Einen neuen Telematik-Tarif bietet die Neodigital Versicherung ihren Autokunden seit Juli 2024 an. Der mögliche Rabatt für „gute“ Fahrer fällt aber schmaler aus als erwartet. Experten glauben nicht an den Erfolg von Telematik-Angeboten in der Kfz-Versicherung.
Im Vorjahr auf der „K-Tagung“ von Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) und der SCOR Rückversicherung hatte Neodigital einen Nachlass von bis zu 30 Prozent angekündigt. Nun werden nur noch 15 Prozent versprochen. Damit fällt das Angebot im Vergleich zum Markt eher mager aus.
Konkurrenz: Bis zu 45 Prozent Nachlass
So bietet die Allianz im „Bonus Drive“, die Huk-Coburg und die Huk24 im „Telematik Plus“ sowie die VHV im „Klassik-Garant 2.0 Telematik“ einen Rabatt von bis zu 30 Prozent auf den Normaltarif an. Bei Ergo im „Safe Drive“ sind es sogar 40 Prozent und die Öffentlichen Versicherer der VKB-Gruppe bieten sogar mit dem „Plus Vario Fahrstil“ einen Nachlass von bis zu 45 Prozent an – wenn auch nur für junge Fahrer bis 24 Jahren. Allein „Go4Smile“ der LVM-Versicherung fällt mit zehn Prozent Rabatt noch geringer aus als das neue Angebot der Neodigital.
Schwierige Situation für Nachlässe
Dazu erläutert das Unternehmen auf Rückfrage: „Wir möchten das Telematik Angebot langfristig aufrechterhalten, entsprechend ökonomisch nachhaltig sind die Angebote kalkuliert.“ In der aktuellen Marktsituation mit Combined Ratio von über 100 Prozent seien Rabatte von bis zu 30 Prozent nicht nachhaltig, glaubt Neodigital. „Wir können die Rabatte zu Gunsten der Endkunden jedoch jederzeit leicht anpassen.“ Eine höhere Rabattierung sei in Zukunft daher keinesfalls ausgeschlossen, so eine Sprecherin von Neodigital.
Datenerfassung per Sensor
Der Startbonus des neuen Angebots beträgt 5 Prozent im ersten Jahr. Die Erfassung der Telematik-Daten erfolgt über einen Sensor, der mit der Neodigital Telematik App verbunden wird. Den Sensor, der in jedes Fahrzeugmodell, egal welchen Baujahres, Fabrikats oder Antriebs, eingebaut werden kann, und einfach an die Windschutzscheibe geklebt wird, stellt Neodigital kostenlos zur Verfügung. Die Technologie erfasst das persönliche Fahrverhalten der Versicherten und ermöglicht so eine Kostenersparnis und damit einen individuellen Kfz-Tarif. Bis zu vier weitere Gastfahrerinnen und Gastfahrer können sich über ihr Mobiltelefon mit dem Sensor verbinden.
Telematik bleibt eine Nische
„Unsere skeptische Grundeinstellung zum Erfolg von Telematik-Angeboten in der Kfz-Versicherung bleibt auch angesichts des neuen Anbieters erhalten“, sagt Marco Morawetz, Head of Consulting bei der Gen Re auf Anfrage des Versicherungsmagazins. Zwar würden die Aktivitäten im Markt genau beobachtet, doch eine wirkliche Neuerung sieht Experte Morawetz nicht. „Die großen Player, Allianz und Huk-Coburg haben in rund acht Jahren lediglich einen Telematik-Bestand von rund fünf Prozent erreicht“, so der Rückversicherer. Damit sei die in der Vergangenheit gestellte Prognose der Gen Re Realität geworden, dass der Telematik-Markt nicht über eine Nische von vier bis sechs Prozent des Bestandes hinauskommt. „Angesichts solcher Zahlen stellt sich ganz schnell die Kosten-Nutzen-Frage“, so Morawetz.
Scheinbar sind viele Anbieter längst zum Schluss gekommen, dass sich mit der aktuellen Technik ein Telematik-Tarif kaum rentiert. Zuletzt hatte die DEVK zum 01.09.2023 ihr Angebot für das Neugeschäft eingestellt. Vorher war die Generali-Gruppe, die Signal Iduna (sijox) und die Württembergische aus den pay-as-you-drive-Tarifen ausgestiegen.
Schub durch EU Data Act?
Einen Schub könnten Telematik-Tarife wohl bekommen, wenn die Daten direkt über die Schnittstelle des Fahrzeuges erhoben werden können. Das haben die Kfz-Hersteller aber bisher verhindert. Mit dem EU Data Act, einem Gesetz, das im Januar 2024 in Kraft getreten ist und ab September 2025 zur Anwendung kommt, könnten Telematik-Tarife in der Kfz-Versicherung aber tatsächlich eine Erfolgsgeschichte schreiben. Aufwändige Erklärungen für den Vertrieb könnten entfallen, wenn die Daten per Knopfdruck aus dem Auto abrufbar sind. „Durch die Förderung eines fairen, transparenten und wettbewerbsfähigen digitalen Marktes adressiert der Data Act die Notwendigkeit einer verstärkten Datenmobilität und -nutzung“, erläutert Lukas Schröder, Senior Manager bei Capgemini Invent Germany. Man darf nun gespannt sein, welche Wirkung das Gesetz für die Versicherungsbranche entwickelt.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek