Aufsichtssystem
Das deutsche Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) beruht seit seiner Entstehung im Jahr 1901 auf dem System der materiellen Staatsaufsicht. In diesem System erschöpft sich die Aufgabe der Aufsicht nicht in der Sorge um eine ausreichende Veröffentlichung der für das Publikum wichtigen wirtschaftlichen Daten des jeweiligen Versicherers (Publizitätssystem) und auch nicht in der formalen Kontrolle der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften (System der Normativbestimmungen). Die Aufsichtsbehörde hat vielmehr durch Überwachung des gesamten Geschäftsbetriebs (§ 294 I und II VAG) dafür zu sorgen, dass die Interessen der Versicherten jederzeit gewahrt werden, gleichgültig, ob eine Gefährdung durch Verletzung von Normen, Nichteinhaltung des Geschäftsplans oder in sonstiger Weise durch das Versicherungsunternehmen verursacht wird. Dabei ist die Aufsicht präventiv auszuüben, d.h. die Aufsichtsbehörde hat darauf zu achten, dass es zu einer Beeinträchtigung der Versicherteninteressen gar nicht erst kommt. Tritt dieser Fall dennoch ein, hat die Aufsichtsbehörde für die Beseitigung der Beeinträchtigung zu sorgen. Die erwähnten anderen Systeme a) Publizitätsaufsicht (früher im Vereinigten Königreich angewandt: „Freedom with publicity“) und
b) Normativaufsicht werden heute nicht mehr angewandt. Nachdem sowohl die europäischen Richtlinien als auch die Insurance Core Principles der International Association of Insurance Supervisors (IAIS), dem internationalen Standardsetzer, ihren Arbeiten das System der materiellen Staatsaufsicht zugrundegelegt haben, ist dieses System heute in fast allen Staaten der Welt eingeführt.
Autor(en): Dr. Helmut Müller