Die private Krankenversicherung wächst weiter. Ein Kostentreiber ist allerdings der Versichererwechsel.
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Versicherungswesen hat Chefredakteur Marc Surminski erneut seine jährlichen Übersichten über die Geschäftszahlen der privaten Krankenversicherung (PKV) für das Jahr 2023 zusammengetragen.
Bruttoneuzugang rückläufig
Im vergangenen Jahr konnte die Branche mit 228.164 Personen einen um 11.336 Personen höheren Bruttoneuzugang als im Vorjahr verzeichnen. Allerdings fehlen wie schon in den Vorjahren Zahlen der Versicherer Arag, Axa, Bayerische Beamten, Gothaer und Union Kranken. Wieder enthalten sind Zahlen für den jungen Krankenversicherer Ottonova, der in 2023 einen Bruttoneuzugang von 1.571 Vollversicherten berichtet.
Die Gesamtzahl der Vollversicherten ist leicht um 0,1 Prozent auf gut 8,7 Millionen versicherte Personen gestiegen. Den Bestand deutlich steigern konnten Ottonova von geringer Basis um 40,3 Prozent auf 5.470 Personen, Arag um 20,8 Prozent auf 87.466 Personen sowie Concordia um 8,1 Prozent auf 20.171 Personen. Ansonsten herrschen überwiegend leichte Rückgänge vor.
In absoluten Zahlen die meisten neuen Vollversicherten hat wieder Marktführer Debeka eingeworben mit 70.540 Personen. Das sind 31 Prozent aller Neuversicherten zumindest derjenigen Versicherer, die der Zeitschrift für Versicherungswesen Zahlen angegeben haben.
Neben den Einnahmen steigen auch die Kostensätze
Auch die Beitragseinnahmen sind gewachsen. Die 32 Versicherer mit Vollversicherungsgeschäft verbuchten 47,3 Milliarden Euro im Jahr 2023, das sind 3,1 Prozent mehr als im Vorjahr.
Die Kosten sind allerdings auch gestiegen. Im (ungewichteten) Mittel verzeichneten die 30 Krankenversicherer, für die es auch Vergleichszahlen aus dem Vorjahr gibt, 2,5 Prozent der Beitragseinnahmen an Verwaltungskosten. Im Vorjahr waren es 2,4 Prozent. Die Abschlusskosten stiegen von 7,2 auf 7,8 Prozent. Bezieht man die FAMK und die Ottonova mit ein, sind es im Jahr 2023 sogar 2,6 Prozent Verwaltungs- und 8,1 Prozent Abschlusskosten gewesen.
Man kann es auch so rechnen: Für 4,4 Prozent mehr Neugeschäft der 30 Krankenversicherer mit Vorjahres-Vergleichsdaten stiegen die Abschlusskostenquoten um 8,9 Prozent. Neugeschäft einzukaufen ist kostenintensiv. Und offensichtlich gelingt es der PKV-Branche weiterhin nicht, durch eine effizientere Verwaltung und Digitalisierung die Verwaltungskosten zu drücken. Dabei hinkt sie der Gesetzlichen Krankenversicherung in mancher Hinsicht ohnehin hinterher – ein E-Rezept der PKV beispielsweise gibt es bisher nicht.
Umdeckerei beschleunigt
Neugeschäft ist oft tatsächlich Umdeckungsgeschäft, denn so viele Kunden kommen nicht mehr neu ins System der privaten Krankenversicherung. Dass kann man den Zahlen zur Portabilität von Alterungsrückstellungen ablesen. Hier verweigerten zwar erneut Axa, die Generali (früher: Central) sowie die LKH Angaben. Neu hinzu kam die Ottonova, allerdings nur mit sehr kleinen Beträgen.
Nachdem sich 2022 das Umdeckungsgeschehen etwas beruhigt hatte, zog es 2023 wieder an. Insgesamt gewannen die Krankenversicherer 4,6 Millionen Euro per Umdeckung von anderen Krankenversicherern, die in dieser Höhe Alterungsrückstellungen mitgeben mussten. Das sind rund 400 Millionen Euro oder 8,4 Prozent mehr als im Vorjahr.
