Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte über Courtagerückforderungen eines Pools gegenüber seinem angeschlossenen Makler zu entscheiden, die wegen Rücktritts sowie wegen Beitragsfreistellungen von mehreren Lebensversicherungen entstanden waren.
In dem Verfahren (BGH, Urteil vom 8.7.2021, Az. I ZR 248/19, VersR 22/2021, 1433-1438) ging es um einen Versicherungsmakler, der seit 2009 eine Courtagevereinbarung mit einem Maklerpool unterhielt (Poolpartner). Über den Pool hatte er drei verschiedene Lebensversicherungen eingereicht, erhielt aber im Lauf des Jahres 2016 drei Courtagerückbelastungen in Höhe von insgesamt gut 6.600 Euro.
Laut der Courtagevereinbarung hatte sich der Pool verpflichtet, Stornogefahrmitteilungen der Lebensversicherer unverzüglich dem Poolpartner weiterzuleiten. Der hätte dann die Möglichkeit, aber nicht die Pflicht, Maßnahmen zur Stornoverhinderung zu ergreifen.
Verzögerte Weiterleitung der Stornogefahrmitteilungen
Der klagende Poolpartner wollte die Stornocourtagen nicht akzeptieren. Denn die Stornogefahrmitteilungen waren erst mit mehrmonatiger Verzögerung weitergeleitet worden, eine Chance auf Rückgewinnung der Kunden bestand nicht mehr.
Im Ergebnis erhielt der Kläger in zwei der drei Fälle Recht. Der Pool hätte die Stornomitteilungen unverzüglich weitergeben müssen und schuldet nun dem Poolpartner die Courtage. Abgelehnt wurde dies nur für einen Fall, in dem der Kunde einen Widerruf nach § 8 Absatz 1 Versichungsvertragsgesetz (VVG) erklärt hatte. In den beiden anderen Fällen dagegen handelte es sich um Beitragsfreistellungen, die offenbar recht frühzeitig innerhalb der Stornohaftungszeit erfolgten.
Schutzbedürftiger Poolmakler
Bemerkenswert an dem Urteil sind die Ausführungen des BGH zum Rechtsverhältnis zwischen dem Poolpartner und dem Pool. Der BGH ordnet den Poolpartner trotz seiner Maklereigenschaft als besonders schutzbedürftig ein – analog einem Handelsvertreter. Deshalb gelten auch die aus dem Handelsvertreterrecht abgeleiteten Grundsätze zur Stornogefahrmitteilung und dem fortbestehenden Provisionsanspruch, wenn der Auftraggeber Versicherer diese Mitteilungen nicht oder nicht rechtzeitig macht und dem Handelsvertreter damit die Chance verwehrt, seinen Provisionsanspruch zu retten.
Dafür beruft sich der BGH vor allem auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), der zwischen Pool und Poolpartner herrschen muss und damit die Frage überflüssig macht, ob der für Handelsvertreter maßgebliche § 87a Absatz 3 HGB analog für den Versicherungsmakler gilt.
Beitragsfreistellung muss besprochen werden, Widerruf nicht
Nach dieser HGB-Bestimmung bleibt der Provisionsanspruch eines Handelsvertreters auch dann bestehen, wenn sein Auftraggeber – der Versicherer – das von ihm vermittelte Geschäft nicht oder nicht vollständig so ausführt, wie es abgeschlossen wurde. Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Versicherer die Umstände nicht zu vertreten hat, unter denen der Versicherungsvertrag nicht wie geplant umgesetzt wurde.
Bei einer Beitragsfreistellung bleibt der Provisionsanspruch bestehen, sofern der Vermittler nicht die Chance bekommt, mit dem Kunden über Vor- und Nachteile einer Beitragsfreistellung und mögliche Alternativen zu sprechen mit dem Ziel, die Entscheidung des Kunden unter Umständen zu revidieren. Eine fehlende Warnung und Aufforderung zum Tätigwerden des Vertreters hat der Versicherer zu vertreten.
Ein Widerruf dagegen gilt nicht als vom Versicherer zu vertreten. Hier hat der Gesetzgeber dem Kunden ein besonderes Recht eingeräumt. Im Gegenteil, in der Regel wird der widerrufende Kunde gerade keine Stornonachbearbeitung und damit eine erneute Ansprache durch den Vermittler akzeptieren wollen.
Einbindung in fremde Organisation
Der BGH begründet die handelsvertreterähnliche Stellung des Poolpartners gegenüber dem Pool unter anderem mit der Vertragsabwicklung, für die der Poolpartner vom Pool in dessen „Organisationsstrukturen eingebunden“ sei und auch regelmäßig Stornogefahrmitteilungen erhalten habe. Auch das Bestehen eines „Agenturkontos“ beim Pool wird als Indiz angeführt. „In einem in dieser Weise gestuften Vermittlungsverhältnis, das in seiner Ausgestaltung handelsvertreterrechtliche Züge trägt“, entspreche es Treu und Glauben, dass eine Nachbearbeitungspflicht des Maklerpools besteht.
Die „Zwischenschaltung“ des Pools zwischen Versicherer und Poolpartner ändert nichts an der Schutzbedürftigkeit des Letztgenannten. Das sei wie „im Verhältnis zwischen Hauptvertreter und Untervertreter“ zu sehen, bei dem der Hauptvertreter die Nachbearbeitungspflicht obliegt, sie aber auf den Untervertreter delegiert.
Der Versicherer bleibt auch über Organisationsstufen hinweg in der Pflicht zur Stornogefahrmitteilung. Dieser Pflicht war er nachgekommen, aber der Pool hatte die Weiterleitung verzögert und damit dem Poolpartner die Aussicht auf Rettung seiner Courtageansprüche vereitelt. Der Versuch, das Organisationsverschulden des Pools auf den Poolpartner abzuschieben, mit Hinweis auf dessen Maklereigenschaft, ist daher gescheitert.
Konsequenzen für Makler
Für Poolmakler bedeutet das einmal mehr genauer hinzusehen, welchem Pool sie sich anschließen, ob dieser eine gut funktionierende Organisationsstruktur hat und den Poolpartner unter anderem mit der unverzüglichen Weiterleitung von Stornogefahrmitteilungen unterstützt.
Gleichwohl ist die Einordnung des Poolkonstrukts durch den BGH als handelsvertreterähnlich bedenklich, denn sie kann den Sachwalterstatus des Maklers in Frage stellen. Makler sollten bedenken, dass sie sich nicht blind auf ihren Pool verlassen dürfen, sondern entweder als Sachwalter oder zumindest als Pseudomakler unmittelbar dem Kunden gegenüber in der Verantwortung stehen, ihn richtig zu beraten und bedarfsgerechte Versicherungen zu verschaffen. Fehler des Pools sind im Außenverhältnis die Fehler des Poolpartners. Eine Wiedergutmachung im Innenverhältnis kann dann unter Umständen drei Gerichtsinstanzen dauern wie in dem hier entschiedenen Fall.
Autor(en): Matthias Beenken