt wurde inzwischen, dass die Mannheimer mit 375.000 Euro dabei sein soll. Bei der Allianz spricht man von einem „niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag“.

Um was geht es eigentlich? Seit Mitte 1999 sollen die Absprachen zu Prämienerhöhung für Industriekunden bestanden haben. Kartellamts-Präsident Ulf Böge betonte vor Journalisten, dass mit weiteren Bußgeldbescheiden gegen andere Versicherer im Sommer dieses Jahres zu rechnen sei: „Nach den Ermittlungen des Amtes haben Vorstandsmitglieder der bebußten Unternehmen bewusst gegen das Kartellverbot verstoßen, um den intensiven Wettbewerb zwischen den Industrieversicherern zu beenden.“ Der Kartell-Rechtsverstoß soll demnach bundesweit und branchenübergreifend vor allem die Bereiche der industriellen Sachversicherung (Feuer-, Feuer-Betriebsunterbrechungs-, EC- und All-Risk-Versicherung und Technische Versicherung) sowie der Transport- und Gebäude-/ Monopol-Versicherung betroffen haben. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes sollen sich die Versicherer seit Mitte 1999 abgesprochen, den zum damaligen Zeitpunkt bestehenden intensiven Prämien- und Bedingungs-Wettbewerb zu beenden, um eine Marktwende herbeizuführen.

Von den Bußgeldbescheiden wurden die Versicherer nicht überrascht, denn seit dem Sommer 2002 sind die Ermittlungen des Kartellamts bekannt. Damals waren erste Durchsuchungen in den Büros von 13 Versicherungsunternehmen auf Veranlassung des Bundeskartellamts durchgeführt worden. Kartellamts-Chef Böge berichtete, dass Verdachtsmomente ausgelöst wurden vornehmlich durch das Bekanntwerden von Vereinbarungen zwischen Vorstandsmitgliedern, die dem Fachausschuss Industrielle Sachversicherung (FIS) im Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft angehören. Danach sollen die Betroffenen im Rahmen so genannter „FIS-Grundsätze“ vereinbart haben, während der Vertragslaufzeit
- keine Beitragssenkungen durchzuführen,
- keine rückwirkenden Beitragsanpassungen vorzunehmen,
- neue Verträge nur mit Ausstiegs- und Anpassungsklauseln abzuschließen
- und sich in „Wettbewerbsfällen“ verstärkt miteinander auszutauschen.

Ergänzt worden sein sollen diese Grundsätze um weitere Absprachen zu Prämien- und / oder Selbstbeteiligungserhöhungen sowie zur Angleichung von Vertragsbedingungen. Außerdem sollen die am Kartell beteiligten Industrieversicherer vereinbart haben, „Sanierungsmaßnahmen“ der Wettbewerber „gegenseitig nicht zu stören“ bzw. die verlangte „Sanierungsprämie nicht zu unterlaufen“ und sich regelmäßig über Sanierungsaktivitäten auszutauschen. Durch Vorversicherungsanfragen und den Verzicht auf Konkurrenzangebote sollte grundsätzlich kein Neugeschäft bei bestehenden Risiken gezeichnet werden.

Das Bundeskartellamt ließ zur Höhe der Bußgelder von rund 130 Millionen Euro mitteilen, dass ihre Bemessung auf Basis der durch die Kartellabsprachen im betroffenen Zeitraum erlangten Mehrerlöse berechnet worden sei. Es ging dabei also um die Einnahmen der Betroffenen, die nur aufgrund des Wettbewerbverstoßes erzielt werden konnten. Das Bundeskartellamt hat in Abhängigkeit von der Rolle, welche einzelne Unternehmen im Rahmen der Absprachen gespielt haben, den jeweiligen Mehrerlös mit dem Faktor 2 bzw. 1,5 multipliziert. Böge: „Versicherungstechnische Besonderheiten wurden bei der Mehrerlösberechnung berücksichtigt.“

Dass die einzelnen Verfahren sich auch noch bis in den Sommer 2005 in die Länge ziehen, liege daran, dass nach den ersten Bürodurchsuchungen dreizehn Versicherern Fristen für Stellungnahmen eingeräumt werden mussten. Für die Stellungnahmen zu den im Juli 2003, im Mai 2004 und im Herbst 2004 versandten Beschuldigungsschreiben musste das Bundeskartellamt wegen des rechtlichen Gehörs den betroffenen Versicherern auf deren Antrag zum Teil mehrmonatige Fristverlängerungen einräumen, wodurch sich der Abschluss der Verfahren entsprechend verzögerte.

Die erste Gruppe der betroffenen Versicherer bekundete inzwischen, dass sie gegen die Bußgeldbescheide Einspruch einlegen wird. Darüber hat dann das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf zu entscheiden.

Autor(en): Ellen Bocquel

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