Marktrisiken
1. Begriff: Risiken aus der Veränderung von Marktwerten oder Friktionen bei der Liquidierung von Positionen. In der Versicherungswirtschaft üblicherweise die Bezeichnung für die aus der Volatilität der Kapitalmärkte resultierenden Risiken der Vermögensanlage.
2. Merkmale: Meist werden folgende Risiken unter den Marktrisiken zusammengefasst: a) die Risiken von Preisschwankungen von Aktien, Immobilien und Beteiligungen,
b) die Risiken von Zinsbewegungen nach oben oder unten,
c) die Risiken von Preisänderungen für übernommene Kreditrisiken aufgrund von generellen Veränderungen der Markteinschätzung oder von Bonitätsänderungen einzelner Emittenten (sog. Spread-Risiko, siehe auch Spread),
d) Währungsrisiken,
e) Kumulrisiken aus mangelnder Streuung der Kapitalanlagen.
3. Quantifizierungsmodelle: Meist werden Marktrisiken, denen ein Versicherungsunternehmen ausgesetzt ist, mit Hilfe von Kapitalmarktmodellen quantifiziert, die die Simulation der langfristigen Bilanzentwicklung für eine große Zahl unterschiedlicher Kapitalmarktszenarien erlauben. Aus der Verteilung der Barwerte möglicher Fehlbeträge im Vergleich zum vorhandenen Eigenkapital lassen sich Aussagen zur Resistenz des Unternehmens gegenüber bestimmten Marktrisiken und Impulse zur Risikoreduktion ableiten. In dem für Solvency II vorgesehenen Standardmodell werden verschiedene negative Szenarien vorgegeben, die mit einer theoretischen Eintrittswahrscheinlichkeit von weniger als 0,5 % überschritten werden. Für die Beherrschung dieser Szenarien müssen die Unternehmen jeweils ausreichende Eigenmittel vorhalten.
4. Ziel und Methoden: Zur Beherrschung der Marktrisiken wird z.B. in der Lebensversicherung versucht, durch Veränderung von Anlage- und Laufzeitstrukturen und ggf. auch durch die Reduktion von Garantiezusagen im Neugeschäft das Asset-Liability-Mismatch-Risiko in einem vorgegebenen Rahmen zu halten.
5. Probleme: Die Quantifizierung der Marktrisiken wird maßgeblich von dem verwendeten Kapitalmarktmodell, der angenommenen Volatilität der Kapitalmärkte und den unterstellten Korrelationen für die Wertentwicklung verschiedener Assetklassen mitbestimmt. Praktisch sind die Möglichkeiten einer Verminderung der Marktrisiken oft auch durch die begrenzte Verfügbarkeit langfristiger festverzinslicher Wertpapiere in Verbindung mit den extrem langfristigen Garantien vieler Lebensversicherungsprodukte begrenzt. Aus methodischer Sicht ist es bedauerlich, dass in den zurzeit diskutierten Modellen für Solvency II das Volatilitätsrisiko nicht explizit adressiert wird.
Autor(en): Norbert Heinen