Wenn der Vertrieb über den Händler in die Hose geht

Beratungsarme Vertriebswege sind nicht unumstritten Dies gilt umso mehr, als nach neuem Vermittlerrecht offenbart werden muss, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage der Vermittler im Einzelhandel - nennen wir ihn OTTO - seine Leistung erbringt.

Einschlägige Erfahrungen hat da bereits der Axa-Konzern, der bereits im Jahre 2002 das Modell "Tchibo/Axa" gestartet hatte. Damals wollte das Unternehmen mit einer Multikanalstrategie für den Vertrieb der Zukunft rüsten. Die Kölner setzten auf den vertriebsstarken Kaffee- und Handelskonzern Tchibo und warfen eine Riester-Rente auf den Markt (Branchenspott: "Röster-Rente"). Die Vertriebskooperation sollte sich nahtlos in die strategische Ausrichtung des Axa-Konzerns einfügen. Durch Vernetzung sämtlicher Transaktions- und Kommunikationsvorgänge sollte der Kunde jederzeit neu entscheiden können, auf welchem Weg er mit dem Versicherer in Kontakt kommt. Über jeden Vertriebsweg sollte der gleiche Preis bezahlt werden. Dabei sollte für die Riester-Rente keine persönliche Beratung geboten werden.

Der Außendienst musste die Zusatzarbeit verrichten
Sämtliche mit den Verträgen verbundene Leistungen wie Zahlungsfluss, Mitteilungen über den Vertragsstand, Zulagenabwicklung oder Adress-Änderung erledigte jedoch nicht Tchibo, sondern Axa. Vor allem der klassische Außendienst musste die Zusatzarbeit verrichten, obwohl er an der Tchibo-Rente gar nichts verdient hatte. Das Ende vom Lied: Nach zwei bescheidenen Jahren wurde die Kooperation still und leise begraben. Direktvertreiber Tchibo suchte sich mit Asstel einen besser zu ihm passenden Direktversicherer. Da war weder Neid noch Protest der Vertreter - Asstel hat gar keine - zu erwarten, wie bei Axa.

Axa ließ neue Vertriebskooperationen folgen, darunter mit dem Club Bertelsmann. Dessen Mitglieder erhielten Haftpflicht-, Hausrat-, Wohngebäude- und Glasversicherungen zu Vorteilskonditionen. "Damit setzen wir die erfolgreiche Strategie fort, unser Geschäft durch neue Vertriebswege zu stärken", machte sich der damalige Vertriebsvorstand Wulf Böttger Mut. Das Angebot sei absolut überzeugend und sehr attraktiv - im Schnitt um 15 Prozent preiswerter als die Axa-Linie. Bis März 2007 befand sich die Kooperation in einer Testphase - und wurde nicht verlängert. Der Versuch, auf neuen Wegen aus der Wachstumsschwäche zu kommen, endete offenbar ohne messbaren Erfolg. "Zahlen hierzu können wir nicht veröffentlichen", ließ die Pressesprecherin der Axa, Sabine Friedrich, jetzt auf Nachfrage wissen. Besonders erfolgreich sei man jedoch beim Vertrieb von Elektronik-Schutzbriefversicherungen über den Elektronikhandel, etwa für Notebooks oder Mobilfunkgeräte. Der aktuelle Kölner Vertriebsvorstand Wolfgang Hanssmann gibt sich "grundsätzlich von dem Potenzial solcher neuen Geschäftsfelder überzeugt", nennt aber auch keine konkreten Absatzzahlen.

Immer mehr Nachahmer
Trotz Pleiten, Pech und Pannen wird die Liste der Nachahmer immer länger: Da warf das Bekleidungshaus C & A zwischenzeitlich Kfz-Policen der DA Direkt, dem Direktversicherer der Zurich-Gruppe, auf den Markt. Solche Wühltisch-Angebote seien eine "Missachtung der eigenen qualifizierten Vermittler", kritisiert Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). Das gehe auch deutlich am Kundenwunsch vorbei, der zu 83 Prozent einen direkten, persönlichen Kontakt beim Vertragsabschluss fordert. Zudem bezweifelt Heinz, dass "der Kunde zwischen Kleidern und Dessous den Versicherungsschutz erhält, den er braucht". Dennoch ist mit dem OTTO-Versand ein weiterer namhafter Einzelhändler in den Versicherungsvertrieb eingestiegen. Wieder mit im Boot ist auch die Axa - diesmal mit Kfz-Policen. Ähnliches praktizieren Postbank mit HUK-Coburg sowie Norisbank mit DA Direkt.

Keine erfolgreichen Modelle bekannt
Der Einzelhandel versucht offenkundig verstärkt, im Versicherungsgeschäft Fuß zu fassen. "Erfolgreiche Modelle sind mir aus den letzten 25 Jahren allerdings nicht bekannt", stellt Manfred Poweleit nüchtern fest. Der Branchenkenner bezweifelt, dass die Händler damit nennenswerte Gewinne machen. Konkrete Zahlen werden bislang nirgends offen gelegt. "Mit Versicherungen lässt sich kein Geld wie mit Büchern verdienen", räumte ein Bertelsmann-Sprecher ein. Ziel dürfte es sein, durch eine breitere Produktpalette mehr Kunden zu binden. Doch die Kunden irren schon jetzt hilflos durch den Versicherungsdschungel. Insofern könnten die Einzelhändler mit beratungsarmen Policen-Angeboten dem qualifizierten Versicherungsvertrieb auf lange Sicht sogar Kunden zutreiben.

Autor(en): Detlef Pohl

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