Was vom Lebensversicherungs-Zweitmarkt zu halten ist

Im vergangenen Jahr haben die Lebensversicherer 12,4 Milliarden Euro vorzeitig an ihre Kunden ausgezahlt. Grund: Rund 1,5 Millionen Kunden hatten ihren Vertrag vor Ende der Laufzeit gekündigt. Damit nahmen sie Verluste in Kauf (geringe Rückkaufswerte), während die Anbieter Stornogewinne verbuchen konnten.
Doch immer mehr Kunden wenden sich wegen der schlechten Rückkaufswerte an Secondhand-Aufkäufer, von denen es inzwischen eine Hand voll gibt. Der Verkauf bringt Kunden oft sechs Prozent mehr als der eigentliche Rückkaufswert.

Hintergrund: Die LV-Aufkäufer ersparen dem Kunden rund vier Prozent Stornogebühr. Formal wird der Vertrag fortgeführt, aber unter anderem Namen. Käufer und Verkäufer teilen sich den Kündigungsgewinn, den sonst die Versicherung behalten würde. Der Kunde erhält mehr Geld (steuerfrei) und behält auch kostenlosen Versicherungsschutz.

Das klappt natürlich nur, wenn sich entsprechende Käufer finden. Mit Abstand am größten ist die Münchener Firma Cashlife. Sie nimmt Renten- und Lebenspolicen deutscher Versicherer, die es auf mindestens 15.000 Euro Rückkaufswert gebracht haben und maximal 15 Jahre Restlaufzeit aufweisen (keine Fondspolicen und Direktversicherungen).

Der Aufkäufer bezahlt den erhöhten Zeitwert und wird zum Versicherungsnehmer. Er überweist fortan die Beiträge weiter bis zum Ende der Laufzeit. Stirbt der Versicherte (also der Kunde, der verkauft hat, aber versichert bleibt) vorher, so erhalten die Erben die Todesfall-Leistung – abzüglich des Kaufpreises, der zwischenzeitlich von der Firma überwiesenen Beiträge und einer angemessenen Verzinsung (rund vier Prozent).

Interessenten erfahren von Aufkäufern zum Beispiel über das Internet, etwa bei http://www.google.de (Stichwort "Gebrauchte Lebensversicherung"). Selbst Vermittler profitieren: Wenn sie Kunden mit einem Aufkäufer zusammenbringen, gibt es rund ein Prozent des verhandelten Policenverkaufswerts an Provision.

Doch der LV-Policen-Zweitmarkt birgt auch Risiken und Unterschiede. Während die Secondhand-Händler in Deutschland nur Kapitallebensversicherungen aufkaufen, konzentriert sich der US-Zweitmarkt auf Risikolebensversicherungen. Dort wird quasi auf das frühe Ableben des Versicherten gesetzt. Anleger können davon profitieren, weil der Zweitmarkt für US-Policen hierzulande über geschlossene Fonds angeboten wird (aktuell rund 20 Fonds). Inzwischen gibt es auch die ersten offenen Fonds, die in deutsche gebrauchte Kapitalpolicen investieren.

Das Deutsche Finanzdienstleistungs-Informationszentrum (DFI) hat aus aktuellem Anlass ein Sonderheft "Lebensversicherungs-Fonds" auf den Markt gebracht (kostet 49 Euro; Bezug über http://www.dfi-report.de oder Fax-Nr. 069/ 24 26 39 60). Der Handel mit Gebrauchtpolicen sei eine weitgehend konjunkturunabhängige Kapitalanlage, werben die Initiatoren, darunter zunehmend Banken und Beteiligungsgesellschaften. "Bislang hat jedoch kein Fonds Renditen ausgeschüttet und es liegt noch keine Leistungsbilanz vor, die den Erfolg belegen könnte", sagt Susanne Osadnik vom DFI.

Sie hat den Zweitmarkt in den USA und in Deutschland beleuchtet und beide Konzepte verglichen. Die "amerikanischen" Fonds beteiligen Anleger direkt als Kommanditisten oder indirekt über Treuhand-Gesellschaften. Die Beteiligung habe Blindpool-Charakter, da der Kauf bestimmter Policen nicht feststeht.

Probleme bringe zum Beispiel die Einlagensicherung. In manchen US-Bundesstaaten gilt die Absicherung nur für den erst eingetragenen Versicherungsnehmer oder für Einzelpersonen – ein Nutznießer wie eine Beteiligungsgesellschaft wäre bei Insolvenz des Versicherers nicht abgesichert. Anleger hätten damit Verluste zu tragen.

Gefahr droht den US-LV-Fonds auch vom deutschen Fiskus. Die Betreiber gehen davon aus, dass Beteiligungen an US-Policenfonds als Vermögensverwaltende Gesellschaften eingestuft werden und Erlöse damit steuerfrei bleiben. Das Bundesfinanzministerium sieht intern darin bereits eine gewerbliche Tätigkeit, deren Gewinne versteuert werden müssten.

Unterm Strich sollen mit US-LV-Fonds bis zu 14 Prozent Rendite vor Steuern bei hohem Risiko möglich sein. "Ungefähr die Hälfte aller geplanten Erträge fließt aber in anfängliche und laufende Kosten", sagte Beteiligungs-Experte Stefan Loipfinger dem Magazin FINANZtest den. Damit der Anleger auf eine zweistellige Rendite kommt, müsste die Police 20 bis 25 Prozent einbringen – kaum möglich.

Autor(en): Detlef Pohl

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