Der Streit um die lebenslange Rente

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Ungewöhnlich scharf streiten die Lobbyverbände BVI und GDV öffentlich zum Thema Altersvorsorgedepot. Jetzt liegt der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Reform der privaten Altersvorsorge vor.

Die Pläne des Bundesfinanzministeriums haben, wie zu erwarten war, unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Die Vermittlerverbände äußerten sich weitgehend positiv. Die Versicherer sind sauer, weil der Entwurf keine lebenslangen Leistungen enthalten muss. Der deutsche Fondsverband BVI begrüßt genau das und spricht von einem Paradigmenwechsel in der privaten Altersvorsorge. Der Bund der Versicherten (BdV) kritisiert beide Verbände.

An den Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) gerichtet: Garantien seien bei langfristigem Sparen unnötig. Der Fondsverband BVI müsse sich vorhalten lassen, bei den Kosten- und Renditeangaben nicht sauber zu argumentieren, denn hinter den genannten Durchschnittswerten versteckten sich massive Unterschiede im Einzelfall je nach gewähltem Fonds.

Eine Alternative zur Riester-Rente

Zentraler Bestandteil des geplanten Gesetzes soll ein staatlich gefördertes Altersvorsorgedepot sein. Verbraucher sollen damit in kapitalmarktbasierte Produkte wie Fonds und ETFs investieren können – ohne den Zwang zur lebenslangen Verrentung oder Kapitalgarantien. Es sollen Auszahlungspläne zugelassen werden, sofern diese Zahlungen bis zum 85. Lebensjahr gewährleisten. Alle Produkte sollen zertifiziert werden. Mit dem Plan soll eine renditestärkere und flexiblere Alternative zur bisherigen geförderten privaten Altersvorsorge, vor allem der Riester-Rente, geschaffen werden. Neben dem Altersvorsorgedepot sollen auch künftig so genannte Garantieprodukte mit unterschiedlichen Garantieniveaus förderfähig sein. Die Erträge aus den Vorsorgeprodukten sollen erst in der Auszahlungsphase versteuert werden, damit die Sparer vom Zinseszinseffekt profitieren können.

Wie dies staatliche Förderung aussehen soll

Alles in allem wird der Staat bei der Umsetzung der Pläne die Bürger adäquat fördern. Der Referentenentwurf sieht vor, dass der Staat für jeden Euro, den ein Bürger in ein Altersvorsorgedepot einzahlt, 20 Cent beisteuert. Die Obergrenze liegt bei 3.000 Euro jährlich, mindestens 120 Euro pro Jahr müssen angelegt werden. Ab 2030 sollen Eigenbeiträge bis zu 3.500 Euro steuerlich geltend gemacht werden dürfen. Eltern mit Kindern, Sparer unter 25 Jahren und Bundesbürger, deren jährliches Bruttogehalt unter 26.250 Euro liegt, sollen zusätzlich gefördert werden.

Der Kampf der Lobby-Giganten

Im Spätsommer eskalierte dann der Streit zwischen BVI und GDV. Nach der Veröffentlichung des Referentenentwurfs ging der Konflikt weiter. Hauptstreitpunkt ist die Frage, ob die Auszahlungen in fast allen Fällen bis zum Lebensende reichten (BVI) oder nicht (GDV). Ausgangspunkt war eine vom BVI veröffentlichte Studie, nach der eine von ihm so genannte „Fondsrente“ fast bei allen Sparern bis zum Lebensende ausreiche. Denn diese Fondsrente sei ohnehin nur eine Zusatzleistung.

GDV sieht Mogelpackung „Fondsrente“

Die Versicherer reagierten barsch: „Fondsanbieter präsentieren Mogelpackung zur so genannten Fondsrente“, erklärte der GDV. Bereits die in der Studie gewählte Bezeichnung „Fondsrente“ sei irreführend. Es handle sich schlicht um einen Fonds-Auszahlplan. Eine echte Altersrente sei eine garantierte, meist monatliche Zahlung während des Ruhestandes bis ans Lebensende. Der GDV habe die Annahmen der Studie überprüft und stellt fest, dass der BVI mit sehr hohen Renditen und einer verkürzten Lebenserwartung rechne. So entstehe der falsche Eindruck, dass das Geld in den meisten Fällen bis zum Lebensende reiche.

Die Deutsche Aktuarvereinigung sprang dem GDV bei: Ein Entnahmesparplan sei keine Rente und dürfe daher auch nicht als solche bezeichnet werden. Echte Alterssicherung gelinge nach Auffassung der Aktuare nur mit lebenslangen Renten.

Für AfW qualifizierte Beratung notwendig

Norman Wirth vom AfW-Verband, der sowohl die Interessen von Versicherungsmaklern als auch von Finanzanlagenvermittlern vertritt, sieht in der Einführung eines Altersvorsorgedepots einen richtigen Schritt. Mit dem darin enthaltenen Altersvorsorgedepot würde eine renditestarke und flexible Alternative zu bisherigen Fördervarianten geschaffen werden, die insbesondere jüngere Sparer anspreche. Berufseinsteiger und Menschen mit niedrigem Einkommen würden besonders von den Reformen profitieren. Gleichzeitig werden weiterhin auch bewährte Produkte wie Leibrenten mit 100 oder 80 Prozent Kapitalgarantie gefördert (Riester-Rente), was eine breite Produktvielfalt sicherstelle.

Der Verband betont jedoch auch die Notwendigkeit, die damit einhergehenden Risiken klar zu kommunizieren. Dazu gehörten vor allem die Volatilität der Kapitalmärkte, fehlende Garantien für Kunden, die auf eine sichere Zusatzrente angewiesen sind, und das Fehlen biometrischer Absicherungen, wie sie bei klassischen Rentenversicherungen üblich sind. Soweit vorgesehen sei, dass Verbraucher Anlageentscheidungen beim vorgesehenen Referenzdepot ohne qualifizierte Beratung treffen könnten, sei das problematisch.

Flexiblere Auszahlungsphase als praxisorientierte Lösung

Nach diesem Theaterdonner stelle ich mir die Frage, ob es nur ein Entweder-oder geben muss. Viel sinnvoller erscheint doch ein Sowohl-als-auch. So forderte etwa Frank Schepers, Global Leader Insurance Consulting and Technology WTW, beim Altersvorsorge-Forum 2024 der Aeiforia GmbH, dass die Produkte flexibler als eine Leibrente und sicherer als reine Fondssparpläne sein sollten. Und Martin Stenger von Franklin Templeton Investments möchte, dass Berater zu Managern von Zahlungsströmen gerade in der Ruhestandsphase werden. In der Ruhestandsplanung gehörten Leibrenten ebenso dazu wie Bestände in Investments.

Fest steht aus meiner Sicht: Eine flexiblere Gestaltung der Auszahlungsphase ist nichts Böses, sondern entspricht den Bedürfnissen vieler Menschen. Wichtig ist dazu jedoch eine qualifizierte Beratung, damit Menschen mit 85 Jahren nicht unerwartet ohne Geld dastehen.

Autor(en): Bernhard Rudolf

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