Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe kein Freibrief

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Während der Corona-Pandemie gelten bestimmte Risikopatienten als besonders gefährdet. Eine allgemeine Ansteckungsgefahr ist für eine Befreiung von der Arbeitsleistung am Arbeitsplatz jedoch nicht ausreichend. Auf dieses Problem macht die Schleswig-Holsteinische Rechtsanwaltskammer (https://www.rak-sh.de/) aufmerksam.

Haben Arbeitgeber alle gängigen Schutzmaßnahmen getroffen, um das Infektionsrisiko zu minimieren, ist eine Befreiung von der Arbeitspflicht vor Ort im Betrieb selbst für Risikopatienten aus Rechtsgründen nicht geboten. Auf keinen Fall sollten Arbeitnehmer, die einer Risikogruppe angehören, dem Betrieb eigenmächtig fernbleiben. Tun sie dies doch, drohen ihnen Abmahnung oder sogar Kündigung durch den Arbeitgeber.

Spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Personen zu beachten

Prinzipiell haben Arbeitgeber gegenüber ihren Angestellten eine Fürsorgepflicht. Das heißt, Unternehmen müssen für die Arbeit angemessene Arbeitsbedingungen schaffen. Eine Bedrohung der körperlichen oder geistigen Gesundheit muss folglich vermieden werden. Es geht darum, Arbeitnehmer neben eindeutigen auch vor konkret möglichen Gefährdungen zu schützen. Hierbei sind ebenso spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Personen zu beachten. Im Falle von Büro- oder vergleichbaren Tätigkeiten sind Arbeitgeber daher durch das Infektionsschutzgesetz verpflichtet, ihren Angestellten die Arbeit im Homeoffice anzubieten, sofern keine betrieblichen Gründe dagegensprechen.

Die Arbeitnehmer hingegen sind gehalten, dieses Angebot anzunehmen. In vielen Berufen ist jedoch weiterhin ein Erscheinen am vertraglich festgelegten Arbeitsplatz erforderlich, um den laufenden Betrieb zu gewährleisten.

Sind Risikopatienten „arbeitsbefreit“?

Um juristisch zu entscheiden, ob eine Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer zumutbar ist, muss zwischen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers abgewogen werden. Dies kann ausschließlich im Einzelfall erfolgen. Die Gefahr einer Infektion mit dem Corona-Virus kann nur in Ausnahmen als unzumutbar gelten. Die reine Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe stellt noch keinen entsprechenden Ausnahmefall dar: Zum einen ist der Begriff der Risikogruppe rechtlich nicht definiert, zum anderen müssten auch am Arbeitsplatz klare Anhaltspunkte für ein höheres Infektionsrisiko als in anderen Lebensbereichen vorliegen. Das heißt, eine Befreiung von der Arbeitspflicht setzt sowohl ein besonders hohes Risiko, an Corona zu erkranken, als auch die Wahrscheinlichkeit eines besonders schweren Krankheitsverlaufs voraus.

Über Umstände des erhöhten Infektionsrisikos informieren

Eine weitere Voraussetzung der Befreiung ist, dass der Arbeitgeber die Gefahr einer Infektion nicht durch die während der Pandemie gebotenen und ihm möglichen Schutzmaßnahmen abwendet. Hat der Arbeitgeber die vorgegebenen Maßnahmen umgesetzt, dürfte eine „Befreiung“ von der Arbeit ausgeschlossen sein. Zudem muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über die Umstände seines erhöhten Infektionsrisikos, also weshalb er einer bestimmten Patientengruppe mit erhöhtem Risiko angehört, informieren.

Wann der Anspruch auf Vergütung verloren geht

Verweigert ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung am gewohnten Arbeitsplatz unberechtigt, verliert er seinen Anspruch auf Vergütung. Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer jedoch frei, weil dieser einer Risikogruppe angehört, besteht der Anspruch auf das Arbeitsentgelt fort. Anders sieht es aus, wenn sich der Arbeitnehmer selbst aktiv auf einen gerechtfertigten Status als Risikopatient beruft und dem Arbeitsplatz fernbleibt: Ob eine berechtigte Arbeitsverweigerung einen Lohnanspruch aufrechterhält, hängt dann von der Dauer ab.

Kommt es beispielsweise zu einer zweiwöchigen oder noch längeren Quarantäne, besteht kein Anspruch auf Vergütung. Generell ist es kaum möglich, als Arbeitnehmer einen Lohnanspruch ohne Gegenleistung aufgrund einer Vorerkrankung einzufordern, wenn das erhöhte Infektionsrisiko unabhängig von der Ausgestaltung des konkreten Arbeitsplatzes besteht.

Arbeitsverweigerung kann Kündigung rechtfertigen

Beruft sich der Arbeitnehmer zu Unrecht auf ein Leistungsverweigerungsrecht als Risikopatient, kann die Verweigerung dem Arbeitgeber gegenüber nicht in einen Urlaubsantrag umgedeutet werden. Vielmehr hat der Arbeitgeber das Recht, bei einer unberechtigten Leistungsverweigerung den Arbeitnehmer abzumahnen oder ihm im Wiederholungsfall zu kündigen.

Umgekehrt kann der Arbeitgeber den Wunsch eines Arbeitnehmers auf Freistellung nicht ohne dessen Zustimmung mit dem Resturlaub verrechnen.

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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