Die Schadenregulierung der Assekuranzen ist in der Industrie- und Gewerbeversicherung vollkommen unzureichend. Das geht aus einer Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) hervor. In der Sachversicherung für Industrie- und Gewerbe kann es derzeit zu einem regelrechten Versicherungsnotstand kommen.
„Bereits mittelständische Unternehmen mit Umsätzen im niedrigen zweistelligen Millionenbereich haben zunehmend Schwierigkeiten in der Sachversicherung angemessenen Versicherungsschutz zu finden“, sagte Thomas Billerbeck, Präsident des BDVM auf der Jahrespressekonferenz. Zudem steigen die Beiträge und Versicherungssummen teils dramatisch.
Ein Grund ist die hohe Schadeninflation. Gleichzeitig hätten die Rückversicherer ihre Prämien und Selbstbeteiligungen stark erhöht, so dass kleinere Schäden, die oft auftreten, gar nicht mehr getragen werden. „Dies geben die Erstversicherer an ihre Kunden weiter“, beklagte Billerbeck. Industrie- und Gewerbekunden müssten damit rechnen, dass sie im Schadenfall einen hohen prozentualen Anteil selbst bezahlen müssen.
Notfalls Politiker einschalten
Billerbeck: „Das kann bis zu Exitenzvernichtung gehen, wenn ein Gebäude nicht voll versichert werden kann und die Bank dann die Finanzierung ablehnt.“ Daher rät der BDVM, im Notfall die Politik einzuschalten. Der Versicherungsmakler sollte den lokalen Bundesabgeordneten auf das Problem ansprechen und gemeinsam mit dem Versicherer ein Gespräch vereinbaren. „Der Verband kommt dann hinzu“, versprach Bernhard Gause, Geschäftsführender BDVM-Vorstand. „Das bringt die Dinge in Bewegung“, so Gause.
Sehr schwierig ist der Versicherungsschutz für 2025 auch für alle Unternehmen, die eine Kfz-Flotte betreiben. „Die Kundinnen und Kunden müssen mit satten Prämienanpassungen rechnen“, sagte BDVM-Vizepräsident Thomas Haukje. Im Schnitt würden die Erhöhungen bei 21 Prozent liegen. „Ich gehe davon aus, dass ein weiteres Jahr alle Flotten am Markt ausgeschrieben werden“, so Haukje. Grund sei, dass auch Kfz-Fuhrparks mit geringem Schadenaufwand, also guten Schadenquoten, im nächsten Jahr mehr bezahlen müssten.
Haukje: „Die für solche Flotten ausgeschüttete Gewinnbeteiligung wird durch den neuen Beitrag direkt wieder einkassiert.“ Das sei für die Kunden dann schwer verständlich. Schon für die Zukunft würde der immer stärker steigende Schadenaufwand eingepreist. „Flottenmanager, Versicherer und Versicherungsmakler sollten sich gemeinsam zusammensetzen und Schadenursachen ermitteln“, rät BDVM-Vizepräsidentin Julie Schellack. Zwar habe das in der Regel wenig Einfluss auf die aktuellen Prämienerhöhungen des Versicherers. Eingeleitete Schadenverhütungsmaßnamen könnten aber im nächsten Jahr wirken. „Die Flottenbetreiber haben ja selbst ein hohes Interesse daran Schäden zu vermeiden, damit keine Ausfallzeiten für die Fahrzeuge entstehen“, so Schellack.
Versicherer haben kein Personal
Nach Einschätzung des BDVM könnte es sogar sein, dass die vielen Ausschreibungen von Flotten am Markt von den Assekuranzen nicht bewältigt werden, denn der Maklerverband beklagt eklatante Personalengpässe bei den Assekuranzen. Das zeigt auch eine Umfrage zur Schadenregulierung, an der sich 149 BDVM-Unternehmen beteiligten. Mehr als ein Drittel der Befragten (36,9 Prozent) bewerteten die aktuelle Schadenbearbeitung mit der Schulnote „mangelhaft“; 11,4 Prozent der Befragten sogar mit der Note „ungenügend“.
Bessere Botschaften gibt es hingegen aus den Bereichen der Haftpflicht und des Managerschutzes. „Aktuell sind die Zeiten des harten Marktes beim Managerschutz vorüber“, stellte Experte Haukje fest. Die Versicherer würden hier wieder Mehrjahresverträge anbieten, den Schutz erweitern und die Prämien reduzieren. In der allgemeinen Haftpflicht könnten die Industrie- und Gewerbekunden überwiegend mit gleichbleibenden Prämien rechnen. „Es liegt Wettbewerb in der Luft“, betonte Haukje.
Cyberschutz mit mehr Wettbewerb
Entspannt ist die Situation zudem bei der Cyberversicherung. „Die Versicherer haben das Cyber-Risiko im Griff“, sagte Dr. Sven Erichsen vom Versicherungsmakler Finlex GmbH. Mehrere Kumulschäden hätten sich in ihren Auswirkungen als nicht so dramatisch dargestellt. Die Versicherer hätten gelernt, welche IT-Mängel zu Schäden führen würden und versicherten nur Unternehmen, die ihre IT-Sicherheit entsprechend aufgerüstet hätten. So sei es beispielsweise längst Standard die Mitarbeiter regelmäßig zu schulen und täglich ein Datenbackup zu erstellen, das vom Netz getrennt aufbewahrt werde.
Eine große Rolle bei der IT-Sicherheit würden zudem externe Scanns spielen. „Die Versicherer weisen dann ihre Kundinnen und Kunden regelmäßig auf entdeckte Schwachstellen hin. Das hilft den Unternehmen richtig in die IT-Sicherheit zu investieren“, erläuterte Erichsen. Durch neue Cyber-Versicherer und Assekuradeure in 2023 und 2024 sei der Wettbewerb zudem größer geworden. Der Bestand einer großen Assekuranz, die aus dem Markt ausgestiegen sei, wäre ohne Probleme schnell verteilt worden. Allein die Künstliche Intelligenz, mit der sogar die Bilder und Stimmen von Vorständen gefälscht werden könnten, sei ein neues, noch nicht einschätzbares Gefahrenpotential. „Wir haben aber den Eindruck, dass Cyberschutz nun auch bei den Unternehmen angekommen ist“, sagte Präsident Billerbeck. Wer Cyberschutz anbiete, könne heute fast immer mit dem Interesse des Managements rechnen.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek