Wer den Rat gibt, eine bestehende Versicherung aufzulösen, sollte sich seiner Sache sicher sein, dass dies ein wirklich guter Rat ist. Warum es dabei auch nicht hilft, Ausschließlichkeitsvertreter zu sein.
Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat einen Versicherungsvertreter zum Schadensersatz verurteilt, der bei der Umdeckung einer Berufsunfähigkeitsversicherung den Kunden schlecht beraten hatte (Urteil vom 26. April 2017, Az. 5 U 36/16, r+s 2018, 110 ff.).
Kündigung empfohlen – ohne Annahme abzuwarten
Der Ausschließlichkeitsvertreter hatte im Jahr 2013 einem Kunden verschiedene bestehende Versicherungen empfohlen zu kündigen und durch neue zu ersetzen. Darunter war eine seit 2010 bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) mit Hinterbliebenenschutz, die bis 2024 hätte laufen sollen. Der Vertreter schlug eine neue BU-Versicherung mit einer Laufzeit bis 2031 vor, die eine BU-Rente von 1.500 Euro im Monat und einen Beitrag von 97 Euro monatlich vorsah.
Ohne die Annahme des neu gestellten Antrags abzuwarten, riet der Vertreter dem Kunden zur Kündigung des bisherigen BU-Vertrags. Der bisherige Versicherer nahm die Kündigung umgehend an. Erst anschließend wurde der Antrag für die neue BU-Versicherung aufgenommen. Dabei wurden alle abgefragten Vorerkrankungen verneint, wobei sich die Parteien hinterher wohl nicht einig waren, ob der Vertreter diese Fragen überhaupt im Einzelnen mit dem Kunden durchgegangen war.
Der Unterschied von Brutto und Netto
Zum Problem wurde, dass der neue BU-Versicherer im Rahmen der Antragsprüfung von einer psychosomatischen Vorerkrankung erfuhr und nur unter komplettem Ausschluss von Berufsunfähigkeit wegen psychischer Erkrankung bereit war, den Antrag anzunehmen.
Erschwerend kam hinzu, dass der Vertreter wohl den Bruttobeitrag des auszuspannenden mit dem Nettobeitrag des neuen Versicherers verglichen und damit den falschen Eindruck erweckt hatte, der neue Vertrag sei günstiger. Das Gegenteil ist der Fall. Die Bruttoprämien fallen sogar mit rund 124 Euro beim ausgespannten und rund 199 Euro beim neuen Vertrag besonders weit auseinander. Der Kunde warf dem Vertreter vor, dass er sich nicht die vollständigen Vertragsunterlagen des Vorversicherers besorgt und ausgewertet hätte, wodurch es zu der fehlerhaften Aussage kam.
Schadenersatz für höhere Prämie
Im Ergebnis wurde der Vertreter verurteilt, eine Prämiendifferenz von 10,10 Euro monatlich von 2013 bis 2024 zu ersetzen. Außerdem wurde festgehalten, dass der Vertreter darüber hinaus Schadenersatz nach § 63 VVG zu leisten hat, falls sich weitere Nachteile aus dem Versichererwechsel ergeben. Damit dürfte der Vertreter wohl vor allem dann zur Kasse gebeten werden, wenn der Kunde wegen psychischer Erkrankungen berufsunfähig werden sollte, aber durch den Leistungsausschluss keine Rente erhalten kann.
Das Gericht machte deutlich, dass ein Vertreter einerseits geringere Beratungspflichten als ein Makler hat, insbesondere was die Beratung über Produkte angeht. Andererseits muss er aber gerade bei einer Umdeckung besondere Sorgfalt walten lassen und über solche Punkte aufklären, die beim Vertragswechsel von wesentlicher Bedeutung sind oder bei denen der Kunde einem Irrtum unterliegen kann. Eine Prämiendifferenz sei von wesentlicher Bedeutung.
Zudem sind gerade bei Verträgen mit Gesundheitsprüfung „die an den Vermittler gestellten Anforderungen besonders hoch“. Ein Vermittler muss davon ausgehen, dass ein Kunde in der Regel keine Verschlechterung seines Versicherungsschutzes oder gar Deckungslücken in Kauf nehmen will.
Fehlende Dokumentation ändert nichts am Sachverhalt
Für die Vermittlungspraxis interessant ist ein weiterer Hinweis. Offenbar konnten beide Parteien keine Beratungsdokumentation vorlegen. Unter Vermittlern ist teilweise der Irrglaube verbreitet, es sei von Vorteil, keine Dokumentation anzufertigen.
Hier wurde klar festgestellt, dass das Fehlen der Beratungsdokumentation keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Pflichtverletzung des Vertreters hatte. Weder eine fehlende noch eine inhaltlich falsche Dokumentation ändert etwas an der Haftung für die Pflichtverletzung, wird in der Urteilsbegründung klargestellt.
Besondere Sorgfalt bei Umdeckungen nötig
Entgegen der Meinung der Vorinstanz hebt das Oberlandesgericht auch hervor, dass es nicht darauf ankommt, ob der Kunde in der Beratungssituation die Gesundheitsfragen vollständig und korrekt beantworten konnte oder nicht. Es reiche aus, dass der Kunde ganz objektiv einen Nachteil erlitten hat, weil er eine Vorerkrankung hat, die zu einer Verschlechterung der vorherigen BU-Leistung führt. Der Fehler sei klar vom Vertreter gemacht worden, der zur Kündigung geraten und ein Kündigungsschreiben vorbereitet hatte, ohne abzuwarten, ob der eigene Versicherer den Vertrag überhaupt uneingeschränkt annimmt.
Dieses Urteil belegt einmal mehr, wie wichtig es ist, bei Umdeckungen sehr sorgfältig vorzugehen und den Kunden über alle damit verbundenen Nachteile aufzuklären. Auch sollte nicht voreilig eine Kündigung empfohlen werden, bevor der neue Versicherer nicht verbindlich die Antragsannahme geprüft und erklärt hat.
Autor(en): Matthias Beenken