Umgekehrt verloren die Versicherer 3,9 Millionen Euro, ein Plus von 10,4 Prozent. Dass die Summen gewonnener und verlorener Alterungsrückstellungen nicht identisch sind, kann nur darauf zurückzuführen sind, dass diejenigen Krankenversicherer, die keine Angaben zur Portabilität machten, in Summe 700 Millionen Euro mehr abgegeben als gewonnen haben dürften.
Millionenschwerer Verschiebebahnhof
Der größte Umdeckungsgewinner ist weiterhin die Hansemerkur, die 46,6 Millionen Euro Alterungsrückstellungen erhalten, aber nur acht Millionen Euro an andere Gesellschaften abgegeben hat. Netto gewann sie damit 38,6 Millionen Euro. Auf Platz zwei folgt die Arag, die netto 11,7 Millionen Euro mehr an Alterungsrückstellungen empfangen als abgegeben hat.
Den größten Nettoverlust verbuchte die DKV mit sieben Millionen Euro, die aus 3,1 Millionen erhaltener und 10,1 Millionen Euro abgegebener Alterungsrückstellungen resultieren. Dahinter musste die Debeka mit netto 5,5 Millionen Euro Minus den zweitgrößten Verlust verzeichnen, weil man zwar 6,1 Millionen Euro gewann, aber auch 11,6 Millionen Euro wieder herausgab.
Bedenklicher Trend beim Notlagentarif
Einen leichten Rückgang gab es bei der Anzahl der im Standardtarif versicherten Personen, ein Sozialtarif für ältere Versicherte, die sich ihre frühere Vollversicherung nicht mehr leisten können. Hier fehlen nur von der Continentale Angaben. Insgesamt verzeichneten die Krankenversicherer 51.006 Standardtarif-Versicherte, das sind 0,5 Prozent weniger als im Vorjahr.
Dafür gab es mehr Personen im Basistarif, einem weiteren Sozialtarif für eigentlich unversicherbare Personen oder solche, die ihren Beitrag nicht mehr zahlen konnten. Hierin sind 33.036 Personen versichert, 2,1 Prozent mehr als noch 2022.
Ein besonders kritischer Sozialtarif ist der Notlagentarif mit nochmals reduziertem Beitrag und stark reduziertem Versicherungsschutz für Personen, die dauerhaft keine regulären Beiträge mehr aufbringen können. Hier verweigerten neun Krankenversicherer die Angaben, Transparenz über Notlagenfälle ist wohl nicht überall erwünscht. Die Gesamtzahl der Notlagentarif-Versicherten bei den restlichen Gesellschaften stieg um 3,9 Prozent auf 48.910 Personen. Da unter den Verweigern allein vier der zehn größten Krankenversicherer sind, dürfte der Notlagentarif mit Abstand der am häufigsten vertretene Sozialtarif sein.
Alle in Sozialtarifen Versicherten zusammen machen derzeit mindestens 1,5 Prozent des gesamten Versichertenkollektivs in der Vollversicherung aus. Aufgrund der fehlenden Angaben könnten es eher um die zwei Prozent sein.
Angreifer werden selbst angegriffen
Eine Korrelationsanalyse zeigt interessante Zusammenhänge. Wer im Neugeschäft erfolgreich war, gewann zwar Alterungsrückstellungen hinzu, musste aber noch deutlicher abgeben. Die Angreifer werden also selbst vom Wettbewerb unter Druck gesetzt. Wer seinen Bestand an Vollversicherten ausbauen will, bezahlt dies zudem mit deutlich höheren Abschlusskosten.
Auffallend sind auch die deutlich positiven Korrelationen mit den Sozialtarifen – Versicherer mit viel Neugeschäft haben auch viele Personen im Bestand, die sich keine reguläre Vollversicherung leisten können.
Autor(en): Matthias Beenken