Die Kostenschere wird immer größer

Als ziemlich abgefahrene Situation bezeichnen Experten das derzeitige Wettbewerbsgetöse der Autoversicherer. Mit neuen Kfz-Versicherungstarifen zu Dumpingpreisen soll die Jagd auf geschätzte vier Millionen wechselwillige Kunden spätestens im Herbst beginnen. „Über Preiswettbewerb wird keine Erhöhung des Marktanteils erreicht“, ist sich allerdings Dr. Michael Pickel, Vorstand bei einem der größten deutschen Kfz-Rückversicherer, der E+S Rückversicherungs-AG, sicher.

Schon im September 2004 hatte der Marktführer Allianz mit einer Kampfansage durch spezielle „Light-Tarife“ für Bedienstete im öffentlichen Dienst eine neue Preisoffensive eingeläutet. Zuvor hatten die Mitbewerber Huk-Coburg - im Ranking auf Platz zwei - und der Autoversicherer des Axa Konzerns der Allianz rund 200.000 Kfz-Versicherungsverträge abgejagd.

Michael Pickel, der zum Thema „Marktbeobachtungen als Rückversicherer auf dem K-Markt“ bei der jüngsten Handelsblatt-Konferenz in Köln sprach, zeigte wenig Verständnis für die neue angekündigte Preisschlacht. Der Markt biete nur noch ganz geringe Wachstumschancen, also laufe alles auf einen Verdrängungswettbewerb hinaus, der mehr Geld koste als er einbringe. Pickel: „Eine bedarfsorientierte Tarifierung ist zwingend erforderlich, damit trotz des bereits gestarteten Preiswettbewerbs weiterhin Erträge in der K-Sparte erwirtschaftet werden können“.

Schon jetzt zeichne sich deutlich ab, dass es Ende 2005 nur geringfügig mehr Autoversicherungsverträge geben werde. Und es stehe fest, dass erstmals auch wieder weniger Geld in den Kassen der K-Versicherer komme. Die Prognose: Rückgang der Beitragseinnahmen um 2,5 Prozent.

„Die Marktlage gibt Anlass zur Überprüfung, ob im Kfz-Versicherungsgeschäft alles mit rechten Dingen zugeht“, lautete die provozierende Aussage des Rückversicherungs-Experten. Für seine Zunft wichtig, sei zwar ein Rückgang der Schadenhäufigkeit im Kfz-Versicherungsgeschäft festzustellen, gleichzeitig verteuere sich aber auch jeder Schadenfall. Das sei besonders auffällig, wenn Personenschäden hinzukämen.

Pickel wies darauf hin, dass die Feststellung sinkender Unfallzahlen mit höher dotierten Personenschäden nur beschränkt aussagefähig sei, weil die vom Gesamtverband vorliegenden Marktzahlen auf so genannten Meldejahren basieren. Aussagefähiger seien jedoch die Anfalljahre für das Kostenmanagement und die Rückstellungen. Man müsse wissen, dass Marktzahlen lediglich die Erstreservierung präsentieren - Reserveanpassungen werden nicht berücksichtigt.“

Der Weg in die Krise sei vorgezeichnet. Die Komponenten, aus denen sich die Preisfindung für Kfz-Versicherungstarife zusammensetzt, verschieben sich nach Pickels aussagen. Der Sachschadenanteil werde abnehmen. Außerdem müsse man beispielsweise für den Kostenanteil bei einem KH-Personenschaden in punkto Verdienstausfall immer noch 32 Prozent ansetzen - nach 35,4 Prozent vor fünf Jahren. Dieser Anteil werde sich weiter reduzieren. Allerdings dürfe man den derzeit noch 28-prozentigen Anteil für Pflegekosten auch nicht unterschätzen. Die Pflege-Versicherung wirke hier stark kostentreibend. Auch die Position der Heilbehandlung, derzeit zehn Prozent Anteil an der Berechnungsgrundlage, sei künftig verstärkt als Kostentreiber anzusehen. Und: Die Komponente Schmerzensgeld werde zunehmend wichtiger. Es gebe kaum noch Gerichtsurteile nach Verkehrsunfällen ohne Schmerzensgeld - auch finanziell in wachsender Höhe - wie hierzulande ein erstes Urteil zeige, bei dem mehr als 500.000 Euro zugesprochen worden sind.

Fazit: Die Kostenschere bei den Autoversicherern vergrößert sich zunehmen. In wie weit sich steigende Kosten und preiswertere Tarife vereinbaren lassen und kostendeckendes Geschäft zulassen, muss stärker denn je beachtet werden.

Autor(en): Ellen Bocquel

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