Die Überalterung bei Vertreterinnen und Vertretern sowie Maklerinnen und Maklern ist in ganz Europa ein Grund für Strukturveränderungen. Was die Europäische Versicherungsaufsicht noch festgestellt hat.
In ihrem 2. Folgebericht zur Umsetzung der Richtlinie IDD zeigt die Europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA, dass sich der Trend des Vermittlerschwunds fortgesetzt hat. Im Jahr 2022 gab es noch knapp 797.000 registrierte Versicherungsvermittlerinnen und Versicherungsvermittler in Europa. Allein gegenüber 2018 entspricht das einem Rückgang um 50.000 Vermittlerbetriebe.
Gut ein Drittel weniger
Greift man auf ältere Berichte der EIOPA zurück, sind seit 2013 sogar über 400.000 Vermittler aus den Registern verschwunden. Das entspricht rund 34 Prozent. Zwar sind über die verschiedenen Berichte der EIOPA hinweg die Zahlen nie ganz deckungsgleich, weil offenbar immer wieder nachträgliche Korrekturen vorgenommen wurden, aber das ändert nichts am langjährigen Trend.
Denselben Trend findet man in Deutschland. Auch hierzulande sind zwischen den Jahren 2013 und 2022 rund 56.000 Vermittler aus dem Vermittlerregister verloren gegangen, was einem Minus von 23 Prozent entspricht.
Mehr juristische Personen
Die EIOPA nennt verschiedene Gründe für den Vermittlerrückgang. Dazu zählen die demografische Alterung der Vermittlerschaft durch fehlenden Nachwuchs, die gestiegenen regulatorischen Anforderungen an den Vermittlerberuf und den zunehmenden Konkurrenzdruck durch Online-Vermittlungsformen.
Zudem gibt es ein Indiz für eine wachsende Konsolidierung und Professionalisierung: Der Anteil juristischer Personen unter den registrierten Vermittlern steigt kontinuierlich an. Er beträgt inzwischen 24 Prozent, 2016 waren es noch 16 Prozent. Allerdings überrascht das nur zum Teil, denn juristische Personen dürften naturgemäß wesentlich länger im Markt tätig sein als natürliche Personen. Dementsprechend ist zwar der Anteil der juristischen Personen an den registrierten Vermittlern um die Hälfte gestiegen. Aufgrund des gleichzeitigen Rückgangs der Vermittlerzahlen entspricht das aber nur einem Zuwachs der juristischen Personen um 17 Prozent.
Sehr unterschiedliche Vermittlerstrukturen
Wie unterschiedlich die Vermittlermärkte in Europa sind, zeigt eine andere Aussage. In 15 von 24 untersuchten Ländern (Mitgliedsländer und assoziierte Länder der EU) dominieren Ausschließlichkeits- und Mehrfachvertreter den Markt. In fünf Ländern sind die meisten Vermittler als Untervermittler anderer Vermittler registriert (Italien, Rumänien, Slowakei, Tschechien, Ungarn), in einem Land (Frankreich) gibt es keinen dominanten Vertriebsweg. Nur in drei Ländern (Belgien, Niederlande, Liechtenstein) dominieren vom Kunden beauftragte Versicherungsmakler.
Deutschland fehlt in dieser Übersicht – bei uns wird im Vermittlerregister nicht erfasst, ob ein Vertreter direkt mit einem oder mehreren Versicherern oder als Untervertreter mit einem anderen (Haupt-) Vertreter seinen Agenturvertrag unterhält. Genauso wenig kann man bei uns erkennen, ob ein registrierter Makler tatsächlich als Makler am Markt auftritt, oder nur als Untervertreter eines Maklers. Eine Reform der deutschen Registrierungsbestimmungen könnte Abhilfe schaffen und wäre längst überfällig.
Honorar setzt sich nirgendwo durch
Provisionen sind in 20 von 23 verglichenen Ländern – die EIOPA bekommt wohl immer noch nicht von allen nationalen Aufsichtsbehörden erschöpfende Auskünfte – die vorherrschende Vergütungsform. In keinem einzigen Land sind vom Kunden zu zahlende Gebühren, die bei uns etwas hochtrabend als „Honorar“ bezeichnet werden, die vorherrschende Form. Den relativ höchsten Anteil erreicht Schweden mit 20 Prozent Anteil der Gebühren an allen Vergütungsformen. In Irland gibt es ausschließlich eine Kombination aus Provisionen und Gebühren, in den Niederlanden und in Tschechien sind solche Kombinationen die jeweils vorherrschende Verfahrensweise. Deutschland fehlt wieder einmal, die deutschen Aufsichtsbehörden erfassen die Art der Vergütung nicht und können deshalb auch nichts an die EIOPA berichten.
