Zum zweiten Mal jährt sich Mitte Juli das Extremwetterereignis „Bernd“. Vom 12. bis 19. Juli 2021 brachte das Sturmtief schwere Regenfälle nach Westeuropa und verursachte in mehreren Ländern schwere Überschwemmungen. Auf dem gesamten Kontinent starben über 230 Menschen bei den Überschwemmungen. Deutschland musste mit etwa 190 Opfern - 134 nur im Ahrtal - die höchste Zahl an Todesopfern verschmerzen.
Während in der Ahr-Region Schritt für Schritt wieder Normalität einkehrt, gibt Horst Nussbaumer, das für den Schadenbereich verantwortliche Vorstandsmitglied der Zurich Gruppe Deutschland zu bedenken, dass noch zu wenig aus dem Ereignis gelernt wird: „Noch immer hört man auch aus der Politik, dass das Extremweiterereignis ‚Bernd‘ mit den seinen Hochwasserständen ein völlig unerwartbares Ereignis gewesen ist. Das ist historisch betrachtet falsch. ‚Bernd‘ war definitiv kein ‚Worst-Case-Szenario‘. Es ist nachweisbar, dass es in der Vergangenheit, beispielsweise 1910, sogar höhere Pegelstände gegeben hat“, so Nussbaumer, „Diese Extremwetterereignisse haben heute durch die andere Verdichtung und Bebauung jedoch ganz andere Konsequenzen.“
Extremwetterereignisse geraten schnell in Vergessenheit
Auch wenn zwei Jahre nach dem Extremwetterereignis die Spuren der Katastrophe noch fast überall sichtbar seien, sei es aber auch schön zu sehen, dass die Narben in der Region sukzessive verschwinden würden. Gleichzeitig bestehe aber auch die Gefahr der ‚Flutdemenz‘, wobei Extremwetterereignisse wie diese schnell in Vergessenheit zu geraten drohten, so die Einschätzung von Nussbaumer.
Bewusstsein für Extremwetterereignisse schon im Grundschulalter schärfen
Um die Auswirkungen derartiger Katastrophen zu begrenzen, müssten Frühwarnsysteme installiert, optimiert und Menschen dafür sensibilisiert werden. Dazu zähle auch, dass das Bewusstsein im Umgang mit Extremwetterereignissen schon im Grundschulalter geschärft werde. Wichtig für die Bewusstseinsentwicklung sei auch eine präzise Kommunikation: „Viele beschrieben das Extremwetterereignis als ein Ereignis, das ‚einmal in 100 Jahren‘ vorkommt. Eine statistische Zahl, die einige zu der Fehlinterpretation veranlasste, dass es in einem Jahrhundert kein weiteres Ereignis geben würde. In der Konsequenz hat dies die Notwendigkeit minimiert, einer erhöhten Widerstandsfähigkeit Priorität einzuräumen. Die Menschen müssen wissen: Wenn wir uns nicht vorbereiten, bereiten wir uns aufs Scheitern vor“, mahnt Nussbaumer.
Der Klimawandel allein ist nicht das Problem
Klimamodelle zeigen, dass zu erwarten ist, dass Extremwetterereignisse wie „Bernd“ künftig häufiger vorkommen werden. „Wer die Katastrophe jedoch allein auf ein unvorhersehbares Extremwetterereignis infolge des Klimawandels reduziert, gegen dessen Folgen man machtlos ist, verkennt die komplexe Realität“, so Horst Nussbaumer. „Unsere PERC Studie zeigt, dass ein unzureichendes Hochwasserverständnis, eine problematische Wiederaufbaustruktur sowie ungenügende Maßnahmen zur Risikoreduktion im Vorfeld einen entscheidenden Teil an der Katastrophe tragen.“
Die Studie ist im Rahmen des Zurich Flood Resilience Programs mithilfe der PERC-Methode (Post Event Review Capability) entstanden, das große Hochwasserereignisse erforscht.
Ziel ist das Erkennen und Sammeln von bewährten Vorgehensweisen
Die Ereignisanalyse von Naturkatastrophen mithilfe der Post Event Review Capability (PERC)-Methode ist ein Bestandteil der „Zurich Flood Resilience Alliance“ und widmet sich der Erforschung großer Hochwasserereignisse, wobei unabhängige Reviews durchgeführt werden. Im Mittelpunkt dieser Untersuchungen steht das Erkennen und Sammeln von bewährten Vorgehensweisen („Best Practices“), um die Hochwasserwiderstandsfähigkeit, das Hochwasser-Risikomanagement und die Katastrophenintervention zu verbessern.
Quelle: Zurich
Autor(en): versicherungsmagazin.de