Ein privat Krankenversicherter wollte Schadenersatz von seinem Makler wegen falscher Beratung beim Versichererwechsel. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm sah das anders.
Das Oberlandesgericht Hamm (Beschluss vom 5. Dezember .2018, Az. 20 U 146/18, VersR 2019, 1076 f., Volltext siehe Justiz NRW-Portal) hat beschlossen, eine Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Bochum (Az. 3 O 10/18) zurückzuweisen. Daraufhin nahm der Kläger die Berufung zurück, das Urteil des Landgerichts wurde rechtskräftig.
Misslungener Versichererwechsel
In dem Verfahren ging es um einen Versichererwechsel in der privaten Krankenvollversicherung. Der neue, von einem Makler vermittelte Vertrag wurde vom Versicherer gekündigt und angefochten wegen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Daraufhin wollte der Kunde vom Makler Schadenersatz.
Nach Aussagen des Kunden hatte der Makler die Gesundheitsfragen im Auftrag des Kunden ausgefüllt und diese nicht im Einzelnen mit dem Kunden durchgesprochen. Angeblich sei gesagt worden, dass nur Operationen anzugeben seien, die innerhalb des letzten Jahres stattgefunden haben. Darüber hinausgehende Gesundheitsprobleme seien zwar zur Sprache gekommen, aber vom Makler für nicht relevant erklärt worden. Der Kunde habe dem Makler blind vertraut und den Antrag ungeprüft unterschrieben. Der Beratungsfehler liege darin, dass der Kunde den vorherigen Vollversicherungsvertrag nicht gekündigt hätte, wäre er richtig beraten worden.
Keine Beratungsdokumentation
Eine weitere Besonderheit des Falls war, dass es keine Beratungsdokumentation gab. In solchen Fällen geht die obergerichtliche Rechtsprechung zunehmend von einer faktischen Beweislastumkehr aus. Das heißt, dass bei fehlender oder fehlerhafter Beratungsdokumentation die Annahme im Raum steht, dass der zur Dokumentation verpflichtete Vermittler keine oder keine richtige Beratung erbracht hat. Dass er dies dennoch getan hat, muss er anschließend beweisen, was ohne aussagekräftige Beratungsdokumentation meist aussichtslos sein dürfte.
Hier aber lag der Fall ganz anders. Wie in solchen Fällen üblich, musste zunächst der klagende Kunde beweisen oder glaubhaft machen, dass der Makler die behauptete Pflichtverletzung begangen hat. Das gelang offenbar "nicht in Zweifeln Schweigen gebietender Weise", so die Urteilsbegründung.
Antragsfragen müssen nicht dokumentiert werden
Bei einer behaupteten Beratungspflichtverletzung wäre es jetzt auf die Beratungsdokumentation angekommen, und deren Fehlen wäre ein wichtiges Indiz gegen den Makler gewesen. Aber: Nach Meinung der Gerichte ging es hier im Kern gar nicht um die Beratung, sondern um die Antragsaufnahme, bei der eine Pflichtverletzung behauptet wurde. Und eine Antragsaufnahme muss nicht besonders dokumentiert werden, denn die zu beantwortenden Fragen ergaben sich gerade aus dem Antrag selbst.
Somit schied auch die bei behaupteten Beratungsfehlern übliche, faktische Beweislastumkehr aus, der Makler musste also keinen Gegenbeweis antreten, die Gesundheitsfragen richtig erläutert sowie die Kundenangaben bei der Antragsaufnahme richtig erfasst und umgesetzt zu haben.
Verletzung der Dokumentationspflicht trotz IMD und IDD
Das Urteil lässt verschiedene Schlüsse zu. Zum ersten ist es erstaunlich, dass allen Europäischen Richtlinien (Vermittlerrichtlinie IMD und Vertriebsrichtlinie IDD) zum Trotz selbst bei einem so kritischen Vorgang wie einem Wechsel der Krankenvollversicherung Makler ihren Pflichten nicht nachkommen und die Beratung nicht dokumentieren. Das lässt sich wohl kaum mit dem Anspruch eines treuhänderähnlichen Sachwalters vereinbaren, der sorgsam die bestmöglichen Interessen des Kunden abwägt und prüft, ob diese meist unumkehrbare Entscheidung für ein Leben als Krankenversicherter gut überlegt ist. Selbst wirtschaftlich ist dies angesichts der recht hohen Abschlusscourtage nicht nachvollziehbar, die der beklagte Makler an dem Wechsel verdient haben dürfte.
Zweitens zeigt das Urteil, dass es falsch ist Maklern eine übermäßige Angst vor Haftungsfolgen einzureden. Wenn selbst ein so gravierendes Fehlverhalten wie ein offenkundig sorgloser Umgang sowohl mit der Beratungs- und Dokumentationspflicht als auch mit der Ausfüllung von Gesundheitsfragen zu keinen Konsequenzen führt, scheint die Maklerhaftung auch weiterhin ein überschaubares unternehmerisches Risiko zu sein. Lediglich im Kernbereich der Maklertätigkeit, der Beratung, sollten sich Makler wegen der dort drohenden, faktischen Beweislastumkehr mehr Mühe geben und den tatsächlichen Hergang einer Beratung auch dokumentieren.
Nicht blind unterschreiben - besonders nicht beim Makler
Drittens muss man Kunden vorhalten, dass sie sich nicht blind auf ihre Vermittler verlassen sollten, selbst wenn sie Makler sind. Einen so wichtigen Antrag wie den zur Krankenvollversicherung angeblich ungelesen unterschrieben zu haben, ist schlicht fahrlässig.
Viertens wäre die in diesem Verfahren nicht relevante Frage interessant, wie der Fall wohl ausgegangen wäre, wenn der Vermittler ein Versicherungsvertreter und kein Versicherungsmakler gewesen wäre. Immerhin muss sich ein Versicherer die Kenntnisse seines Vertreters laut § 70 VVG zurechnen lassen - als "Auge und Ohr" des Versicherers. Es ist müßig zu spekulieren, wie das Ergebnis in diesem konkreten Einzelfall gelautet hätte, aber ganz generell sollten Kunden sich durchaus dessen bewusst sein, dass sie nicht in jeder Situation beim Makler besser aufgehoben sind als beim Vertreter. Für Makler bedeutet das, dass sie nicht allein kraft ihres Maklerstatus etwas Besseres sind als Vertreter, wie es das Eigenmarketing gerne suggeriert. Da müssen sie schon mehr leisten, als es ihr Standesgenosse in diesem Streitfall getan hat.
Autor(en): Matthias Beenken