Niederländische und irische Versicherungsvermittler verkaufen mehrheitlich Finanzdienstleistungsprodukte und nur untergeordnet Versicherungen. In Estland, Island und Norwegen verdienen die im Vermittlerregister Erfassten ihr Geld mehrheitlich mit ganz anderen Produkten, also als Annexvermittler. Nur in vier Ländern (Bulgarien, Litauen, Portugal, Ungarn) verdienen die Registrierten ihr Geld ausschließlich mit der Versicherungsvermittlung. Für Deutschland gibt es erneut keine vergleichbaren Zahlen.
Grenzüberschreitende Vermittlung findet kaum statt
Eines hat sich in den vergangenen Jahren allerdings nicht verändert: Die grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung, die durch die frühere Vermittler- und heutige Vertriebsregulierung eigentlich gefördert werden sollte, bleibt eine Nischenerscheinung. Ganze 7.042 Vermittler oder weniger als ein Prozent aller Registrierten machen von der Dienstleistungsfreiheit Gebrauch. Und selbst das bedeutet lediglich, dass diese Vermittler ihrem Vermittlerregister gegenüber angeben haben, dass sie auch in anderen Ländern der EU tätig werden wollen, das sogenannte Notifizierungsverfahren. Ob sie dann dort auch tätig werden und in welchem Umfang, erfährt man aus den Registern nicht.
Hierfür will die EU-Kommission Abhilfe schaffen. Im Entwurf einer Kleinanlegerstrategie vom Mai 2023 machte sie auch den Vorschlag, die IDD zu ergänzen. Danach soll jeder Vermittler, der mehr als 50 Kunden im Ausland betreut, über Art und Umfang seiner Auslandsaktivitäten jährlich an seine Aufsichtsbehörde berichten. Bisher allerdings geht es mit der Kleinanlegerstrategie nicht weiter, und vor der Europawahl wird sie wohl kaum noch verabschiedet werden können.
Noch weniger Vermittler in Europa haben ihrem Register angezeigt, dass sie von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen wollen, also eine Auslandsniederlassung errichten. Das sind europaweit 322 Vermittler. Über die letzten Jahre hat es bei keinem der beiden Notifizierungsverfahren eine nennenswert positive Entwicklung gegeben. Die grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung bleibt ein Traum, der im Binnenmarkt nicht zur Realität wird.
Finfluencer fordern die Aufsicht
Dafür gibt es andere Realitäten, die die EIOPA kritisch beurteilt. Eine davon ist die wachsende Bedeutung von Finfluencern, die in sozialen Medien Informationen zu Finanz- und Versicherungsprodukten anbieten und diese bewerben. Positiv daran sei zwar, dass Finfluencer Menschen auf das Thema Versicherungen ansprechen, die von den traditionellen Vertriebswegen nicht erreicht werden. Aber es gibt bisher keine Registrierungspflicht und damit Kontrolle der Finfluencer.
Hervorgehoben wird, dass Frankreichs Aufsicht und Gesetzgeber bereits tätig geworden sind. Die Aufsicht stützt sich auf Artikel 17 Absatz 2 IDD, in dem irreführende Werbung untersagt wird. Besonders achte man auf Werbung in Zusammenhang mit nachhaltigen Investments, Crypto-Währungen und fondsgebundene Versicherungen. In Deutschland ist bisher keine vergleichbare Initiative der Aufsichtsbehörden bekannt. Mit der Kleinanlegerstrategie ist vorgesehen, Finfluencer in den Anwendungsbereich der Richtlinie aufzunehmen und Druck aufzubauen, genauer hinzusehen, wer in sozialen Medien wofür Werbung macht.
Ein Fazit der EIOPA ist jedoch positiv: Die Beratungsqualität ist in den meisten Ländern dank der IDD besser geworden und die Zahl der Kundenbeschwerden gesunken. Nicht in diesem Trend liegt nach den Erkenntnissen der EIOPA unter anderem Deutschland. Es gibt damit hierzulande noch viel zu tun.
Autor(en): Matthias Beenken