Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens
1. Begriff: Pflicht zur vertragsgemäßen Leistungserbringung des Versicherungsunternehmens gegenüber dem Versicherungsnehmer bzw. den Bezugsberechtigten. Als Hauptpflicht hat das Versicherungsunternehmen die Versicherungsleistung zu erbringen.
2. Details: Streitig ist, was unter dieser Versicherungsleistung zu verstehen ist. Dabei stehen sich die Gefahrtragungs- und die Geldleistungstheorie gegenüber. Beide vermögen zur Erklärung des Rechtsprodukts Versicherung beizutragen. Nach der Gefahrtragungstheorie bildet die Gefahrübernahme (Risikotransfer) die Hauptleistung. Diese Leistung erbringt das Versicherungsunternehmen vor und auch ohne Eintritt eines Versicherungsfalls durch die Organisation der Gefahrengemeinschaft (versicherungstechnisch: Risikoausgleich im Kollektiv und in der Zeit), die Bildung von Rücklagen (Gewinnrücklagen, Kapitalrücklage) und Rückstellungen zur Sicherung der dauernden Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge, die Vermögensanlagen (Kapitalanlagen) und den Abschluss von Rückversicherungsverträgen (Rückversicherung). Die Gefahrtragung wandelt sich im Versicherungsfall in eine einklagbare Leistungsplicht des Versicherungsunternehmens, d.h. in die Entschädigungspflicht um (i.d.R. Geldleistung). Die Geldleistungstheorie sieht dagegen in der Gefahrtragung des Versicherungsunternehmens nur Vorbereitungshandlungen, nicht aber die Erfüllung einer Hauptpflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer. Hauptleistung ist danach die durch den Eintritt des Versicherungsfalls bedingte Geldleistung. Die Leistung des Versicherungsunternehmens als Geschäftsbesorgung mit Treuhandcharakter zu erklären, findet im geltenden Recht keine Stütze. Die Prämie des Versicherungsnehmers ist nach dieser Auffassung nur teilweise Gegenleistung, und zwar für die Geschäftsbesorgungstätigkeit des Versicherungsunternehmens (Organisation der Gefahrengemeinschaft: Verwaltungskostenanteil), weitere Prämienanteile (Risikoprämie, Sparprämie in Versicherungszweigen mit Spargeschäften und Entspargeschäften) sind dem Versicherungsunternehmen zunächst nur zu treuen Händen überlassen.
3. Ausprägungen der Leistungspflicht im Versicherungsfall: a) Geldleistungen, weitestgehend z.B. in der Personenversicherung, der Sachversicherung und der Ertragsausfallversicherung;
b) Sachleistungen, z.B. in der Glasversicherung oder bei Übernahme der Reparatur bzw. Wiederbeschaffung durch das Versicherungsunternehmen;
c) Abwehr und Befreiung in der Haftpflichtversicherung;
d) Dienstleistungen, z.B. in der Assistance und der Krankheitskostenversicherung (§ 192 III VVG).
4. Nebenpflichten: Übermittlung des Versicherungsscheins (§ 3 I VVG), Rettungskostenersatz (§§ 83, 90 VVG), Verzinsung der Entschädigung in der Sachversicherung (§ 91 VVG).
Autor(en): Prof. Dr. Roland Michael Beckmann, Professor Dr. Helmut Schirmer