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Sonderbeauftragter

1. Begriff: Von der Aufsichtsbehörde im Versicherungsunternehmen eingesetzte Person mit Organbefugnissen.

2. Hintergründe: Die Aufsichtsbehörde kann Befugnisse, die den Organen eines Versicherers nach Satzung, Gesetz oder Geschäftsordnung zustehen, ganz oder teilweise auf einen Sonderbeauftragten übertragen (§ 307 VAG). Sie kann durch Verwaltungsakt nicht nur den Vorstand (bei einer Niederlassung eines ausländischen Versicherers den Hauptbevollmächtigten), sondern auch die anderen Organe, also den Aufsichtsrat und die Hauptversammlung bzw. beim Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) die oberste Vertretung (Oberstes Organ) ersetzen. Bei öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen tritt an die Stelle des Vorstands das entsprechende Geschäftsführungsorgan und an die Stelle des Aufsichtsrats das entsprechende Überwachungsorgan. Ähnliches gilt für die geschäftsführenden Direktoren und Verwaltungsratmitglieder der Societas Europaea (SE). Kommt die Aufsichtsbehörde zu dem Ergebnis, dass nur ein Vorstandsmitglied versagt hat, kann der Sonderbeauftragte auch nur für dieses Mitglied bestellt werden. Das folgt schon aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den die Aufsichtsbehörde immer, so auch hier, zu beachten hat (vgl. auch den neuen, wohl unnötigen, weil schon immer selbstverständlichen § 296 VAG).

3. Historie: Die Einrichtung des Sonderbeauftragten wurde bereits in den 1930er Jahren geschaffen. Rechtlich war es damals noch nicht möglich, den Vorstand z.B. direkt abzusetzen. Das übliche Verfahren, die zuständigen anderen Organe aufzufordern, den Vorstand zu ersetzen, war eine u.U. zu zeitaufwendige Prozedur, wenn schnelle Entscheidungen im Interesse der Versicherten getroffen werden mussten; das galt insbesondere dann, wenn das für die Abberufung zuständige Organ sich weigerte, dem Verlangen der Aufsichtsbehörde zu folgen, oder wenn gar ein solches Organ gar nicht (mehr) existierte.

4. Kosten: Die dem Sonderbeauftragten zu gewährende Vergütung hat das Unternehmen zu tragen. Sie wird der Höhe nach von der Aufsichtsbehörde festgesetzt. Die Aufsichtsbehörde schießt die Auslagen und die Vergütung auf Antrag des Sonderbeauftragten vor (§ 307 III VAG). Wegen der Haftungsbeschränkung für den Sonderbeauftragten siehe § 307 IV VAG.

Autor(en): Dr. Helmut Müller

 

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