Deutsche ignorieren Pflegerisiko weitgehend

Es klafft eine große Lücke zwischen den tatsächlichen Pflegekosten und den staatlichen Leistungen. Das Defizit der gesetzlichen Pflegeversicherung (GPV) belief sich 2005 auf 360 Millionen Euro, Tendenz stark steigend. Obwohl 40 Prozent der Bürger eine private Zusatzversicherung für notwendig halten, haben erst rund 850.000 Menschen zusätzlich privat vorgesorgt. Vielen dämmert immerhin, dass im Vermögensaufbau (48 Prozent) sowie im Abschluss einer privaten Pflegeversicherung (42 Prozent) die beste Absicherung besteht.




Während die älteren Bürger dabei auf Sparen bzw. Immobilienerwerb setzen, favorisieren die Jugend und die 30- bis 44-Jährigen die private Pflege-Zusatzversicherung, geht aus der Studie hervor. Insgesamt jeder Zehnte konnte jedoch keine Angabe machen, ob und wie er finanzielle Vorsorge für den Pflegefall plane - darunter 20 Prozent der befragten mit weniger als 1.000 Euro Haushaltsnettoeinkommen im Monat.

Statt auf Kapital wird immer noch auf menschliche Tatkraft innerhalb der Familie gesetzt - eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Noch gilt die Familie als eine große Stütze des Pflegesystems: 73 Prozent der Befragten möchten im Ernstfall von Angehörigen betreut werden. Rund drei Viertel wollen solange wie möglich in den eigenen vier Wänden bleiben. 27 Prozent würden zu ihren Kindern ziehen. Freunden sowie anderen Angehörigen will die Mehrheit nicht zur Last fallen. 70 Prozent der Befragten sind auch bereit, die Pflege der nächsten Verwandten zu übernehmen. Dennoch werden Angehörige künftig immer häufiger für die Betreuung ausfallen. Aktuell werden zwei Drittel der Pflegebedürftigen noch zu Hause betreut, Tendenz seit 1999 stark fallend. Die sinkende Geburtenrate, die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen sowie die wachsende Mobilität im Beruf führen dazu, dass bereits leichte Pflegefälle stationär in einem Alters- oder Pflegeheim aufgenommen werden müssen. Die Nachfrage nach vollstationärer Dauerversorgung innerhalb der Pflegestufe I hat seit 1999 um mehr als 20 Prozent zugenommen. Auch die Leistungen von ambulanten Pflegediensten werden stärker in Anspruch genommen (+ acht Prozent). Der Trend geht also zur professionellen Pflege.

Mit der zunehmenden Inanspruchnahme professioneller Pflegedienste steigen die Kosten für Personal und Einrichtungen, zugleich herrscht akuter Mangel an Pflegekräften. Zwei Drittel der Befragten gehen davon aus, dass die wachsenden Ausgaben durch die GPV nur zu einem geringen Teil oder gar nicht getragen werden. Die Leistungen der Pflegekasse werden laut Studie als unzureichend eingestuft. Trotzdem setzt sich die Eigenvorsorge durch eine private Zusatzversicherung nur langsam durch. Obwohl vier von zehn Befragten eine private Pflegeversicherung durchaus als sinnvoll einschätzen und die Nachfrage zunimmt, liegt der Anteil der Bürger mit privatem Pflegeschutz im Vergleich zu Zusatzschutz gegen Krankheit noch auf niedrigerem Niveau. Laut PKV-Verband verfügen 787.100 Personen über eine private Pflegezusatzversicherung (Stand: Ende 2004). Zum Vergleich: Die Anzahl der Personen mit einer stationären Kranken-Zusatzversicherung für Chefarztbehandlung und Unterbringung in Ein- und Zweibettzimmern lag bei 4,8 Millionen.

Die Kostenmisere wirkt sich auch auf die Beurteilung der Qualität von Pflege- und Altenheimen aus: Bei 62 Prozent der Befragten schneiden Heime schlecht oder sogar sehr schlecht ab. Ambulante Pflegedienste, Hospize, Altenwohngemeinschaften und Angebote für betreutes Wohnen beurteilt die Mehrheit hingegen positiv. Bemerkenswert ist: Obwohl Alten- und Pflegeheime einen schlechteren Ruf haben als andere Pflegeeinrichtungen, ist ein Viertel der Befragten bereit, als Pflegefall in ein Alten- oder Pflegeheim zu ziehen. Dabei ist ein Großteil allerdings ohne Illusion und geht aus, dass die Würde der Pflegebedürftigen künftig immer weniger Beachtung finden wird.

Autor(en): Detlef Pohl

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