Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
1 Begriff: Gesetz zur Beseitigung von Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität (§ 1 AGG).
2. Ziel: Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus den o.a. Diskriminierungsgründen zu verhindern oder zu beseitigen. Der Schwerpunkt liegt im Bereich von Beschäftigung und Beruf; die Bestimmungen gelten gleichermaßen für Arbeitnehmer, Auszubildende und für den öffentlichen Dienst. Betroffen ist aber auch das Zivilrecht mit den Rechtsbeziehungen zu Privatpersonen – insbesondere hinsichtlich von Verträgen mit Lieferanten, Dienstleistern oder Vermietern.
3. Gültigkeitsbereich: Das allgemeine Gleichstellungsgesetz findet nicht in allen gesellschaftlichen und rechtlichen Bereichen Anwendung, und es verbietet auch nicht jede Form der Diskriminierung. Vielmehr verbietet es Diskriminierungen nur dann, wenn diese auf den o.g. personenbezogenen Merkmalen beruhen sowie in Bezug zu den u.g. Anwendungsbereichen stehen. Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund sind nur unzulässig, wenn sie sich auf folgende sachliche Anwendungsbereiche beziehen: a) Bedingungen für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit (einschl. Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen) sowie für den beruflichen Aufstieg, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position,
b) Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschl. von Arbeitsentgeltregelungen und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen, und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses,
c) Zugang zu allen Formen und Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung einschl. der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung,
d) Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschl. der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen,
e) Sozialschutz, einschl. der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
f) soziale Vergünstigungen,
g) Bildung,
h) Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschl. von Wohnraum.
4. Folgen: Die durch das Gesetz geschützten Personen erhalten Rechtsansprüche gegen Arbeitgeber, Privatpersonen und Dritte, wenn diese ihnen gegenüber gegen die gesetzlichen Diskriminierungsverbote verstoßen. Insbesondere Arbeitgeber stehen neuen Pflichten, Phänomenen, Haftungsrisiken und Entschädigungsansprüchen gegenüber, z.B. a) Schutz-, Organisations- und Maßnahmenpflichten;
b) Neuregelungen für Stellenausschreibungen, Einstellungs- und Auswahlverfahren sowie Absagen,
c) neuen Maßstäben für Arbeitsverträge, Kündigungen, Arbeitszeugnisse, die Sozialauswahl,
d) einstweiligen Verfügungsverfahren,
e) einem eigenständigen Klagerecht des Betriebsrats,
f) Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen,
g) Beschwerde- und Leistungsverweigerungsrechten der Arbeitnehmer,
h) materiellen und immateriellen Schadenersatzansprüchen,
i) in bestimmten Fällen einer Beweislastumkehr zulasten des Arbeitgebers. Die Versicherungsunternehmen betreffen die Vorschriften des allgemeinen Gleichstellungsgesetzes mehrfach: a) als Arbeitgeber, wie oben ausgeführt,
b) als Vertragspartner durch § 20 AGG, der sich u.a. auf die Benachteiligung bei der Begründung, Durchführung und Aufhebung von Verträgen bezieht (Abschluss von privatrechtlichen Versicherungsverträgen) und
c) als Anbieter von Versicherungsschutz durch das Angebot spezieller Policen (sog. Liability Employment Practices), die das Haftungsrisiko des Arbeitgebers aufgrund von Verletzungen des allgemeinen Gleichstellungsgesetzes versichern.
5. Betriebliche Altersversorgung (bAV): Das AGG gilt trotz § 2 II S. 2 BetrAVG auch für die bAV. Im Kollisionsfall, etwa dem Mindestalter für Unverfallbarkeit gem. § 1b I BetrAVG (siehe unverfallbare Anwartschaft) oder der Altersgrenze gem. § 2 I BetrAVG, gilt aber das BetrAVG. Gem. § 10 AGG sind bestimmte Differenzierungen des Alters wegen zulässig, etwa auch Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen. Spätehenklauseln sollen nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts v. 28.7.2005 (3 AZR 457/04) eine Risikobegrenzung darstellen und sind zulässig. Sie widersprechen auch nicht dem Verbot des Art. 6 I GG, die Ehe zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen. Spätehenklauseln sehen Leistungsausschlüsse oder -kürzungen vor, wenn i.d.R. der hinterbliebene Ehegatte wesentlich jünger als der Verstorbene ist. Neben dem AGG finden in der bAV auch Art. 21 und 23 der Charta des Grundrechts der Europäischen Union Anwendung. Aus Art. 3 des Grundgesetzes leitet sich ab, dass der Arbeitgeber bspw. bei der Einrichtung einer bAV frei entscheiden kann, welche Mitarbeiter in den Kreis der Berechtigten einbezogen werden, er hat jedoch das Gleichbehandlungsgebot zu berücksichtigen. Einem Arbeitgeber ist folglich nicht erlaubt, einzelne Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund von begünstigenden Regelungen auszuschließen. Ein Verstoß ist immanent, wenn Mitarbeiter willkürlich von der bAV ausgeschlossen werden. Problematisch ist in diesem Zusammenhang der Ausschluss von Teilzeitbeschäftigen, die u.U. mit einer verbotenen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts einhergeht. Aus dem in Art. 157 I AEUV verorteten Lohngleichheitsgebot lässt sich ein Verbot der Geschlechterdifferenzierung ableiten. Eine Unterscheidung nach dem Geschlecht ist nach dem Barber-Urteil des EuGH vom 17.5.1990 (C-262/88) auch bei unterschiedlichen Altersgrenzen ein Verstoß gegen das Lohngleichheitsgebot.
Autor(en): Walter Bockshecker, Wolfgang Dobner, Dr. Bastian Güttler, Sebastian B. Sattler