Ein neuer Bericht des Unternehmensversicherers Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) beleuchtet kommende Trends im Sektor "Berufshaftpflicht für Unternehmen". Zu den betroffenen Berufsgruppen gehören Unternehmensberater, Wirtschaftsprüfer, Buchhalter, Architekten, Ingenieure, Anwälte und PR-Berater. Sie alle können für Verluste verantwortlich gemacht werden, die sich aus Pflichtverletzungen ergeben.
Die globalen AGCS-Schadenexperten haben in dem Bericht elf kommende Trends identifiziert und in eine Rangfolge eingeordnet. Bewertungskriterien waren dabei die erwarteten Auswirkungen, potenzelle Schadenursachen und Möglichkeiten der Risikominderung. Einige Berufsgruppen sind je nach Risiko und Art ihrer Tätigkeit stärker gefährdet als andere.
Die sich laufend weiter entwickelnde Gesetzgebung in Bezug auf Gebäudesicherheit sowie Cyber-Kriminalität, Social Engineering und Datenverluste stehen als Haftungsrisiken beide auf Platz 1. Sie werden mit „sehr hoch“ eingestuft – eine deutliche Auswirkung auf Dienstleistungsunternehmen und ein schwerer Schadenverlauf sind zu erwarten. Obwohl die Gebäudesicherheit nach der Brandtragödie im Grenfell Tower im Jahr 2017 vor allem in Großbritannien ein Thema war, werden sich einige Auswirkungen weltweit bemerkbar machen, so der Bericht. Im Vereinigten Königreich könnten verlängerte Haftungsfristen für Bau- und Brandschutzmängel neue Rechtsansprüche gegen Hersteller und Zulieferer nach sich ziehen. Damit einher geht ein potenzieller Dominoeffekt auf alle an einem Bauprojekt beteiligten Fachleute, wie Architekten, Ingenieure, Planungs- und Bauunternehmen.
Anwaltskanzleien im Visier, um an vertrauliche oder geschützte Daten zu gelangen
Cyber-Angriffe haben in den vergangenen Jahren zugenommen – und Dienstleistungsunternehmen sind besonders gefährdet, weil sie geschützte Kundendaten oder geistiges Eigentum besitzen oder verarbeiten. Eine wichtige Rolle spielen dabei „Hacker-for-Hire“. Sie sind Cyber-Söldner, die beauftragt werden können und es ermöglichen, die eigene Beteiligung an einem Cyberangriff zu vertuschen. Sie haben es zunehmend auf Anwaltskanzleien abgesehen, um illegal an vertrauliche oder geschützte Daten zu gelangen, die vor Gericht eine Rolle spielen könnten.
Zu möglichen Cyber-Schadenursachen, die für alle Berufsgruppen gelten, gehören Phishing- und Spoofing-Betrug, Lieferkettenrisiken Dritter, Ransomware oder Malware, das Fehlen ausreichender Systeme sowie Kontrollmöglichkeiten und auch Datenverlust. Ein Cyberverstoß verursacht nicht nur unmittelbare Kosten und Störungen für die Betroffenen. Er kann auch zu erheblichen rechtlichen Risiken führen, darunter dem Eingreifen der Datenschutzbehörden und folgenden beträchtlichen Geldstrafen. Datenschutzverletzungen können außerdem zu Haftungsansprüchen von Kunden und Dritten führen – bis hin zu Sammelklagen –, die Verluste aufgrund von Betriebsunterbrechungen oder kompromittierten Informationen geltend machen.
Eine Datenschutzverletzung birgt schließlich auch das Risiko eines Imageschadens, der zu einem sinkenden Aktienkurs und Aktionärsklagen führen kann. Kleinere Unternehmen können anfälliger sein, da sie in der Regel über weniger ausgefeilte Cybersicherheitsmaßnahmen verfügen.
Auf Rang 3 der untersuchten Risikotrends steht die geopolitische, wirtschaftliche und marktbezogene Volatilität.. Laut der Studie könnten sich für Dienstleister, die anstelle ihrer Kunden agieren, Risiken aus der sich schnell entwickelnden Sanktionsgesetzgebung ergeben. Bau- und Planungsfachleute könnten von Ansprüchen durch Lieferkettenstörungen und verzögerten Projekten betroffen sein.
Die Inflation ist laut dem Bericht ebenfalls auf Rang 3. Wenn der anhaltende Inflationsdruck in vielen Ländern zu rezessiven Bedingungen führt, könnte sich hieraus eine Vielzahl potenzieller Risiken für Dienstleistungsunternehmen ergeben. Dazu gehören insolvenzbezogene Risiken für Wirtschaftsprüfer und Insolvenzverwalter, Ansprüche von Kreditgebern gegenüber Anwälten und Gutachtern sowie Ansprüche aus der Sorgfaltspflicht gegenüber Anwälten und Buchhaltern.
Neue technologische Lösungen steigern potenzielle Schadenfaktoren
Am unteren Ende der Risikoskala steht – noch – der Einsatz neuer Technologien wie KI-Tools durch Dienstleistungsunternehmen (Platz 4, geringe Auswirkungen). Dennoch sind die Gefahren nicht zu unterschätzen, wie Assef erläutert: „KI hat zwar das Potenzial, Risiken zu verringern, doch mit der rasanten Entwicklung der technologischen Lösungen steigen die potenziellen Schadenfaktoren. Dazu gehören Fragen des Datenschutzes oder des Urheberrechts und der Wahrung der Vertraulichkeit bei der Inanspruchnahme von Dienstleistern. Aber auch Risiken durch die Wiederholung von Fehlern beim massenhaften Einsatz solcher KI-Anwendungen und die Frage nach der nötigen Kontrolle der ‚Arbeit’ des Tools stehen im Raum.“
Unternehmen müssten ihre Mitarbeitenden angemessen schulen und begleiten, während sich die Technologie weiterentwickelt. Letztlich könne ein mangelndes Bewusstsein für die Funktionsweise generativer KI zu rechtlichen Folgen und zivilrechtlichen Ansprüchen gegen alle Arten von Dienstleistern führen, erklärt Assef: Ein New Yorker Anwalt sah sich kürzlich mit Konsequenzen konfrontiert, weil er einen von ChatGPT unterstützten Schriftsatz in einem Personenschadenfall seines Mandanten verwendet hatte. Die Technologie berief sich auf sechs nicht-existierende Gerichtsentscheidungen.
Quelle: AGCS
Autor(en): versicherungsmagazin.de