Willkommen im Gabler Versicherungslexikon



Versicherungslexikon

Qualitätsgeprüftes Wissen + vollständig Online + kostenfrei: Das ist das Gabler Versicherungslexikon auf versicherungsmagazin.de

Jetzt neu: Die 2. Auflage wurde komplett überarbeitet und um über 400 neue Begriffe ergänzt.

Versicherungsnachfrage

1. Begriff: Jene Menge an Versicherungsschutz, die bei einem bestimmten (bekannten oder erwarteten) Preis von einem oder mehreren Wirtschaftssubjekt(en) gekauft wird. Dabei muss v.a. zwischen potenzieller und effektiver Nachfrage unterschieden werden. Unter potenzieller (latenter) Nachfrage ist der Sachverhalt zu verstehen, dass beim Preis von null die Nachfrage (theoretisch) unendlich groß ist. Die effektive Nachfrage ist jene, die tatsächlich realisiert wird (kaufkräftige, wirksame Nachfrage). Durch geeignete Aggregation über die Wirtschaftssubjekte kumuliert sich die individuelle Nachfrage zur Marktnachfrage und (volkswirtschaftlichen) Gesamtnachfrage. Unter der Nachfragefunktion ist i.Allg. der funktionale Zusammenhang zwischen der nachgefragten Menge eines Gutes und seinem Preis (bei gegebenem Einkommen) zu verstehen. Dabei gilt i.d.R. – häufig auch als „Gesetz der Nachfrage“ bezeichnet –, dass der Umfang der Nachfrage mit sinkendem Preis steigt und umgekehrt (vgl. Preiselastizität (der Nachfrage)). Wird dagegen die nachgefragte Menge der Güter in Abhängigkeit vom Einkommen (bei Konstanz der Preise) untersucht, ergibt sich die Einkommens-Nachfrage- oder Einkommens-Konsumfunktion. Hier gilt i.Allg. analog, dass die nachgefragte Menge mit dem Einkommen steigt (vgl. Einkommenselastizität (der Nachfrage)). Um aus der Präferenzstruktur, den Preisen und dem Einkommen bzw. Vermögen solche Regelmäßigkeiten ableiten zu können, muss Rationalverhalten der Nachfrager bzw. Nutzenmaximierung unterstellt werden (vgl. Konsum). Direkt nachgefragt werden Konsumgüter; sie dienen der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung. Die Nachfrage nach sonstigen Gütern oder sonstigen wirtschaftlichen Objekten (z.B. Wertpapieren) muss als abgeleitete Nachfrage aufgefasst werden. Dies gilt auch für das Wirtschaftsgut Versicherung. Diese Güter (Wertpapiere, Versicherungsschutz, Geld u.a.) werden nur gehalten oder nachgefragt, weil sie inter- und intratemporale Umverteilungen von Konsummöglichkeiten erlauben.

2. Determinanten der Versicherungsnachfrage: Die Versicherungsnachfrage hängt von verschiedenen Rahmenbedingungen ab. Einerseits handelt es sich um Faktoren der (sozialen) Umwelt: Gefahren des Lebens, Gestaltungsmöglichkeiten von Versicherungsverträgen, Versicherungsprämien, Preise der anderen Sicherungsgüter, moralische und ethische Regeln. Andererseits liegen die Determinanten der Versicherungsnachfrage im individuellen Bereich: Temperament, Furcht, Erfahrungen, Informationen über Risikomerkmale und Konsequenzen alternativer Handlungen, personelle Zusammensetzung des Haushalts, Höhe und Struktur des Einkommens und des Vermögens. Während die eher objektiven Faktoren das Versicherungspotenzial bestimmen, werden die eher subjektiven Faktoren in der Risiko-Nutzenfunktion („Erwartungsnutzenfunktion“) erfasst. Diese wird wesentlich vom Risikoverhalten bzw. von der Sicherheitspräferenz oder Risikoaversion geformt. Aus dem Zusammenspiel aus objektiven und subjektiven Determinanten ergibt sich – unter der Annahme der Nutzenmaximierung – die individuelle Versicherungsnachfrage. Wieder kann durch geeignete Aggregation über die Wirtschaftssubjekte und/oder Versicherungsarten die Marktnachfrage bzw. die Gesamtnachfrage gewonnen werden.

Autor(en): Professor (em.) Dr. Dr. h.c. Roland Eisen

 

260px 77px