Seit über einem Jahrzehnt ist in weiten Teilen der Welt Inflation so gut wie nicht mehr vorhanden. Nun kommt das Inflationsgespenst zurück. Doch das stimmt nicht wirklich. Man kann eher von Reflation, also von einer Rückkehr zur Inflation, sprechen. Aktien sind auch in diesem Szenario attraktiv. Diese Position vertrtitt jedenfalls Adrian Roestel von der Huber, Reuss & Kollegen Vermögensverwaltung GmbH in München
Obwohl es sich bei beiden um einen Anstieg des Preisniveaus handelt, sei Reflation nicht mit Inflation gleichzusetzen, meint der Experte. Bildlich ausgedrückt könne man bei der Inflation von einem bösen Preisdruck über den „normalen" Trend hinaus sprechen. Reflation sei dagegen, wenn sich die Preise nach einer deflationären Phase erholen. Es gehe dabei um eine gewünschte Rückkehr zum Trend.
Normalzustand niedriger Inflationsraten wird wieder eintreten
Die Sorge, dass die expansive Fiskal- und Geldpolitik die Volkswirtschaften auf Inflationskurs gebracht habe, sei aus Sicht seines Unternehmens zu kurz gedacht. Vielmehr sei davon auszugehen, dass wieder der Normalzustand niedriger Inflationsraten eintreten werde.
Grundsätzlich sollten in einem Reflationsszenario jene Vermögenswerte gekauft werden, die von einem schnelleren Wirtschaftswachstum, Preisdruck und höheren Renditen profitieren. Das seien in erster Linie Aktien, Rohstoffe und inflationsgeschützte (Unternehmens-)Anleihen.
Zyklische Sektoren wie Banken zu bevorzugen
Bei der Aktienauswahl seien zyklische Sektoren wie Banken, Energieerzeuger und zyklische Konsumgüterproduzenten, zu denen auch Firmen aus der Freizeitindustrie wie Kreuzfahrtunternehmen, Airlines oder Reisekonzerne gehören, zu bevorzugen. Auf der Anleiheseite sollten Strategien gewinnen, die von einer steileren Zinskurve profitieren, also von einem wachsenden Spread zwischen kurz- und langfristigen Anleihen.
Verlierer eines solchen Szenarios seien neben Anleihen guter Qualität (insbesondere Staatsanleihen mit langer Laufzeit) hoch bewertete Wachstumsunternehmen wie Technologiewerte. Zum einen würden sie Konkurrenz durch die jetzt stärker wachsenden zyklischen Unternehmen bekommen. Zum anderen leide ihre Bewertung, weil künftige Gewinne mit einem höheren Zinssatz abdiskontiert werden und damit zum aktuellen Zeitpunkt weniger wert seien.
Regierungen könnten expansive Fiskalpolitik überraschend schnell zurückdrehen
Grundsätzlich funktionieren Reflations-Strategien besonders gut in einer frühen Aufschwungphase nach einer Rezession. Dann ziehen Wirtschaftswachstum und Preise deutlich und beschleunigt an. Eines der Hauptrisiken für eine Erholung bleibt Corona. Virusmutationen und Verzögerungen bei den Impfkampagnen können die Rückkehr zum normalen Leben verzögern und damit das erwartete Wirtschaftswachstum.
Ein weiterer Faktor sei die Politik. Schließlich könnte eine kräftige Wirtschaftserholung darin münden, dass viele Regierungen ihre expansive Fiskalpolitik überraschend schnell und stark zurückdrehen, sodass eine Erholung des Preisniveaus und somit ein wirtschaftlicher Aufschwung über die Maßen gebremst werden.
Aus Sicht der Huber, Reuss & Kollegen Vermögensverwaltung GmbH ist es unwahrscheinlich, dass diese Risiken den Aufschwung bremsen werden. Die Corona-Risiken dürften sich dauerhaft nicht verfestigen und Diskussionen über ein (stärkeres) Zurückdrehen der expansiven Politikimpulse werden wohl erst in der zweiten Jahreshälfte einsetzen.
Quelle: V-Bank
Autor(en): Adrian Roestel ist Leiter Portfoliomanagement bei der Huber, Reuss & Kollegen Vermögensverwaltung GmbH in München.