Arbeitsinvaliden erhalten bald eine deutlich höhere gesetzliche Rente. Die Eckpunkte der Reform hat jetzt die Deutsche Rentenversicherung (DRV) vorgestellt. Die Reform wird von der Arbeitgeberseite stark kritisiert. Grund: Erwerbsgeminderte Rentner erhalten mehr Geld als Rentner, die regulär in den Ruhestand gehen. Trotzdem sollten sich Arbeitnehmer auch künftig zusätzlich privat gegen Arbeitskraftverlust absichern.
Wer künftig aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, erhält ab 2019 eine deutlich höhere Erwerbsminderungsrente. Denn künftig wird fiktiv unterstellt, dass der Betroffene bis zum regulären Rentenbeginn hätte arbeiten können. „Während 2018 die Zurechnungszeit bei erstmaligem Bezug der Erwerbsminderungsrente noch bei 62 Jahren und drei Monaten liegt, wird sie für das kommende Jahr auf 65 Jahre und acht Monate erhöht“, erläuterte Alexander Gunkel (im Bild), der für die Arbeitgeberseite als alternierender DRV-Bundesvorstand fungiert. Für neu erwerbsgeminderte Rentner wird die fiktive Arbeitszeit im Jahre 2031 sogar bis zum vollendeten 67. Lebensjahr reichen.
Reform soll Armut verhindern
Grund für die Reform: Immer noch sind überproportional viele Arbeitsinvaliden auf ergänzende Grundsicherung angewiesen. Durch die Reform werden aber erwerbsgeminderte Rentner bessergestellt als diejenigen, die ab dem 62. Lebensjahr eine vorgezogene Altersrente erhalten. So gilt für Arbeitsinvaliden auch eine bessere Regelung bei den Rentenabschlägen. Gunkel: „Für einen Versicherten, der mit 63 oder 64 in Rente geht, kann die Monatsrente im Einzelfall um mehr als 100 Euro höher ausfallen, wenn er eine Erwerbsminderungsrente anstelle einer Altersrente beantragt.“
Boom für gesetzlichen Invalidenschutz erwartet
Der Rentenexperte erwartet daher künftig einen regelrechten Boom von Anträgen zur Erwerbsminderungsrente und einen deutlich höheren Verwaltungsaufwand. „Eine solche Prüfung ist natürlich legitim. Doch es ist oft auch für einen sozialmedizinischen Gutachter schwer, zu entscheiden, ob jemand nicht mehr arbeiten will oder es nicht mehr kann“, erläuterte Gunkel. Demgegenüber hält Annelie Buntenbach, die für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) den Vorsitz im DRV-Bundesvorstand innehat, die Reform für sozialpolitisch gerechtfertigt, um mögliche Altersarmut von erwerbsgeminderten Arbeitnehmern zu verhindern. Sie erinnerte daran, dass sich am schwierigen Zugang zur gesetzlichen Erwerbsminderungsrente nichts geändert habe. Sie hält diese Kriterien sogar für zu eng.
Zusätzlich privat absichern
Derzeit erhält nur derjenige eine volle Erwerbsminderungsrente, der er in keinem Beruf mehr als drei Stunden täglich arbeiten kann. „Der gesetzliche Arbeitsschutz bleibt auch nach der Reform nur eine Basisabsicherung. Ich halte es daher für sinnvoll, sich zusätzlich privat zu versichern“, sagte Gunkel. Er rät dies möglichst früh zu tun, wenn man noch gesund sei. Denn im Gegensatz zum gesetzlichen Kollektivschutz, ist privater Schutz nur nach einer Gesundheitsprüfung erhältlich. Wenn die private Berufsunfähigkeitsversicherung zu teuer ist, sollte eine private Erwerbsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen werden. Gunkel: „Ein geringerer privater Zusatzschutz ist immer noch besser als gar keine zusätzliche Absicherung.“
Der Berufsschutz in der gesetzlichen Rentenversicherung wurde bereits 2001 abgeschafft. Wer daher nach dem 2. Januar 1961 geboren wurde, hat nur noch Anspruch auf die gesetzliche Erwerbsminderungsrente. Sie lag im Jahre 2017 im Schnitt bei 716 Euro pro Monat.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek