Arbeitskraftschutz muss beraten werden. Das ist Fazit einer Expertendiskussion auf der Vermittlermesse DKM. Und dies zeigt auch das Umschwenken des Biometrie-Direktversicherungsmarktführers Hannoversche Lebensversicherung.
„Wachsen kann man in der Berufsunfähigkeitsversicherung nur über das vermittelnde Segment“, sagte Thomas Wüstefeld, Vorstand Vertrieb bei der Hannoverschen Lebensversversicherung. „Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eines der beratungsintensivsten Produkte das ich kenne und wird natürlich beim Berater verkauft und nicht über die Online-Schiene“, erläuterte der Vorstand die neue Strategie der Hannoverschen. Der Versicherer will nun als Biometriespezialist verstärkt mit Versicherungsmaklern zusammenarbeiten. Bisher hatte ein veraltetes Bestandführungssystem dies erschwert. „Jetzt kann arbeiten wir mit einer modernen Plattform über msg life, die ermöglicht, dass wir die hohen Anforderungen an Prozesse, Produkte und Provisionszahlungen auch hinbekommen“, so Wüstefeld auf der Veranstaltung „Business as usual in der BU – gut so?!“.
Hannoversche bietet Makler Online-Erfahrung
Seine Erfahrungen aus dem Online-Vvertrieb will der Lebensversicherer aus Hannover nun ins Maklergeschäft einfließen lassen. Beim Vertrieb der BU über den Direktkanal habe das Unternehmen einen Marktanteil von rund 70 Prozent. Wüstefeld: „Heute freuen wir uns über jeden Antrag aus dem B-und-B-Segment.“ Vermittlern könnte mit Tipps und Tricks, etwa mit einem besonderen Mailing aus der Direktversicherungserfahrung geholfen werden.
Trotzdem sucht die Branche noch nach dem Stein der Weisen. Denn mit der Durchdringungsquote sind die Experten nicht zufrieden. Im Trend liegt die Ansprache von jungen Menschen. Zudem könnte ein Preiskampf vor der Tür stehen. Die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) leidet nach Einschätzung der Experten weiterhin an der Durchdringung. „Bisher erreichen wir nur rund 25 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung“, erläuterte Michael Franke, Geschäftsführender Gesellschafter bei Franke und Bornberg Research. „Es gelingt uns nicht die BU in die Breite der Bevölkerung zu bringen, weil wir den Kunden sagen müssen, dass sie 30 Jahre Konsumverzicht leisten sollen“, sagte Jan-Peter Diercks von der Swiss Life. Dass die Produkte immer besser werden, helfe nicht bei der Durchdringung. Zudem würde es viel zu lange dauern, bis Innovationen in allen Maklervergleichsprogrammen implementiert wären.
Oft keine neutrale Schadenregulierungsprüfung
Kritik äußerte Analyst Franke daran, dass es bisher nur zehn Versicherer gäbe, die zu einer transparenten Schadenregulierungsuntersuchung bereit sind. „Mit harten Fakten einer fairen Schadenregulierung kann man die Medien überzeugen“, schätzt Franke. Denn es wäre besser, wenn eine neutrale Partei die Leistungsregulierung kontrolliere, statt des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Immerhin müsste sich die Branche mit Regulierungsquoten von 75 bis 85 Prozent nicht verstecken.
Da das Leistungsniveau in der BU auf hohem Niveau ist, befürchten die Experten, dass künftig immer mehr der Preis im Wettbewerb eine dominante Rolle spielen könnte. „Bei gut bewerteten Produkten gibt es bei einigen Vermittlergruppen den Zuschlag über den Preis“, so Diercks. Die Durchdringung zu erhöhen, ist nach Einschätzung von Stephan Leppertinger von der Allianz Lebensversicherung eine Daueraufgabe, für die sich die Branche insgesamt einsetzen müsste. So sollten Mythen, wie „einmal eine Therapie gemacht, nie wieder versicherbar“, bekämpft werden. „Psychische Erkrankungen führen längs nicht mehr direkt zu Ablehnung. Hier ist einiges passiert“, erläuterte Leppertinger.
Ansprache von jungen Leuten im Trend
Der Experte rät zudem, den Schutz sehr kundenspezifisch zu kommunizieren und schon junge Menschen über soziale Medien, wie TikTok zu sensibilisieren. Nach Einschätzung der Diskutanten ist es am Markt längst üblich, schon Schüler und Studenten auf die Arbeitskraftabsicherung anzusprechen. Analyst Franke rät den Vermittlern keine BU-, sondern eine Segmentberatung zu machen. „Reden Sie über die Bedeutung der Arbeitskraft und stellen Sie fest, ob es einen Bedarf gibt“, sagte Franke. Danach sollte erst eine automatische Gesundheitsprüfung, etwa über „versdiagnose“, angestoßen werden. So wisse der Vermittler, welche Versicherbarkeit möglich ist und könne zur BU-, Erwerbsunfähigkeits- oder Grundfähigkeitsversicherung beraten. „Dann können zudem die Vor- und Nachteile der Produkte erläutert werden“, so Franke.
Gut soll das BU-Geschäft laut Diercks in den Konsortien Metallrente und Klinikrente laufen. „Die Betreuer sind sehr zufrieden.“ Die Gewerkschaften würden den Arbeitskraftschutz ebenfalls kommunizieren. Immerhin würden so rund 17 Millionen Gewerkschaftsmitglieder angesprochen. Wer seine BU über die Konsortien kaufe, erhält einen Prämiennachlass von drei Prozent gegenüber den privaten Tarifen. Eine Durchdringungsquote konnte Diercks aber nicht nennen.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek